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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Mit ganzem Gewicht
> Sind Sie dick und ist das auch gut so, Herr Altmaier? Eine Beobachtung
> unseres Bundesumweltministers.
Bild: Redet gern von seiner „kräftigen Konstitution“: Peter Altmaier.
Der Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) ist ziemlich dick. Das kann
man bei allem Respekt vor Mensch und Amt thematisieren, denn Altmaier
thematisiert es ja selbst permanent. Redet von seiner „kräftigen
Konstitution“ oder „vollschlanken Figur“ und sitzt grinsend in
Fernsehtalkshows zum Thema „Dick macht glücklich!“. In einer anderen
Talkshow sollte er seinen Bauch herzeigen, was er garniert mit dem Wort
„Vorsicht!“ gerne tat.
Auch als er unlängst bei der taz-Genossenschaft zu Gast war, machte er
mehrfach Verweise auf seinen Körperumfang. Irgendwann sagte er, er werde
sich am „15. Oktober vor das Erneuerbare-Energien-Gesetz stellen, und zwar
so massiv, dass links und rechts wenig Platz bleibt“. Großes Gelächter.
Das kam selbstredend doppelt gut an, erstens wegen des inhaltlichen
Versprechens, zweitens wegen der Selbstironie. Während Altmaiers Inner
Circle offenbar etwas abgenervt ist von seinen ständigen Anspielungen,
macht er damit richtig Punkte bei Leuten, die ihn zum ersten Mal live
erleben. Da stellt sich die Frage: Sind Sie dick, und das ist auch gut so,
Herr Altmaier?
Ich hatte mich eigens in die erste Reihe gesetzt und muss sagen: Es sieht
schon interessant aus, wenn Altmaier auf einem Stuhl vor einem sitzt, die
Hände vor dem Bauch, die kurzen Beine in der Luft baumelnd und zwischen
Hosenende und schwarzen Socken trutzig auch noch seine Beinbehaarung
vorzeigend.
## Fressen wird kritisch gesehen
Es ist ja nun so, dass neben Rauchen, Neoliberalismus, Saufen und
Ökoengagement auch das Fressen mittlerweile von Teilen der Gesellschaft
sehr kritisch gesehen wird und Übergewicht dort als asozial,
Charakterschwäche, Unterschichtenversagen oder Abnormität diskreditiert und
einem zu tadelnden Lebensstil zugeschrieben wird, ungeachtet einer
genetischen Veranlagung. Gerade stand in der Zeitung, dass Dicke heutzutage
keine Managerjobs mehr kriegen. Wer keinen Marathon laufen kann, wird
weggejagt. Außerdem wurde der dicke Junge schon in der Schule gehänselt.
Altmaiers Trick ist es, der menschlichen Grausamkeit zuvorzukommen. Ein
klassischer Trick, aber man muss ihn beherrschen. Er beherrscht ihn
perfekt. Wird er mit der alten Geschichte konfrontiert, dass er ja in
seiner Wohnung so gern für andere koche, sagt er, er komme als Minister
nicht mehr zum Kochen: „Ich komme gerade noch zum Essen.“
Bei der Veranstaltung der taz-Genossen war der Körper von Altmaier
irgendwann so dominant, dass eine Mitdiskutantin rief, er solle in Sachen
Ökostrom „sein ganzes Gewicht einsetzen“. Und als Altmaier sich dann bei
ihr einlud, entfuhr der Moderatorin ein spontanes: „Halten Sie Essen
bereit.“ Alles Dinge, die man einem Dicken nie direkt sagen würde,
jedenfalls nicht unter bildungsbürgerlichen Erwachsenen. Jedes Mal wurde
gelacht, aber das Lachen richtete sich nicht gegen Altmaier. Es hüllte ihn
ein und stärkte ihn.
So hat er aus seiner Fettsucht eine positive Eigenschaft gemacht, und
analog hat er es bei der Übernahme der größten Aufgabe gemacht, die dieses
Land derzeit zu vergeben hat: der Energiewende. Fehlende Fachkenntnis? Umso
besser.
Jedenfalls kam er auch bei den taz-Genossen richtig gut an. Weil, irgendwie
ist der doch ganz in Ordnung. Grade in seiner Unperfektheit. Eben weil er
einem die Wadenhärchen hinstreckt.
Denn so was hätte der Röttgen doch nie gemacht, der alte Karrierist.
12 Oct 2012
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
FDP
Grüne
CDU
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