| # taz.de -- Neues Album der Band Grizzly Bear: Langsames Gift | |
| > Auf ihrem Album „Shields“ präsentiert sich die US-Band Grizzly Bear | |
| > runderneuert. Es dominieren reduktionistische Arrangements und | |
| > Stilwechsel. | |
| Bild: Kammerpop im besten Sinne: Grizzly Bear. | |
| Daniel Rossen will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Gelassen, | |
| aber bestimmt erzählt der Gitarrist und Sänger der US-Band Grizzly Bear, | |
| wie er mit seinen Kollegen im Studio war, um ihr neues Album „Shields“ | |
| einzuspielen. Dort sei man sich schnell einig geworden, dass es diesmal | |
| nicht wieder den bewährten mehrstimmigen Gesang geben sollte. Der schien | |
| mittlerweile so sehr zur Klangsignatur der Band zu gehören, dass die | |
| Popkritik sie fast schon reflexhaft mit den Vorzeige-Chorknaben namens | |
| Beach Boys verglich. „Wir waren die Sache ziemlich leid geworden.“ | |
| Eigentlich hatte das Quartett mit seinem Vorgängeralbum „Veckatimest“ im | |
| Jahr 2009 erst den Durchbruch geschafft, was zu einem Gutteil an der | |
| Sangeskunst von Rossen und Bandgründer Ed Droste gelegen hatte. Doch allzu | |
| einfach wollte man es sich nicht machen und wagte statt der erprobten | |
| Formel lieber etwas Neues. „Wir wollten versuchen, unsere Ideen noch | |
| knapper und direkter zu formulieren“, so Rossen. | |
| Also nicht wieder siebenfachen Harmoniegesang aufschichten. Stattdessen ein | |
| paar Tonspuren herunterfahren und an der verbliebenen Auswahl arbeiten. | |
| Grizzly Bear zählen zur Speerspitze der US-amerikanischen Genremixer, | |
| werden oft in einem Atemzug mit Animal Collective oder den Dirty Projectors | |
| genannt, weil ihnen allen ein experimenteller Zugang zum Pop gemeinsam ist, | |
| in dem sich Folk durchaus auf elektronische Klangforschung reimen kann. | |
| ## | |
| Besonders mit Animal Collective teilen Grizzly Bear eine Vorliebe für | |
| psychedelische Musik, die bei ihnen eine träumerischere, verspieltere Form | |
| annimmt. Allerdings zeigen sich Grizzly Bear auf „Shields“ auch in dieser | |
| Hinsicht etwas gewandelt, wirken härter, kühler, dunkler. | |
| Dabei tut die Band nach eigenem Bekunden nichts weiter, als die eigenen | |
| Gedanken weiter herauszuarbeiten. „Wir versuchen ständig, unsere Ideen zu | |
| klären. Das war bei der Entwicklung von ,Yellowhouse' zu ,Veckatimest' | |
| schon so“, ergänzt Chris Taylor, Bassist und Produzent der Band. „Diesmal | |
| ist es dasselbe, wir wollten den Raum einfach nur noch weiter leerräumen.“ | |
| Taylor, der hauptsächlich für die Arbeit an den Klangdetails verantwortlich | |
| zeichnet, weiß inzwischen ziemlich gut, wie schwierig das Ausformulieren | |
| von Songideen ist. | |
| Im vergangenen Jahr debütierte er mit seinem Soloprojekt Cant, das ihn zum | |
| ersten Mal als Songwriter präsentierte. Zuvor hatte er immer nur anderen | |
| geholfen, ihren Songs die endgültige Gestalt zu verleihen. Die Erfahrung | |
| mit Cant scheint Taylors Herangehensweise an die Musik von Grizzly Bear | |
| noch einmal verändert zu haben. Auch wenn „Shields“ insgesamt karger | |
| gestaltet ist als „Veckatimest“, merkt man eine verstärkte Arbeit am | |
| Detail. | |
| Die Songs mögen kompakter gebaut sein als zuvor, zugleich sind sie in der | |
| Produktion fließender, ganz so, als würden sich Form und Binnenleben in | |
| gegensätzliche Richtungen bewegen. Grizzly Bear bleiben bei alledem ganz | |
| Eskapisten, von einem rebellischen Gestus ist bei ihnen eher wenig zu | |
| spüren. Man stellt sie daher oft in die Nähe von Art Rock. Mit ihren | |
| Brüchen, Stilwechseln und den Melodien, die oft wie um die Ecke herum in | |
| den Song hineinwachsen, werden sie diesem Etikett auch einigermaßen | |
| gerecht. Gefühle dürfen dabei ebenfalls artikuliert werden, doch alles in | |
| allem geben sich Grizzly Bear freundlich-distanziert. | |
| ## Rockband im emphatischen Sinne | |
| Als Rockband im emphatischen Sinne betrachten sie sich ohnehin nicht - | |
| Rossen findet den Begriff viel zu einengend. Andererseits haben sie gegen | |
| Eskapismus überhaupt nichts einzuwenden. „Das ist der Grund, weshalb ich | |
| Musik mache“, bekennt Taylor. „Es ist meine Zuflucht.“ Die erste Single �… | |
| Simple Answer“ scheint da als geradliniger Shuffle mit vorantreibendem | |
| Klavier und scheinbar schlichter Melodie ein wenig aus dem Rahmen zu | |
| fallen. Bis sich nach vier Minuten die Lage schlagartig ändert: Der | |
| Rhythmus kollabiert, und der Song klingt als psychedelische Ballade aus. | |
| Passend zur zweiten, kontemplativeren Hälfte des Albums. Songs wie„ Half | |
| Gate“ oder „Sun in Your Eyes“ sind Kammerpop im besten Sinne, in denen si… | |
| die Instrumente allen Raum nehmen können, den sie zur Entfaltung brauchen, | |
| und die in ihrer optimistisch gestimmten Melancholie und den gelegentlichen | |
| jubilatorischen Ausbrüchen mitunter an ein Vorbild denken lassen, das in | |
| der langen Vergleichsliste, die Grizzle Bear über die Jahre präsentiert | |
| wurde, bisher nicht aufgetaucht war: die weitgehend vergessenen Turtles aus | |
| Kalifornien, denen in den Sechzigern Klassiker wie „Happy Together“ | |
| gelangen und deren Hippie-Psychedelik immer von einer ironischen | |
| Popleichtigkeit getragen wurde. | |
| Da macht es gar nichts, wenn Grizzly Bear bekennen, von der Band nicht so | |
| richtig gewusst zu haben. „Shields“ ist ein langsam wirkendes Gift. Das | |
| Album überwältigt einen nicht auf Anhieb, wie es „Veckatimest“ mit seinem | |
| quirligen Überschwang getan hatte. Mit der Zeit entdeckt man dafür die | |
| Vorzüge dieser vordergründigen Sprödigkeit. | |
| Es ist eine schärfer gezeichnete Landschaft, bei der man mit etwas Ruhe die | |
| Schönheit ihrer Einzelheiten entdeckt. Und Pop, als Kunst begriffen, | |
| verlangt schließlich, dass man genauer hinhört. | |
| ## Grizzly Bear, „Shields“ (Warp/Rough Trade); live 30. 10. Hamburg, 31. | |
| 10. Berlin, 1. 11. Köln | |
| 2 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
| Tim Caspar Boehme | |
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