# taz.de -- Subjektiver Literaturkanon II: tazzig und lebensverändernd! | |
> Egal ob auf Papier oder als E-Book – kurz vor der Buchmesse sammelte | |
> unsere Autorin 50 politische Bücher, die uns zu besseren Menschen machen. | |
Bild: Wurde nicht als Frau geboren: Simone de Beauvoir. | |
Sunzi Die Kunst des Krieges. Ein Lieblingsbuch Guy Debords, des | |
„Geheimagenten der Subversion“. Besser als Clausewitz’ „Vom Kriege“. | |
Niccolò Machiavelli Discorsi. Machiavelli hat alle Aufständischen der Welt | |
gewarnt: Geben sie ihre Waffen ab, ist die Sache gelaufen. | |
Étienne de la Boétie Abhandlung über die freiwillige Knechtschaft. 1574 | |
stellt der Hohe Richter und Freund Michel de Montaignes die Frage: „Wie | |
kommt es zur Macht über euch, wenn nicht durch euch selbst?“ Man braucht | |
einen Tyrannen gar nicht zu bekämpfen, er stürzt von selbst, wenn man | |
nichts für ihn tut. Hat aber noch nie geklappt. | |
Baruch de Spinoza Ethik. Ludwig Feuerbach nannte ihn „den Moses der | |
modernen Freigeister“. Und Carl Schmitt beschuldigte ihn der „dreistesten | |
Beleidigung, die jemals Gott und dem Menschen zugefügt worden ist“. | |
Jean-Jacques Rousseau Diskurs über die Ungleichheit. Ich habe eine Schwäche | |
für den Begründer der Idee der Volkssouveränität und für seine extreme | |
Lebensgeschichte. | |
Marquis de Sade Die Philosophie im Boudoir (oder die lasterhaften | |
Lehrmeister). Welch ein Titel, welch ein Buch! Gegen kalte und platte | |
Moralisten. Ein Aufruf an alle Wollüstigen, die lächerlichen Gebote zu | |
zertreten, „die blödsinnige Eltern Euch auferlegen“. Das Buch mit der | |
schönen Widmung: „Mütter, macht Euren Töchtern die Lektüre zur Pflicht.“ | |
Georg Wilhelm Friedrich Hegel Phänomenologie des Geistes | |
Arthur Schopenhauer Die Welt als Wille und Vorstellung. Als ich ihn mit 17 | |
las, dachte ich an Selbstmord. Viel später las ich ihn noch einmal und | |
dachte, meine Güte, zum Glück habe ich mich damals nicht umgebracht. | |
Alexis de Tocqueville Über die Demokratie in Amerika | |
Henry David Thoreau Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat. | |
Gandhi, Martin Luther King und die Résistance bezogen sich auf diese | |
Schrift. | |
Karl Marx Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte | |
Karl Marx Das Kapital. Den ersten Band. Wenigstens. Und ein bisschen was im | |
dritten. Wenigstens. | |
Friedrich Nietzsche Zur Genealogie der Moral. Vergessen Sie den | |
Zarathustra. Das hier ist ein absolutes Muss: Endlich fragte einer nicht | |
mehr, wie der Mensch handeln soll, welche Moral er sich geben soll, sondern | |
weshalb der Mensch glaubt, wie handeln zu müssen. | |
Franz Kafka Die Zürauer Aphorismen Aphorismen mag ich nicht. Eine Ausnahme | |
sind die von Franz Kafka. Ja, Adornos „Minima Moralia“ auch. | |
Sigmund Freud Das Ich und das Es. Von allem Luxus sollte man sich den einer | |
Analyse als ersten gönnen, um die kreativste unter den ureigenen Neurosen | |
am besten pflegen zu können. | |
André Breton Erstes Manifest des Surrealismus | |
Martin Heidegger Sein und Zeit. „Das Sein des Seienden ’ist‘ nicht selbst | |
ein Seiendes.“ Ein echter Hirnschmalzverstärker. Man muss den Mann nicht | |
mögen. Aber es gibt gute Gründe dafür, dass er Existenzphilosophie, | |
Strukturalismus und Poststrukturalismus gleichermaßen beeinflusst hat. | |
Emilio Lussu Theorie des Aufstands. Irgendwann in seinem Leben sollte man | |
sich mit dem Aufstand befassen. Da die Praxis schwierig sein könnte, kann | |
man sich immerhin schon mal die Theorie von Emilio Lussu anschauen, und die | |
ist fundierter als die „Technik des Staatsstreichs“ von Malaparte. | |
George Orwell Mein Katalonien. Das schönste und unschuldigste Buch über | |
genau den Moment der Spanischen Revolution, der alle verzauberte. | |
Walter Benjamin Das Passagen-Werk. Angelehnt an sein Passagen-Werk, hat | |
Walter Benjamin in Portbou, wo er sich umgebracht hat, das schönste Denkmal | |
der Welt bekommen. | |
Sebastian Haffner Germany: Jekyll and Hyde. Über die Dialektik des | |
deutschen Widerstands, den Hitler so ausdrückte: „Alle, die gerne gegen uns | |
kämpfen möchten, dienen uns jetzt.“ Nichts war so deprimierend wie das | |
Ausbleiben eines Bürgerkriegs 1933. | |
Theodor W. Adorno/Max Horkheimer Dialektik der Aufklärung. Über das | |
Scheitern von Aufklärung und die Kulturindustrie. | |
Antonio Gramsci Gefängnishefte | |
Maurice Merleau-Ponty Phänomenologie der Wahrnehmung | |
Simone de Beauvoir Das andere Geschlecht. „Man wird nicht als Frau geboren, | |
man wird es.“ Was dieser Satz alles vorbereitet hat. | |
Hannah Arendt Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft Immer noch ein | |
Basiswerk. | |
Georges Bataille Die innere Erfahrung. Transgression, Verschwendung, | |
Rausch. Danke, Monsieur Bataille. Danke. | |
Walter Benjamin Illuminationen. Danach fahren Sie nach Marseille, um | |
Haschisch zu rauchen. | |
Roland Barthes Mythen des Alltags. Der Mythos ist eine Aussage. | |
Henri Lefebvre Kritik des Alltagslebens | |
Raul Hilberg Die Vernichtung der europäischen Juden. Die erste umfassende | |
Gesamtdarstellung, in der jeder Widerstand zu einer Petitesse schrumpft, | |
weil er den Verlauf, wenn überhaupt, nur unwesentlich beeinflusst hat. | |
Gilles Deleuze Nietzsche und die Philosophie. In diesem Buch tobt Nietzsche | |
noch mehr als in seinen eigenen Schriften. Wunderbar. | |
Theodor W. Adorno Negative Dialektik. Gegen das identifizierende Denken. | |
Sein Hauptwerk. | |
Michel Foucault Die Ordnung der Dinge. Eigentlich muss man alles von ihm | |
lesen. | |
Susan Sontag: Kunst und Antikunst. | |
Alfred Schmidt Der Begriff der Natur in der Lehre von Karl Marx. Der beste | |
Lehrer, den ich je hatte. Vor wenigen Wochen ist er gestorben. Mit diesem | |
Buch hat er die undogmatische Marx-Rezeption mit vorbereitet. | |
Louis Althusser Ideologie und ideologische Staatsapparate. Ein Polizist | |
ruft: „Hey, Sie da“, und Sie drehen sich um. Für Althusser bedeutet das: | |
„Die Existenz der Ideologie und die Anrufung der Individuen als Subjekte | |
ist ein und dasselbe. | |
Gilles Deleuze: Tausend Plateaus. | |
Primo Levi Die Untergegangenen und die Geretteten. Wenn man das System der | |
Konzentrationslager begreifen will. | |
Jean Baudrillard Amerika. Ambivalentes Amerika - schönes Dokument einer | |
Hassliebe. | |
Etienne Balibar, Immanuel Wallerstein Rasse, Klasse, Nation | |
Michel Foucault Sexualität und Wahrheit | |
Guy Debord Panegyrikus. Man muss lange getrunken haben, bis einem etwas | |
wirklich Hervorragendes einfällt, sagt Debord. Schade, dass nur wenige | |
diesen Grundsatz beherzigen. „Panegyrikus“ ist das Dokument einer Epoche | |
von einem, der alles Seiende überschreiten wollte. Ein poetisches Buch. | |
Greil Marcus Lipstick Traces. Machte aus einer Geheimgeschichte ein offenes | |
Buch. Eigentlich schade, aber eine hinreißende Erinnerung an die | |
lettristischen Außenseiter, die den Eiffelturm sprengen wollten, weil er | |
ihre Nachtruhe störte. | |
Jane Kramer Europeans. Über die Sitten der Eingeborenen und dennoch | |
Heimatlosen Europas. Wunderbar! | |
Jon Savage England’s Dreaming. Die beste Geschichte des Punk und eine | |
Sozialgeschichte Englands. | |
Ruth Klüger Weiter leben. Eine Bewältigung der Ohnmacht als Jüdin und Frau | |
mit treffenden Seitenhieben auf die Jetzt-Zeit. | |
Toni Negri, Michael Hardt Empire. Der für mich beste Versuch, die aktuelle | |
Weltordnung und die Transformationen der Arbeit im gegenwärtigen | |
Kapitalismus zu beschreiben. Außerdem ein Versuch, Veränderung ohne ein | |
historisch privilegiertes Subjekt zu denken. | |
Beatriz Preciado Kontrasexuelles Manifest. Eine Kritik herrschender | |
Sexualitätsformen. | |
Bill Bryson Eine kurze Geschichte von fast allem. | |
9 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Tania Martini | |
Tania Martini | |
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Alfred Schmidt | |
Surrealismus | |
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