# taz.de -- Linke-Parteichef Riexinger: „Wir sagen, was mit uns geht“ | |
> Nach den Turbulenzen unter Lafontaine und Gysi ist es ruhiger um die | |
> Linkspartei geworden. Jetzt beschäftige man sich mit realen Problemen, | |
> sagt Parteichef Riexinger. | |
Bild: Findet, dass er keine großen Fehler gemacht hat: Linksparteichef Bernd R… | |
taz: Herr Riexinger, Sie sind jetzt seit 120 Tagen Chef der Linkspartei. | |
Was ist Ihnen gelungen? | |
Bernd Riexinger: Wir streiten uns in der Partei wenig und haben im Sommer | |
unsere Themen – Eurokrise, Mindestlohn, Ostrente – nach vorn gebracht. | |
Und was ist misslungen? | |
Da fällt mir nicht so viel ein. Die Umfragen gehen wieder nach oben. Nach | |
dem Göttinger Parteitag lagen wir zwischen 4 und 6 Prozent, jetzt liegen | |
wir zwischen 6 und 8. | |
Sie haben also keinen Fehler gemacht? | |
Niemand macht keine Fehler, aber große waren nicht dabei. | |
„Streit in der Linkspartei“ ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Ist der | |
Preis für den innerparteilichen Frieden Unauffälligkeit? | |
Nein. Wir werden als Oppositionspartei wahrgenommen. SPD und Grüne haben ja | |
für Merkels Politik in der Eurokrise gestimmt, nur wir haben eine | |
Alternative aufgezeigt. Das ist für eine kleine Partei wie unsere nicht | |
schlecht. Auch dass andere Parteien jetzt die Altersarmut, die die | |
Linkspartei schon lange als Thema hat, entdecken, zeigt, dass wir wirksam | |
sind. | |
Sind Sie beleidigt, wenn man Sie farblos nennt? | |
Das sagt niemand, der mich kennt. Als ich nach Ostdeutschland gefahren bin, | |
um der Basis zuzuhören, stand in einigen Zeitungen, dass mir das Charisma | |
von Oskar Lafontaine fehlt. Wie soll ich denn große Reden halten, wenn ich | |
dort bin, um zuzuhören? Da werden Klischees bedient. | |
Im Westen hat es Wahlniederlagen gehagelt, in Nordrhein-Westfalen und | |
Schleswig Holstein ist die Linkspartei aus dem Parlament geflogen. Was nun? | |
Wir müssen klarmachen, dass wir die sozialen Interessen der Arbeitnehmer, | |
Rentner und Arbeitslosen vertreten … | |
Damit ist die Linkspartei in NRW auf 2, 5 Prozent gekommen … | |
In Nordrhein-Westfalen hatten wir das Pech, dass wir uns dort während des | |
Wahlkampfs innerlich zerlegt haben. Das geht nicht gut, jedenfalls bei uns | |
nicht. Bei den Piraten oder den Grünen werden solche internen Streitereien | |
vielleicht als interessanter Diskurs empfunden. Sozial Schwächere und | |
Gewerkschafter sind da anders. Die fragen: Wie wollen die denn unsere | |
Interessen vertreten, wenn sie sich selbst nicht einig sind? | |
Auch im Osten haben die GenossenInnen sehr unter den Zerwürfnissen | |
gelitten. Das habe ich auf meiner Sommerreise dort oft gemerkt. Unser | |
zweites Problem ist, gerade im Westen, dass die SPD in der Opposition | |
verbal nach links geht und sich sozialen Fragen zuwendet. Mit dieser SPD | |
müssen wir anders umgehen als mit der SPD, die gerade die Rente mit 67 und | |
Hartz IV verabschiedet hat. | |
Und wie sieht Ihre neue Strategie gegenüber der SPD aus? | |
Ich weiß nicht, ob das eine neue Strategie ist. Wir sagen einfach, was mit | |
uns geht und was wir an konkreten Projekten durchsetzen wollen. Wir wären | |
also bei einer Regierung dabei, wenn es um eine armutsfeste Rente geht, um | |
Mindestlöhne, von denen man leben kann, um eine sanktionsfreie | |
Grundsicherung statt Hartz IV, um Friedenspolitik und eine faire Verteilung | |
von Reichtum. Die Wähler verstehen somit, wofür wir stehen. Und sie sehen | |
auch, wie ernst es die SPD meint. | |
Die SPD sagt, sie will auch Bankenregulierung. Mindestlöhne und | |
Vermögensteuer, aber nicht mit den Linken. Da fragt sich: mit wem dann? | |
Also in einer großen Koalition oder, wie Steinmeier es sagt, lieber mit der | |
FDP als mit den Linken? Da müssen sie ihren Wählern erklären, wie sie mit | |
dieser FDP höhere Steuern für Reiche durchsetzen. Wir stehen für einen | |
Politikwechsel zur Verfügung. Die anderen müssen zeigen, ob sie ihre | |
eigenen Forderungen ernst meinen. | |
Ist das Agitprop? Wenn sie Rot-Grün nur Ihr Parteiprogramm vorlesen, ist | |
das ja kein seriöses Angebot zur Zusammenarbeit. Oder wollen Sie Rot-Grün | |
ein ernsthaftes Angebot machen, mit Mindestforderungen für eine | |
Unterstützung? | |
Wir machen ein seriöses Angebot. Wir fordern nichts Exotisches. Die | |
Angleichung der Renten in West und Ost steht doch selbst im schwarz-gelben | |
Koalitionsvertrag. Dass man Renten und Löhne braucht, von denen man leben | |
kann, ist eine Selbstverständlichkeit. Ich hoffe, dass die SPD in wichtigen | |
Punkten eine Klärung herbeiführt. Bei der Frage, ob sie die rot-grünen | |
Rentenkürzungen zurücknehmen will, ist sie tief gespalten. Aber ich finde | |
es toll, dass es in der SPD nun eine Rebellion gegen die | |
Rentenkürzer-Troika gibt. | |
Stellen Sie sich vor, es gäbe in der SPD einen Mitgliederentscheid darüber, | |
ob sie das Rentenniveau bei über 50 Prozent sichern will. Ich bin mir | |
sicher, dass die Basis auf der Seite der Rentenrebellen steht. Vielleicht | |
wäre das gar nicht schlecht. Dann gäbe es auch Klarheit für den | |
Politikwechsel. Denn armutsfeste Renten sind für uns ein Knackpunkt. | |
Das klingt anders als bei Ihren Vorgängern Klaus Ernst und Oskar | |
Lafontaine, bei denen es in Richtung SPD nur Abteilung Attacke gab. | |
Wenn Sie das so sehen. | |
Wie sehen Sie das? | |
Wir, Katja Kipping und ich, sagen nichts über unsere Vorgänger, schon gar | |
nichts Negatives. Aber jede Zeit braucht ihre Tonlage. | |
Herr Riexinger, im Westen ist das Bild der Linkspartei trübe. Zu den | |
Wahlniederlagen kommt, dass 20 Prozent der GenossenInnen dort keine | |
Beiträge zahlen, der Einfluss der Linkspartei in den Gewerkschaften sinkt. | |
Was tun? | |
Wir haben unter Gewerkschaftern an Vertrauen verloren. Das ist kein Wunder, | |
weil sich die SPD wieder auf die Gewerkschaften zubewegt hat. Aber eine | |
aktuelle Analyse zeigt, dass sich wieder mehr Menschen vorstellen können, | |
uns zu wählen. Vor allem unter Gewerkschaftern ist die Zahl der | |
potenziellen Wähler gestiegen. Darin spiegelt sich, dass wir uns wieder mit | |
den realen Problemen beschäftigen, mit prekärer Beschäftigung und guter | |
Arbeit befassen. Das merken die Leute. | |
Aber die Mitgliederbasis im Westen schwindet … | |
Wir sind im Westen noch immer eine neue Partei. Da kommen und gehen Leute, | |
das ist normal. Um die, die keine Beiträge mehr zahlen, müssen wir uns | |
kümmern. Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, die Leute einfach zu | |
streichen. Manche zahlen einfach nicht mehr, weil sie ärgerlich auf die | |
eigene Partei sind aber auch nicht austreten wollen. Auf die müssen wir | |
zugehen. | |
Also gibt es gar keine Krise der Linkspartei im Westen? | |
Wir haben dort sehr schnell Wahlerfolge erzielt, ohne dass die Partei sich | |
genauso schnell entwickelt hat. Da gibt es eine Schere. Wie verlieren noch | |
Mitglieder, aber deutlich weniger. Bei den Grünen hat es auch zehn, zwölf | |
Jahre gedauert, ehe sich dort ein stabiler Unterbau entwickelt hat. | |
Das ist ja ein Bild schönster Harmonie. Gregor Gysi hat beim Parteitag in | |
Göttingen noch von „Hass in der Fraktion“ geredet. Wo ist er geblieben? | |
Verdampft? | |
Ich war seit Göttingen regelmäßig in der Fraktion. Ich habe da keinen Hass | |
gesehen. Gysi hat selbst festgestellt, dass das Klima auch in der Fraktion | |
besser geworden ist. | |
Die Ost-Chefs haben sich neulich in einem Brandbrief für mehr Fokussierung | |
auf den Osten eingesetzt. Im engeren Parteivorstand gebe es beispielsweise | |
niemand mehr mit DDR-Biografie. Verstehen Sie das als Schwabe? | |
Das ist nicht die Schlüsselfrage. Im Parteivorstand müssen alle | |
Traditionslinien vertreten sein, und das ist der Fall. Die Interessen der | |
ostdeutschen Landesverbände werden dort sehr ernst genommen. | |
Also kein Ost-West Konflikt mehr? | |
Die Linke ist eine linkspluralistische Partei. Wir dürfen die kommunale | |
Kompetenz im Osten nicht gegen die außerparlamentarische Bewegungen | |
stellen. Das ist ein Scheinkonflikt. Wir brauchen beides. | |
28 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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