# taz.de -- SPD: Rentenrevolte mit links | |
> Auf dem Landesparteitag formuliert die Berliner SPD die Kampfansage an | |
> die Bundespartei. Ohne eine Absicherung der Rente drohe Altersarmut, so | |
> Landeschef Stöß. | |
Bild: Fraktionsschef Raed Saleh (links) und Landeschef Jan Stöß. | |
Beinahe hätte sie ihn vergessen. Als die Bundestagsabgeordnete Eva Högl den | |
Landesparteitag der SPD mit der üblichen Promibegrüßung eröffnete, hatte | |
sie einen nicht auf dem Schirm: Berlins Regierenden Bürgermeister. Erst als | |
sie vom Präsidium auf dessen Anwesenheit hingewiesen wurde, bügelte sie den | |
Lapsus aus. Vielleicht war Klaus Wowereit einfach nicht die Zielgruppe an | |
diesem Samstag im Berliner Congress Centrum am Alex: Mit einem eigenen | |
Rentenkonzept will die Landes-SPD einen Beitrag gegen drohende Altersarmut | |
leisten. | |
Es kommt nicht oft vor, dass sich die Berliner Genossen in eine Debatte der | |
Bundespartei einmischen. Nun aber tun sie es – und das gleich als | |
Kampfansage an Sigmar Gabriel. Will der Bundesvorsitzende mit seinem | |
Rentenkonzept an einer Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent bis 2030 | |
festhalten, bestehen die Berliner Genossen auf einer Rente von 50 Prozent | |
des letzten Nettoeinkommens. „Die Höhe der Rente ist auch eine Frage der | |
Würde“, betonte Berlins Landesvorsitzender Jan Stöß in einer kämpferischen | |
Rede vor den mehr als 200 Delegierten. | |
Stöß, der der Berliner SPD gemeinsam mit dem neuen Fraktionsvorsitzenden | |
Raed Saleh ein linkes Profil verpassen will, verwies auch auf die drohende | |
Altersarmut in der Stadt. 33.000 Berliner hätten im vergangenen Jahr | |
zusätzlich zu ihrer Rente Grundsicherung beantragen müssen, 5 Prozent mehr | |
als im Jahr zuvor. „Wer sein Leben lang gearbeitet hat, soll im Alter keine | |
Angst vor Armut haben müssen“, sagte Stöß. | |
Der Sozialpolitiker Ottmar Schreiner ergänzte: Wenn die Renten heute schon | |
auf dem Niveau von 43 Prozent angelangt wären, dann würde man mit einem | |
Bruttoverdienst von 2130 Euro auch nach 45 Versicherungsjahren nicht über | |
der Grundsicherung von 680 Euro liegen. „Das kann kein Sozialdemokrat | |
wollen“, so Schreiner. | |
Ihr Rentenkonzept will die Berliner SPD über eine Demografierücklage | |
finanzieren. Anders als von Schwarz-Gelb soeben beschlossen, sollen die | |
Rentenbeiträge nicht gesenkt werden, sondern von 2014 an jährlich um 0,2 | |
Prozentpunkte bis auf 22 Prozent steigen. „Das kostet einen | |
Durchschnittsberliner 2,60 Euro im Jahr“, versicherte Stöß. „So viel kost… | |
in Mitte ein Kaffee.“ | |
Wie distanziert das Verhältnis der Berliner Genossen zur Bundespartei | |
inzwischen ist, wurde an Klaus Wowereit deutlich. Nicht nur bei der | |
Begrüßung wurde er übergangen, sondern auch bei der Kür des | |
SPD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013. Auf dem Parteitag hielt | |
sich auch Gastredner Olaf Scholz, SPD-Herrscher in Hamburg, mit | |
Solidaritätsgrüßen zurück. Die Rente erwähnte er in seiner Rede mit keinem | |
Wort. | |
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einzuladen hatte die Berliner SPD gar nicht | |
erst versucht. Vielmehr richtete Jan Stöß eine Botschaft ins | |
Willy-Brandt-Haus: „Es ist richtig: Programm und Kandidat müssen | |
zusammenpassen. Aber das Programm muss auch zur Partei passen.“ | |
Wie isoliert die Berliner Genossen sind, zeigte die SPD in | |
Nordrhein-Westfalen. Sie beschloss am Samstag, am Rentensystem | |
festzuhalten. Unterstützung gab es dagegen vom ZDF: Am Abend ermittelte | |
TV-Kommissarin Bella Block in Berlin – und erschrak ob der Altersarmut. | |
„Wenn das so weitergeht“, hieß es im Krimi, „werden sich die Alten was | |
einfallen lassen, in den Knast zu kommen. Da gibt es wenigstens was zu | |
essen.“ | |
28 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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