# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Eine Splitterpartei namens CDU | |
> Veraltetes Lebensgefühl, Herr Jung? Anruf beim baden-württembergischen | |
> CDU-Bundestagsabgeordneten. | |
Aso, der Andi isch ein total okayer Typ. Sagen viele. Gute Manieren, gut | |
aussehend, und im Grunde hat der Andi auch ganz normale Ansichten. Der war | |
schon gegen Atomkraft, als das Wort Fukushima noch keiner kannte. Das | |
Problem ist nur, dass er in führender Position in der CDU Baden-Württemberg | |
tätig ist, einer Partei, die in den großen Städten des Bundeslandes als | |
komplett abgehängt gilt. Spätestens, nachdem ihr die Grünen nach dem | |
Ministerpräsidentenamt letzten Sonntag auch das Amt des Oberbürgermeisters | |
der Landeshauptstadt Stuttgart abgenommen haben. | |
Die CDU treffe einfach nicht mehr das „Lebensgefühl“ der Großstädter, he… | |
es allenthalben. Diverse Lebensgefühl-Kommissionen der Partei konnten | |
bisher keine Abhilfe schaffen. | |
Anruf bei Andreas Jung, 37; Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises | |
Konstanz. Herr Jung, wie halten Sie das aus mit so einem rettungslos | |
veralteten Lebensgefühl? Insinuation: Doch wohl sicher schlecht. Vermutlich | |
tut es auch körperlich weh. „Die Frage darf ich an jemand anders | |
weitergeben“, sagt Jung fröhlich. „Ich glaube nicht, dass ich ein | |
veraltetes Lebensgefühl habe.“ Ähem, als Vorsitzender der CDU Südbaden? | |
„Wenn Sie auf das Klischee vom tumben Hinterwäldler anspielen“, sagt Jung, | |
„das ist schon lange nicht mehr so.“ | |
Hm, ich bin selbst vom Land und kenne da noch ein paar Leute. Nein, sagt | |
Jung, auch da gebe es Alleinerziehende und im Grunde stellten sich dort | |
dieselben Fragen wie in der Stadt auch. Fragen, die die CDU hartnäckig | |
nicht beantwortet? „Wir haben die Möglichkeit, uns diesen Fragen zu stellen | |
oder zurückzuweichen und zu verschwinden“, sagt Jung. | |
## „Wir können auch in Großstädten Wahlen gewinnen“ | |
Dann aber schnell: In den innerstädtischen Bezirken von Stuttgart war die | |
CDU angesichts einer Zweidrittelmehrheit von Kuhn doch nur noch | |
Splitterpartei? Naja, sagt Jung, „ein sehr großer Splitter“, aber | |
tendenziell nicht falsch. Er lässt sich dann aber leider nicht auf die | |
Loser-Rolle ein, sondern kontert mit einem knackigen „Wir können auch in | |
Großstädten Wahlen gewinnen“. | |
Das stimmt sogar, wenn man Konstanz jetzt mal als Großstadt sieht. Konstanz | |
wurde 16 Jahre grün regiert, und nun hat das CDU-Mitglied Uli Burchardt die | |
grüne Kandidatin im Wahlkampf marginalisiert. Und Beobachter vor Ort | |
behaupten, die großen Linien dafür seien von Jung gekommen. Er selbst | |
bestreitet das. | |
Grundsätzlich ist es für ihn so: „Ich rate uns, nicht die Debatten von | |
gestern zu führen.“ Vor allem in der Familienpolitik und auch in der | |
Energiepolitik. Und vor allem bloß kein Lagerwahlkampf. Den Begriff | |
„bürgerliches Lager“ lehnt er als „überholt“ ab. „Die Wähler sind … | |
ideologisch festgefahren und sitzen nicht in Lagern.“ Die Strategie müsse | |
es sein, Wähler über das klassische CDU-Milieu hinaus anzusprechen. Vor | |
allem müsse die Person stimmig sein. | |
Er sagt es nicht, aber das sind genau die Punkte, die in Stuttgart gar | |
nicht funktionierten. Und bei seinem Mann prächtig, der den Wunsch des | |
Konstanzer Ökobürgertums nach Straßenausbau und modernem | |
Nachhaltigkeitsfaktor stimmig zusammenbrachte. Petra Roth, die Elder | |
Stateswoman der Partei, hat grade der FAZ gesagt, es gäbe auch jenseits der | |
Bundesebene und Merkel sehr wohl CDU-Politiker, die die Moderne verkörpern | |
könnten. Wie sie es tat. Die müssten sich halt durchsetzen. Woraus für | |
Baden-Württemberg folgt: Die müssen Andi Macht. Sonst heißt es: Gute Nacht. | |
27 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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