# taz.de -- Ministerpräsident will Ämter niederlegen: Bye-bye, Beck | |
> Seit 1994 war Kurt Beck in Rheinland-Pfalz Ministerpräsident. Mit dem | |
> Rückzug erweist er seinen Sozialdemokraten einen letzten Dienst. | |
Bild: Ausgleichender Pragmatiker: Nach 18 Jahren als Ministerpräsident von Rhe… | |
MAINZ taz | Nun legt er also doch alle Ämter nieder. 18 Jahre wirkte es, | |
als sei an Kurt Beck als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz nicht zu | |
rütteln. Nicht vom zerstrittenen Gegner und schon gar nicht von den | |
parteiinternen Diadochen. Beides hat sich zuletzt geändert. | |
Mit CDU-Chefin Julia Klöckner empfiehlt sich eine dynamische Junge als | |
Alternative, und auch innerhalb der SPD griff zuletzt immer mehr Nervosität | |
darüber um sich, wie es weitergeht, wenn Deutschlands dienstältester | |
Ministerpräsident mal seinen Hut nimmt. Es ist, auch wenn die SPD die | |
Landtagswahl 2016 mit frischem Personal noch einmal für sich entscheiden | |
sollte, das Ende einer Ära. | |
Eingeläutet wurde es bereits 2008, als Beck von Franz Müntefering aus dem | |
Amt des SPD-Bundeschefs gedrängt wurde. Als Gemütsmensch hatte er nie einen | |
Hehl daraus gemacht, wie empfindlich ihn dieses Manöver getroffen hatte. | |
Übernommen hatte er das Amt damals vom ausgebrannten Matthias Platzeck, | |
wirklich ausfüllen konnte er es nicht. Das ausgleichend und manchmal etwas | |
behäbig Gravitätische, mit dem er Rheinland-Pfalz regierte, mochte in | |
Berlin nie so recht verfangen. | |
## Präsidial-pontifikaler Regierungsstil | |
Dabei war es ihm ein Anliegen und in seiner Heimat bisher immer gelungen, | |
Mitstreiter wie Widersacher in seine Entscheidungen einzubinden. Die | |
Parteilinke nahm ihm seinen präsidial-pontifikalen Regierungsstil nicht | |
übel, selbst CDU-Wählern war der Mann sympathisch, und die Wirtschaft war | |
mit ihrem Landesherren mehr als zufrieden. Ein Spagat, den nicht jeder | |
hinbekommt. | |
Zwischen 2001 und 2003 gab es in Rheinland-Pfalz einen regelrechten | |
Gründungsboom, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft blickte ebenso | |
mit Wohlgefallen auf den Südwesten wie die Wirtschaftsprüfer von Ernst & | |
Young. | |
Er konterte den volkswirtschaftlich bedrohlichen Abzug der US-Streitkräfte | |
mit Projekten wie dem Ausbau des ehemaligen Air-Force-Flughafens Hahn im | |
Hunsrück zur Basis für Billigflieger – ein Paradebeispiel für die gelungene | |
Konversion militärischer Liegenschaften auch gegen den Widerstand der | |
Grünen oder die Mopsfledermaus, die dem Ausbau der Landebahn im Wege stand. | |
Selbst als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, als | |
ZDF-Verwaltungsrat und damit oberster Medienpolitiker hatte er immer das | |
Primat der Länder gegenüber Berlin im Blick. Ansonsten praktizierte er | |
einen strengen Pragmatismus, ein typischer Beck-Satz lautete: „Für das | |
Funktionieren unseres Alltagslebens ist die Putzfrau genauso wichtig wie | |
der Generaldirektor.“ Sein Auftreten deckte sein inoffizielles Motto „Nah | |
bei die Leit“. | |
## Wahlsiege mit Rekordergebnissen | |
Im mittelständisch und bäuerlich geprägten Flächenland kam dem Katholiken | |
auch seine Herkunft aus kleinen Verhältnissen zugute. Beck ist der Sohn | |
eines Maurers und gelernter Elektrotechniker. Über die Gewerkschaftsarbeit | |
kam er zur Politik, der SPD trat er 1972 bei. | |
Er war Bürgermeister seines Heimatortes Steinfeld, 1979 wurde er erstmals | |
in den Mainzer Landtag gewählt, wo ihn vor allem Rudolf Scharping nach | |
Kräften förderte. Als Scharping 1994 Oppositionsführer im Bundestag wurde, | |
übernahm Beck die Regierungsgeschäfte – und gewann Wahlen mit | |
Rekordergebnissen. | |
Noch im Mai hatte er – inzwischen in Koalition mit den Grünen – erklärt, | |
bis zur Wahl 2016 im Amt ausharren zu wollen, „wenn ich gesund bleibe“. Es | |
war eine trotzige Reaktion auf Gerüchte, er führe bereits Gespräche mit | |
möglichen Nachfolgern. | |
Inzwischen hat er ein Misstrauensvotum wegen des Debakels am Nürburgring | |
überstanden, ohne dass der Druck auf ihn geringer geworden wäre – | |
wahrscheinlich nicht zuletzt der Druck aus den eigenen Reihen. Seiner | |
Partei erweist der 63-Jährige mit seinen Rücktritt einen letzten Dienst. | |
Wer ihm in seinen Ämtern folgen sollte, wird nun gerade noch genug Zeit | |
haben, sich bis zur Wahl zu profilieren. | |
28 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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