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# taz.de -- Film und Hörspiel über Erwin Rommel: „Es geht nicht ums Vermens…
> Niki Stein und Leonard Koppelmann haben das Lebensende des
> Nazi-Generalfeldmarschalls Erwin Rommel als Film und Hörspiel inszeniert.
Bild: Ulrich Tukur als Erwin Rommel bei den Dreharbeiten
sonntaz: Herr Stein, Sie haben zwei Jahre für den SWR an der Verfilmung der
Rommel-Biografie gearbeitet. Die beschäftigt sich ausschließlich mit
Rommels letzten sieben Lebensmonaten. Warum dieser kurze Zeitrahmen?
Niki Stein: Als Dramatiker sind wir berufen, die Figur da abzuholen, wo sie
sich verändert. Zu Beginn begegnen wir Rommel als willigem Verehrer und
Gefolgsmann Hitlers, der zum Feldherrenschwur (Loyalitätsbekundung
führender Militärs Anfang 1944, Anm. d. Red.) fährt und verspricht, die
Westfront zu halten. Am Ende sehen wir ihn als einen Mann, der von Hitler
zum Selbstmord gezwungen wird. Das ist eine dramatische Veränderung, wie es
sie wohl selten in der Geschichte gegeben hat.
Ulrich Tukur spielt die Hauptrolle. Auch weil ihm das konkrete historische
Sujet zu liegen scheint, wenn man an dessen Darstellungen von Dietrich
Bonhoeffer oder John Rabe denkt?
Stein: Tukur holt Rommel zum einen in der schwäbischen Provinz ab, in der
er verwurzelt war, zum anderen verleiht er ihm einen gewissen Schalk. Zuvor
hat Tukur meist durchstrukturierte Gutmenschen gespielt. Sowohl Bonhoeffer
als auch John Rabe fehlt letztlich die Katharsis. Für Rommel dagegen ist es
ganz wichtig, dass er am Anfang gläubig bei Hitler ist und ihn dann
letztlich der kritische Zweifel fast zerreißt. Ich wüsste keinen anderen,
der das besser könnte als Ulrich Tukur.
Herr Koppelmann, das gleichnamige Hörspiel basiert auf dem Filmmaterial.
Sie haben mit den Darstellern noch zusätzliche Szenen eingesprochen. Wie
haben Sie aus dramaturgischer Sicht diese Voraussetzungen empfunden?
Leonard Koppelmann: Mit Tukur ist ein idealer Rommel gegeben. Das Ensemble
des Films ist ohnehin fast in Gänze ein klassisches Hörspielensemble. Es
war für uns von Vorteil, dass die SchauspielerInnen bereits tief in der
Materie steckten.
Wie kam es zu dieser crossmedialen Verflechtung?
Stein: Ursprünglich habe ich den Film als Zweiteiler konzipiert im Hinblick
auf den immensen Faktenreichtum um das relativ unbekannte Geschehen des 20.
Juli 1944 (Tag des fehlgeschlagenen Hitler-Attentats, Anm. d. Red.) in
Frankreich. Manfred Hess, der Chefdramaturg beim SWR-Hörspiel, hatte die
Idee, meine Materialfülle für eine Audioadaption zu verwenden. Das
zweiteilige, dreistündige Hörspiel ergänzt den Film kongenial mit
zusätzlicher Quellenarbeit.
Das Hörspiel ist also nur Beiwerk?
Stein: Nein. Hörspiele werden generell immer filmischer. Der Spielfilm wird
noch intensiver belegt und ergänzt, am Beispiel von verwendeten
Erlebnisberichten deutscher Soldaten wird dies deutlich. So entsteht eine
große Eindrücklichkeit. Ich muss fairerweise sagen, dass ich die
verwendeten Tondokumente fast impressiver finde als das „wirkliche Erleben“
im Film. Zudem befanden wir uns nie in einer Deutungskonkurrenz. Für uns
beide war das Faszinierende an Rommel seine Widersprüchlichkeit.
Koppelmann: Wir wollten Rommel weder in die eine noch in die andere
Richtung ausdeuten. Ich habe frühe Drehbuchversionen gelesen, die ich dann
mitverarbeitet und im Hinblick auf meine zweiteilige Fassung berücksichtigt
habe. Es handelt sich nicht um eine einfache Zweitverwertung. Wenn wir mit
den unterschiedlichen Dramaturgien bei Film und Hörspiel operieren, öffnen
wir damit jeweils andere Reflexionsräume. Man kann komplexer erzählen und
so ein Thema dauerhaft durchdenken, anstatt Kurzschlussergebnisse zu
produzieren. Bei einem so hoch diskursiven geschichtlichen Stoff ist eine
solche Annäherung sehr wichtig – und richtig.
Stein: Ich habe zuletzt oft gehört, man dürfe nicht einen führenden Militär
des NS-Regimes zu einem Helden einer filmischen Erzählung machen. Das lehne
ich als Dramatiker ab, weil ich sage, man darf nicht nur die Geschichte der
Guten, sondern muss auch gerade die der Bösen oder Ambivalenten erzählen.
Diesen „Tabubruch“ habe ich beim Hörspiel noch intensiver empfunden, weil
es innere Monologe noch stärker einbindet als der Film.
Herr Stein, über Ihr Drehbuch ist bereits im vergangenen Herbst öffentlich
heftig diskutiert worden. Warum?
Stein: Ein der Familie Rommel sehr verbundener Autor und Dokumentarfilmer,
Maurice Philip Remy, war angetreten, die Widerstandslegende um Rommel
wiederherzustellen – die war durch die Ende der 70er erschienene Biografie
vom Holocaust-Leugner David Irving vom Sockel gehoben worden. Remy wollte
beweisen, dass Rommel sehr viel mehr von den Plänen der Gruppe um
Stauffenberg wusste als bis dato bekannt. Als das nicht funktionierte und
unser Drehbuch von einer Historikerin, die Remy und die Familie Rommel
beraten hat, an vielen Stellen kritisiert wurde, war das Tuch zerschnitten.
Erst hieß es, ich würde Widerstandskenntnisse von Rommel verschweigen, dann
kam der Vorwurf, ich würde mich massiv auf Irving stützen und sei nun
folgerichtig ein Neonazi. Tatsächlich ist die Situation so, dass sich die
Familie bis heute den Film nicht angeschaut hat.
Rommel wird nicht in ein Täterprofil gepresst, sondern als Familienvater
gezeigt, als jovialer Truppenführer, aber auch als Karrierist, extreme
Propagandafigur und glühender Gefolgsmann Hitlers. Wird nicht genau dieser
Konflikt auf der Basis des Films im Hörspiel zugespitzt?
Koppelmann: Wir stehen jetzt am Beginn einer Phase, in der man sich einer
bisher vom Täter-Opfer-Schema dominierten Historie anders nähert. Die
menschliche und soziale Komplexität hinter den Geschichtsprozessen rückt in
den Fokus und erlaubt uns einen neuen Zugang, ohne – dies ist ganz
elementar – eine Entschuldigung daraus zu ziehen. Es geht nicht um das
Vermenschlichen von Rommel, der verliebt war in die Führergestalt, sondern
um die Vielschichtigkeit seiner Person dahinter. Damit kommen wir
vielleicht auch der Frage näher, wie es zu der nationalsozialistischen
Katastrophe kommen konnte.
Stein: Diese Verführbarkeit des normalen Deutschen ist genau das, was
wehtut. Es geht letztlich um unsere Väter, Mütter und unsere Großeltern. In
den letzten vierzig Jahren sind zu Recht die meisten Filme über die NS-Zeit
aus der Opferperspektive heraus entstanden. Auch, weil wir Angst hatten,
uns der Täterperspektive zu stellen. Rommels Sohn Manfred hat zwei Bücher
über seinen Vater geschrieben. Er nennt ihn dort fortwährend Erwin Rommel
oder Rommel. Scheinbar stecken wir immer noch in diesen Gedankenprozessen,
was mich sehr überrascht hat.
Im Hörspiel beschreibt Rommels Stabschef Speidel (Benjamin Sadler) das
Wesen des Wehrmachtssoldaten als Trias. Es gäbe jene, die linientreu dem
blinden Gehorsam anheimfallen, jene, die auf eine Parteikarriere schielen,
und jene, die distanziert kritisch denken. Welche Eigenschaften trägt
Rommel gerade nach Ihrer intensiven Arbeit mit und an dessen Figur denn in
sich?
Stein: Er trägt alle Eigenschaften in sich. Rommel ist ein vom Ehrgeiz
zerfressener Karrierist, ein begeisterter Soldat, der keine Scheu hat,
Hunderttausende in sinnlose Schlachten zu führen, und ein denkender
Offizier, der viel zu spät merkt: Ich diene dem Teufel. Das ist genau die
Schwere der Figur. Das Unerträgliche ist, dass all diese Charakteraspekte
nebeneinander herlaufen und funktionieren.
Koppelmann: Ich habe kein eindeutiges Bild von Rommel gewonnen. Vieles
verschwimmt ineinander und viele Wesensteile stehen auch unversöhnlich
nebeneinander. Viel wichtiger ist mir aber, was die Beschäftigung des
Stoffes mit mir gemacht hat. Ich komme aus einem Geschichtslernprozess,
indem die Zuordnungen immer eindeutig waren. Es gab demnach nur die Guten
und die Schlechten und gar nichts dazwischen.
Keine Grauzonen?
Koppelmann: Richtig, Grauzonen blieben ausgeblendet. Aber genau hier liegt
die Realität von gelebter Geschichte. Unser Rommel fordert auf, sich von
Pauschalurteilen – egal ob schwarz oder weiß – zu lösen und sich ganz
konkret mit dem Einzelnen und seinen Widersprüchen zu beschäftigen. Es geht
darum, Zweifel an den Generalantworten zu säen.
„Rommel – der Fernsehfilm“: Do., 1. 11., ARD, 20.15 Uhr; mit Ulrich Tukur,
Benjamin Sadler, Aglaia Szyszkowitz; anschließend „Rommel – Die
Dokumentation“ (22.15 Uhr)
„Rommel – Das Hörspiel“: Teil 1, So., 4. 11., SWR 2, 18.20 Uhr; Teil 2,
Do., 8. 11., SWR 2, 22.03 Uhr
27 Oct 2012
## AUTOREN
Jan Scheper
Jan Scheper
## TAGS
Nazis
Adolf Hitler
Albert Camus
ARD
Dokumentation
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