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# taz.de -- Rededuell Merkel und Steinbrück: Sie ignoriert, er attackiert
> Umarmungsstrategie und kühle Angriffe: Das erste Rededuell zwischen der
> Kanzlerin und dem SPD-Kandidaten entscheidet Peer Steinbrück für sich.
Bild: Ignoranz gegen Attacke: Angela Merkel und Peer Steinbrück im Bundestag.
BERLIN taz | Der Abgeordnete Peer Steinbrück mahlt mit dem Unterkiefer.
Schiebt das Kinn vor. Rutscht mit seinem Stuhl vor und zurück. Wann hören
die denn endlich auf? Während Steinbrück damit kämpft, seine Ungeduld zu
verbergen, applaudieren die Koalitionsabgeordneten der Kanzlerin.
Minutenlang. Angela Merkel lächelt und nickt.
Gerade hat sie ihre Regierungserklärung im Bundestag beendet, jetzt darf
Steinbrück reden. Für ihn werden es entscheidende Minuten: Der
Kanzlerkandidat gegen die Kanzlerin, das erste Rededuell.
Der Herausforderer muss Merkel am Donnerstag ausgerechnet in der
Europapolitik stellen. Hier nutzt der Kanzlerin ihr Amtsbonus so stark wie
nirgends sonst, hier haben viele Menschen das Bild der fürsorglichen
Krisenmanagerin im Kopf, die Europa im Großen und Ganzen gut führt. Es ist
ein starkes Image, gegen das Steinbrück anreden muss.
## Merkels doppeltes Spiel
Der wortgewaltiger Hamburger, der unter Merkel in der großen Koalition
Finanzminister war, wählt eine große Klammer: Europa als
Zivilisationsprojekt, nicht als rein ökonomisch begründeten Zweckverband.
„Europa ist weit mehr als der Wechselbalg der Ratingagenturen“, sagt
Steinbrück, als er endlich vorne steht.
Schwarz-Gelb, so seine Botschaft, hat mit dem Fokus auf eine rigide
Sparpolitik viel Schaden angerichtet. Deutschland müsse in Europa
investieren, so wie es in die Vereinigung investiert habe, analysiert
Steinbrück mit Blick auf mögliche weitere Hilfen für Griechenland. „Das den
Bürgern zu sagen, ist Ihre Pflicht, Frau Bundeskanzlerin!“
Er spitzt zu, bleibt im Tonfall aber moderat. Mehrmals spricht er „die Frau
Bundeskanzlerin“ persönlich an, schaut aber nur selten hinter sich. Er
tritt nicht als bissiger Oppositionsführer auf, er gibt den kühlen
Staatsmann. Wahrscheinlich ist dies bei Europa die klügere Strategie.
## Boshafte Zitate
Die Erzählung, Merkel spiele ein doppeltes Spiel, zieht sich durch
Steinbrücks Rede. Boshaft zitiert er Finanzminister Wolfgang Schäuble, der
am Sonntag in holperigem Englisch in Singapur verkündete: „There will be no
Staatsbankrott in Greece.“
Der Sozialdemokrat leitet daraus einen Angriff auf Merkels zögerliche
Rettungsstrategie ab. Solche Sätze habe die Regierung früher sagen müssen.
Und: „Es war ein schwerer Fehler, dass Sie zugelassen haben, dass Vertreter
der Koalition über Monate ein Mobbing gegen Griechenland betrieben haben.“
Im Sommer hatten Koalitionspolitiker Griechenland mehrfach offen brüskiert.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte prophezeit, dass die Griechen
2013 nicht mehr zur Eurozone gehören werde. Ein Helmut Kohl, folgert
Steinbrück, hätte niemals zugelassen, „dass ein europäischer Nachbar derart
für innenpolitische Zwecke missbraucht wird“.
Angela Merkel hört aufmerksam zu, die Hände im Schoß gefaltet. Sie gönnt
Steinbrück meist keinen Blick. Merkel weiß um ihr Dilemma, welches
Steinbrück am Rednerpult analysiert: Teile ihrer Koalition beargwöhnen ihre
Krisenpolitik, weigern sich, weitere Milliarden nach Brüssel zu schieben.
„Sie surfen auf der Woge der Euroskeptiker, würden aber niemals eintauchen
– weil das Ihre Reputation beschädigen würde.“ Steinbrücks Fraktion, auch
dies ein Ritual eines Duells, applaudiert ihrem Kandidaten fast bei jedem
Satz.
## Hilfefonds aus der Wundertüte
Während Steinbrück sich an Merkel abarbeitet, tut die Kanzlerin das
Naheliegende. Sie ignoriert ihren Herausforderer. Überraschend schlägt sie
einen Hilfsfonds vor, mit dem verschuldete Staaten ihre Wirtschaft
anschieben sollen. Auch Merkel versucht, ihrer Rede einen Überbau zu geben,
lobt einmal mehr die Entscheidung des Friedensnobelpreis-Komitees als
„wunderbar“, betont: „Der Euro ist weit mehr als eine Währung.“ Nur kl…
bei ihr Pathos immer ein wenig hölzern.
Dafür erklärt die Kanzlerin detaillierter, welche Schritte sie zur
Bewältigung der Krise für nötig hält. Sie wirbt für Schäubles Vorschlag
eines Währungskommissars, warnt vor hastigen Schritten bei der
Bankenaufsicht, kündigt umfassende Entscheidungen für Dezember an.
Obwohl sie seinen Namen nicht nennt, weist sie Steinbrück indirekt doch in
die Schranken. Wenn sie von Treffen mit Regierungschefs berichtet, liegt
darunter die Folie: Ich handle, er redet. Ihre böseste Spitze schießt die
Kanzlerin als Dankeschön ab. Merkel stellt fest, dass man ja gemeinsam mit
der Opposition neben dem Fiskalpakt auch einen Wachstumspakt für Europa
beschlossen habe. Dafür, so Merkel, wolle sie sich einfach mal bedanken.
Steinbrücks Gesicht versteinert. Der Wachstumspakt, das war der größte
Erfolg von SPD und Grünen. Bis vor wenigen Sekunden.
18 Oct 2012
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
Steinbrück
Bundestag
Wahlkampf
SPD
CDU
Peer Steinbrück
Euro
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ankratzen. Das ändert nichts daran, dass er das sozialdemokratische Dilemma
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