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# taz.de -- Berufungsprozess im Fall Pussy Riot: Flexible Moskauer Justizwillk�…
> Das Berufungsurteil bestätigt Haftstrafen für zwei Pussy-Riot-Mitglieder,
> lässt aber eine Frau auf Bewährung frei. Sie hatte an der Protestaktion
> gar nicht teilgenommen.
Bild: Frei und scheinbar glücklich: Jekaterina Samuzewitsch.
MOSKAU taz | Schon am frühen Morgen hatte sich ein Großaufgebot von Polizei
und Ordnungskräften rund um das Gebäude in Position gebracht. Vor dem
Moskauer Stadtgericht stand das Berufungsverfahren im Casus Pussy Riot an.
Die russische Justiz bestätigte auch in zweiter Instanz das Urteil gegen
zwei Mitglieder der Punkband Pussy Riot. Die dritte Angeklagte, Jekaterina
Samuzewitsch, konnte das Gericht als freie Frau verlassen. Ihre Strafe
wurde in Bewährung umgewandelt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die 30-jährige Frau an der
Protestaktion in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale im Februar nicht
direkt beteiligt gewesen sei. Bei der Aktion im Heiligtum der
russisch-orthodoxen Kirche hatten die Feministinnen die Mutter Gottes in
einem Stoßgebet aufgefordert, ihnen bei der Vertreibung Wladimir Putins
behilflich zu sein.
Der Protest richtete sich gegen die Wiederwahl des russischen Präsidenten
im März und den Schulterschluss zwischen Kreml und orthodoxem Klerus. Im
August verurteilte ein Gericht die Performance-Künstlerinnen wegen
„Rowdytums aus religiösem Hass“ zu einer zweijährigen Haftstrafe.
Das Berufungsverfahren war Anfang Oktober vertagt worden, weil sich
Samuzewitsch überraschend von ihrer Verteidigung getrennt hatte. Als Grund
nannte sie, ihre Position sei vom Kollektiv der drei Verteidiger nicht
ausreichend berücksichtigt worden. In der Verhandlung betonte die junge
Frau, dass ihre Entscheidung keinen Bruch innerhalb der Band widerspiegele.
Dennoch war in den letzten Tagen in Moskau darüber spekuliert worden, dass
auf die älteste der Angeklagten vonseiten der Staatsmacht Druck ausgeübt
worden sei.
Juristisch machte die Linie der neuen Verteidigung Sinn. Die Angeklagte war
bei dem Auftritt vor dem Altar der Kirche nicht präsent, da sie schon
vorher festgenommen worden war. Mit solchen Details und strafmindernden
Feinheiten halten sich russische Juristen im Staatsdienst gewöhnlich nicht
auf. Dort obwaltet eher das Prinzip: Mitgehangen – mitgefangen.
## Politische Aktion
Samuzewitsch betonte wie ihre Mitangeklagten noch einmal den politischen
Charakter der Protestaktion und widersprach dem Gericht, das sich auf den
vermeintlich antireligiösen Gehalt der Aktion versteifte. Richterin Larisa
Poljakowa wirkte angespannt und nervös. Wenn die Angeklagten oder die
Verteidigung den politischen Hintergrund des Prozesses hervorhoben, fiel
ihnen die Richterin ins Wort und forderte sie auf, „zur Sache zu reden“.
Auch die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Nebenkläger wiederholten
ein ums andere Mal die Anklage wegen „religiösen Hasses“ und nannten den
politischen Hintergrund „erfunden“.
Nadeschda Tolokonnikowa (22), die als politischer Kopf der Band gilt,
nutzte den Auftritt, auf die politische Lage im Land hinzuweisen. Erst als
die Richterin ihr das Wort verbot und sie aufforderte sich hinzusetzen, gab
die Mutter eines vierjährigen Mädchens nach. Alles, was in der dritten
Amtszeit Wladimir Putins in Russland geschehe, führe zu Destabilisierung
und Bürgerkrieg, sagte Tolokonnikowa.
Dass das Gericht deutlich vom ersten Urteil abweichen würde, hatte in
Moskau niemand wirklich erwartet. Dass mit Jekaterina Samuzewitsch die
einzige Frau freikommen sollte, auf die keine kleinen Kinder in der
Freiheit warten, lässt sich als ein bewusstes Härtesignal der Hardliner um
Wladimir Putin an die Opposition verstehen. Im September hatte
Premierminister Dmitri Medwedjew noch die Hoffnung genährt, dass alle
Angeklagten auf Bewährung entlassen werden könnten: „Unproduktiv“ sei es,
die Frauen im Gefängnis einzusperren, sagte der Expräsident damals.
10 Oct 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Russland
Wladimir Putin
Pussy Riot
Pussy Riot
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