# taz.de -- Freundliche Primaten leben länger: Pavian-Personality-Check | |
> Ein netter und offener Charakter lohnt sich. Mehr Freunde, gesündere | |
> Kinder, ein längeres Leben. US-Wissenschaftler fanden heraus: Das gilt | |
> auch für Paviane. | |
Bild: Ein echter Hingucker: Gina, ein Blutbrustpavian-Mädchen im Berliner Tier… | |
BERLIN taz | Weibliche Paviane, die freundlich zu anderen sind, haben | |
stabilere soziale Bindungen zu anderen Weibchen. Sie haben fittere | |
Nachkommen und leben länger. Langzeitbeziehungen sind bei den Primatinnen | |
nicht von der Rangordnung abhängig, sondern von einem zugänglichen Wesen, | |
wie ein Forscherteam um die Biologin Dorothy Cheney von der University of | |
Pennsylvania in einer Langzeitstudie herausfand. | |
Dieser Zusammenhang besteht bei männlichen Pavianen nicht. Bei denen steigt | |
die Lebenerwartung, je höher der Rang ist. Verhaltensbiologen sehen den | |
Charakter eines Tieres zunehmend als wichtiges Kriterium für erfolgreiche | |
Anpassungs- und Überlebenstrategien. Problematisch dabei ist, dass viele | |
Studien an Tieren typisch menschliche Persönlichkeitsmerkmale untersuchen, | |
kritisiert Cheney, die seit fast 20 Jahren im Moremi-Wildresaervat in | |
Botswana Paviane untersucht. | |
In früheren Untersuchungen konnte Cheney bereits nachweisen, dass | |
langlebige und enge soziale Bindungen bei Weibchen niedrigere | |
Stresshormon-Level und eine größere Anzahl an überlebendem Nachwuch zur | |
Folge haben. In der im Fachblatt [1][Proceedings of the National Academy of | |
Sciences] (PNAS) publizierten neuen Studie wurden 45 Äffinen sechs Jahre | |
lang beobachtet, um die Rolle des „Charakters“ zu dokumentieren. | |
In die Persönlichkeitsbewertung floss Anzahl und Dauer verschiedener | |
Verhaltensweisen ein: die Berührung anderer Weibchen, aggressives | |
Verhalten, Annäherung anderer Weibchen und die Äußerung von Grunzlauten. | |
Letztere sind bei weiblichen Pavianen ein Zeichen des guten Willens. | |
Mit diesen Kriterien haben die Cheney und ihre Ko-Autoren Joan Silk und | |
Robert Seyfarth die Paviane in drei Gruppen eingeteilt: | |
„freundlich/zugänglich“, „eher distanziert“, und „einzelgängerisch�… | |
Darüber hinaus wurde bei allen Gruppen der Stresshormon-Spiegel gemessen. | |
## Eine freundliche Geste | |
„Weibliche Paviane sind verrückt nach Babys. Sie lieben es, sie anzugucken | |
und anzufassen“, so die Autorin. Junge Mütter werden also gerne angegrunzt. | |
Das Angrunzen rangniederer Weibchen ohne Nachwuchs hingegen hat | |
vordergründig keinen direkten Nutzen. Deshalb wurde ihm besondere Beachtung | |
geschenkt, denn es erfüllt nur einen Zweck: es ist eine freundliche Geste. | |
Die Weibchen aus der Gruppe „freundlich“ waren nicht nur nett zu anderen, | |
sie wurden auch am häufigsten von anderen aufgesucht, hatten also insgesamt | |
mehr soziale Kontakte und auch stabilere Beziehungen. Wenig überraschend | |
ist das bei den Einzelgängerinnen nicht so. Diese wiesen auch ein deutlich | |
höheres Stresshormon-Level auf. Ein hoher Preis, denn ein anhaltend hoher | |
Glucocorticoid-Spiegel wirkt sich negativ auf die Lebenserwartung aus. | |
Die Primatologin Sarah Hrdy von der University of California in Davis, hält | |
die Studie für sehr bedeutsam, denn die untersuchten Verhaltensweisen sind | |
für die Paviane offenbar bei der Erforschung von biologisch erfolgreicher | |
Strategie und Persönlichkeitscharakteristik bedeutsam. Sie untersteicht den | |
Zusammenhang von Nachwuchs, Langlebigkeit und sozialen Bindungen – also | |
„Freundschaft, wenn man es so nennen will“, sagt Hrdy. Da ist es wieder, | |
das typisch Menschliche. | |
7 Oct 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.pnas.org/content/early/2012/09/25/1210780109.abstract | |
## AUTOREN | |
Patrick Loewenstein | |
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