# taz.de -- Schulpolitik: Streit über Sonderschulen | |
> Im Zuge der Inklusion wird die Zahl der Förderschulen drastisch | |
> reduziert. Eltern aus Hamm und dem Bezirk Altona protestieren. Grüne | |
> kritisieren das Verfahren. | |
Bild: Müssen ihren Bewegungsdrang ausüben und brauchen klare Strukturen: Kind… | |
Seitdem in Hamburg alle Kinder das Recht auf Besuch einer Regelschule | |
haben, geht die Zahl der Kinder an Förderschulen drastisch zurück. Die | |
Schulbehörde plant nun die Zusammenlegung von etlichen Standorten: Aus 25 | |
Förder- und Sprachheilschulen sollen 13 „Bildungs- und Beratungszentren“ | |
(ReBBZ) entstehen. Die sollen nun künftig für jene Kinder ein Lernort sein, | |
deren Eltern weiter eine Förderschule wünschen. | |
Der Plan stößt auf Protest. Drei Mütter der Förderschule Pröbenweg in Hamm | |
traten in dieser Woche vor die Presse. Ihre Söhne litten am | |
Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) und bräuchten den geschützten Rahmen | |
der kleinen Förderschulklassen. Nach dem Plan der Behörde soll die Schule | |
ins Karolinenviertel an den Standort Laeiszstraße umziehen. | |
„Was das für die Kinder bedeutet, kann man sich gar nicht vorstellen“, sagt | |
die Elternratsvorsitzende Ines Köhler. „Wenn dort Dom ist und alles blinkt, | |
werden die total ablenkt.“ Den Schulweg würde ihr Sohn Timm nicht schaffen. | |
„Heute fährt er zehn Minuten mit dem Bus, das haben wir oft geübt.“ Künf… | |
müsste der 10-Jährige von Rothenburgsort mit S- und U-Bahn bis Feldstraße | |
fahren. | |
In den Schulwegen sieht auch die Lehrerkammer ein Problem. Die 13 | |
Standorte, in die auch die bezirklichen Schulberatungsstellen einziehen | |
sollen, wären für die Beratung ausreichend. Für die Schüler würden die Wege | |
jedoch ohne Busdienst zu weit. Das Elternwahlrecht werde „indirekt | |
eingeschränkt“. | |
Die Kammer bemängelt zudem, dass die Behörde vor allem Standorte schließen | |
wolle, deren Verkauf finanzielle Vorteile bringt. So soll zum Beispiel die | |
am Elbhang gelegene Förderschule Carsten-Rehder Straße aufgegeben werden, | |
die auf einem Filetgrundstück steht. Die Schule soll an den Standort der | |
Sprachheilschule Bernstorffstraße wechseln. „Doch dort ist zu wenig Platz“, | |
sagt die Grünen-Bezirkspolitikerin Sava Stomporowski. Das Gebäude | |
Carsten-Rehder-Straße sei gut mit Fachräumen und Kantine ausgestattet. Die | |
Bezirksversammlung Altona fordert, es dort als „Schulstandort“ zu erhalten. | |
Die Schulbehörde verweist darauf, dass es sich bei der Liste noch um | |
Vorschläge handele, über die erst nach Sichtung aller Stellungnahmen am 31. | |
Oktober entschieden werde. Doch um Fusionen komme man nicht herum, da die | |
Zahl der Förderschüler jährlich um ein Drittel schrumpfe. Die Lehrer würden | |
an den Regelschulen gebraucht. „Wenn nur noch 60, 70 Kinder an einer Schule | |
sind, ist das auch für die Kinder nicht schön“, sagt Anke Pörksen, Leiterin | |
des Referats für Qualitätssicherung und Inklusion. | |
Das Angebot der inklusiven Schule gilt auch für Kinder mit ADS. Die Kinder | |
müssten ihren Bewegungsdrang ausüben und bräuchten klare Strukturen, sagt | |
Pörksen. Es gebe Schulen, die seit Jahren mit Erfolg diese Kinder | |
integrierten. Es gebe aber auch welche, die das noch nicht könnten: „Hier | |
liegt eine Herausforderung in der Lehrerfortbildung.“ | |
Gleichwohl werde es immer Kinder geben, die kleine Gruppen brauchen. Für | |
die werde es die ReBBZ geben. Die Schule Pröbenweg sei baulich in so | |
schlechtem Zustand, dass sie nicht erhalten werden könne. „Sie kann dort | |
zwei, drei Jahre weiterlaufen, aber wir können dort nicht neue Fenster | |
einbauen.“ Höhere Klassen könnten also noch zu Ende laufen. Für jüngere | |
Schüler, für die der Schulweg zu weit wird, kämen auch östlich von Hamm | |
gelegene ReBBZ-Standorte in Frage. | |
Die Schulreformgegner von „Wir wollen lernen“ unterstützen den | |
Elternprotest und fordern eine „Bestandsgarantie“ für den Pröbenweg. Die | |
Grünen dagegen begrüßen die Fusionspläne als „konsequent“. Allerdings | |
müssten auch Eltern und Schüler beteiligt werden. „Denn der Prozess der | |
Umstellung ist teilweise sehr schmerzhaft“, sagt Schulpolitikerin Stefanie | |
von Berg (Grüne). Es gebe hier „Zielkonflikte, die nicht lösbar sind“. | |
28 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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