# taz.de -- Kommentar Rehabilitation von Schwulen: Ein Skandal wird besichtigt | |
> Nach 1945 wurden 50.000 Männer in Deutschland wegen Homosexualität | |
> verurteilt. Endlich sollen sie rehabilitiert werden. Ein wichtiger Punkt | |
> wurde jedoch aus dem Antrag gestrichen. | |
Wussten Sie, dass in der Bundesrepublik (ja, in der Bundesrepublik) 50.000 | |
Männer verurteilt wurden, nur weil sie schwul waren? Wussten sie, dass erst | |
1994 der berüchtigte Homo-Paragraf 175 aus dem Bürgerlichen Strafgesetzbuch | |
gestrichen wurde? | |
War Ihnen bekannt, dass 2002 zwar alle Verurteilungen von Homosexuellen, | |
die unter Naziherrschaft verurteilt wurden, aufgehoben wurden, aber alle in | |
der Bundesrepublik Verurteilten weiter als vorbestraft gelten? Bis heute? | |
Wenn Sie all das nicht gewusst haben, sind Sie nicht allein. Mit diesem | |
Teil der jüngeren deutschen Geschichte hat sich die breite Öffentlichkeit | |
bislang kaum beschäftigt. Allein deshalb war die von Berlin und Hamburg | |
eingebrachte Bundesratsinitiative, alle nach 1945 verurteilten Schwulen zu | |
rehabilitieren, überfällig. | |
Es ist gut, dass der Bundesrat, inklusive der unionsregierten Länder, ihr | |
zugestimmt hat. In der Vergangenheit hatten sich die Christdemokraten nicht | |
mit Ruhm bekleckert. Der Nazi-Richter und CDU-Ministerpräsident von | |
Baden-Württemberg, Hans Filbinger, beispielsweise stimmte einst gegen eine | |
solche Rehabilitierung. Kein Wunder, hatte er doch schon 1935 über Schwule | |
als „Schädlinge am Volksganzen“ schwadroniert, die es „unschädlich“ zu | |
machen gelte. | |
Möglich wurde die breite Unterstützung des Antrags im Bundesrat indes nur, | |
weil die explizite Kritik am Bundesverfassungsgericht, das 1957 die | |
strafrechtliche Verfolgung von Schwulen billigte, gestrichen wurde. Es gibt | |
juristische Gründe für diese Entscheidung. Gesellschaftlich ist es mehr als | |
geboten, auch und gerade das höchste bundesdeutsche Gericht harsch zu | |
kritisieren. Denn es urteilte eindeutig gegen den Geist des Grundgesetzes. | |
Und das können nur jene für nicht kritikwürdig halten, die in ihren eigenen | |
unausgeleuchteten Winkeln bis heute finden, dass Homosexualität eben doch | |
nicht normal sei. | |
12 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Ines Pohl | |
Ines Pohl | |
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Paragraf 175 | |
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Homosexualität | |
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