# taz.de -- Profifußball in Afghanistan: Die Suche nach den Edelkickern | |
> In der neuen afghanischen Profiliga spielen acht Teams. Teilweise wurden | |
> die Spieler per Zuschauerabstimmung in den Kader gewählt. | |
Bild: Fußball als Friendsstifter: Die neue Profiliga schafft ein bisschen Norm… | |
KABUL taz | Tufan Harirud und Simurgh Alburs heißen die Teams, die heute in | |
Kabul den ersten Titel in der ganz frischen afghanischen Fußball-Profiliga | |
ausspielen. Aus Sicherheitsgründen trugen sie und sechs weitere | |
Mannschaften ihr Championat seit Mitte September ausschließlich in der | |
afghanischen Hauptstadt aus. Dort wurde extra ein neues Spielfeld mit | |
Kunstrasen und 3.500 Sitzplätzen angelegt, die immer ausverkauft sind. | |
Das benachbarte größere Stadion ist unkontrollierbar: Als dort Anfang 2002 | |
das erste Nach-Taliban-Match stattfand, kam es fast zu einem Sturm, weil | |
viele mit Karten wegen Überfüllung nicht hereingelassen wurden. Heute | |
laufen die Spiele live im afghanischen Privatfernsehen. | |
Nicht nur dass in Afghanistan organisiert und sogar bezahlt gekickt wird, | |
dürfte angesichts der dominanten Kriegsberichterstattung viele überraschen. | |
Auch die Art und Weise, wie die Roshan Premier League – so der offizielle | |
Name – überhaupt zustande kam, war eigentümlich. | |
Die Teams wurden nämlich teilweise über eine Gameshow namens „Maidan e | |
Sabs“ (Grünes Spielfeld) gecastet. Die lief auf dem populärsten | |
Fernsehsender des Landes, Tolo-TV, neben der namensgebenden Telekomfirma | |
Roshan ein Hauptsponsor der Liga. Vorbild war „Afghan Star“, eine lokale | |
Variante von „Deutschland sucht den Superstar“. Junge Afghanen lieben | |
Popmusik. | |
## Spielerakquise per SMS-Abstimmung | |
Und Fußball, auch wenn Kricket – gefördert durch Rückkehrer aus Pakistan | |
und jüngste internationale Erfolge (man ist unter den Top 12) – inzwischen | |
wohl Sportart Nummer 1 ist. Also stellten führende afghanische Trainer | |
Rumpfteams für die sieben Regionen des Landes plus Hauptstadt Kabul aus 15 | |
Spielern auf, denen die Tolo-Zuschauer per SMS-Abstimmung jeweils drei | |
weitere Kandidaten hinzufügen konnten. | |
Bis zu 4.000 Leute meldeten sich – pro Team! – und mussten Übungen wie | |
Schlammrennen mit Gewichten an den Füßen absolvieren. Tufan (Sturm) ist | |
eine Auswahl der Westprovinzen des Landes, am Fluss Harirud gelegen. Ihre | |
Gegner kommen aus dem Landesnorden: Simurgh ist ein sagenhafter Vogel, eine | |
Art Phönix, und die Alburs-Berge liegen südlich der Stadt Masar-i-Scharif, | |
auch vom dortigen Bundeswehrcamp aus sichtbar. | |
Fußball wird in Afghanistan organisiert seit 1933 gespielt, aber nach dem | |
sowjetischen Einmarsch 1978 verschwand man von der internationalen Szene. | |
Die gesamte Nationalmannschaft türmte in den Westen, die meisten in die | |
Bundesrepublik. 20 von ihnen kehrten erst 2003 zu einem Benefizspiel in ihr | |
Land zurück. Selbst unter den Taliban wurde gekickt, trotz Verbot und meist | |
in Straßen- und Wohngebietsmannschaften, gesponsert von lokalen | |
Geschäftsleuten. | |
## Ein Stück Normalität | |
Nach dem Sturz der Taliban begann der langsame Wiederaufbau, auch mit | |
deutschen Trainern, wie dem früheren „Sportschau“-Moderator Holger | |
Obermann. Inzwischen ist Afghanistan Vizemeister in Südasien und hat sich | |
auf der Fifa-Weltrangliste von ganz hinten auf Platz 165 (von 204) | |
hochgearbeitet. Auf dem Korruptionsindex ist das Land immer noch | |
Vorletzter. Seit kurzem spielt auch eine Frauennationalmannschaft, die | |
gerade ihren ersten Sieg gelandet hat – gegen den Erzrivalen Pakistan. | |
Aber eine landesweite Liga gab es nie. Das hat Roshan in Zusammenarbeit mit | |
dem afghanischen Verband nun geschafft; die Fifa und die asiatische | |
Fußballföderation haben sie offiziell anerkannt. Damit ist für den Meister | |
auch der Weg in die asiatische Champions League frei. Nur für die nächste | |
WM kam die Liga zu spät: Schon im Vorjahr wurde Afghanistan von einem | |
anderen Krisenstaat rausgeworfen: von Palästina. Vor allem aber eines | |
zählt: Fußball ist wenigstens ein Stück Normalität für die geplagten | |
Afghanen. | |
19 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
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