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# taz.de -- Outdoorkleidung mit Zusätzen: Hormongift-Cocktail für Naturfreaks
> Greenpeace hat Kleidung von Outdoor-Firmen wie Jack Wolfskin oder Vaude
> untersucht – und fand giftige Chemikalien.
Bild: Das unverwechselbare Logo des Outdoorspezialisten Jack Wolfskin.
BERLIN taz | Ihr Geschäft lebt von der Sehnsucht nach unberührter Natur,
auf ihren Plakaten wandern Models unter blauem Himmel über grüne Berge.
Grün sind aber nur die Plakate von Outdoorherstellern wie Jack Wolfskin,
The North Face oder Vaude. Denn um ihre Kleidung wind- und wetterfest zu
machen, behandeln sie diese mit gefährlichen Chemikalien. Das zeigt der
neue Kleidertest von Greenpeace, der am Montag offiziell vorgestellt wird.
14 Kleidungsstücke hat die Umweltorganisation in Deutschland, der Schweiz
und Österreich von 13 Herstellern gekauft und in zwei Laboren auf
verschiedene Substanzen testen lassen. Ergebnis: Fast alle Stoffe waren
belastet. So fanden sich etwa in den Jacken von Jack Wolfskin, North Face,
Patagonia und Kaikkialla laut Greenpeace „auffällige“ Werte von per- und
polyfluorierten Chemikalien wie Perfluoroktansäure (PFOA) und Fluortelomere
(FTOH).
Fluoratome ersetzen hier bestimmte Wasserstoffatome. Damit behandelte
Textilien sind hochgradig wasserfest. Bekannteste Handelsmarken für solche
Membranen sind Gore-Tex und Teflon. Eine direkte Gefahr für den Träger
solcher Kleidung besteht in den gefunden Mengen nicht. Die Substanzen
können sich aber beim Waschen aus der Imprägnierung der Jacken oder Hosen
lösen und dadurch in Gewässer, das Trinkwasser und in die Nahrungskette
gelangen. „Das ist ein gravierendes Umweltproblem“, sagt der
Chemikalienexperte des Umweltbundesamtes (UBA), Christoph Schulte. Das UBA
will im Frühjahr eine Studie zur Belastung von Outdoorkleidung fertig
haben.
## Gifte in der Muttermilch
„Die Stoffe sind deshalb so problematisch, weil sie so langlebig sind und
sich in der Umwelt und im Körper anreichern können“, so Schulte. Sie ließen
sich in Deutschland im Blut und in der Muttermilch nachweisen; sie können
den Hormonhaushalt beeinflussen und gelten als fortpflanzungsgefährdend.
Das UBA schlägt sie im Rahmen der europäischen Chemikalienverordnung als
besonders besorgniserregende Stoffe vor. Langfristig würden sie dann
verboten.
Die Unternehmen, die in ihren Selbstdarstellungen Wert auf Nachhaltigkeit
und Umweltschutz legen, geben sich zerknirscht. Um Orientierungshilfe im
„Zertifizierungsdschungel“ zu bekommen, habe man sich bislang am
Öko-Tex-Standard 100 und an den Regeln von „Bluesign“ orientiert, das
Unternehmen zu einer nachhaltigen Produktion verhelfen will, schreibt
Christoph Schmid, Präsident des Konsortiums Eurofamily, das Marken wie
Kaikkialla und Meru vertritt. Doch diese „berücksichtigen nicht die
Forderungen von Greenpeace im Umgang mit den poly- und perfluorierten
Chemikalien“. Weder die Etiketten der Kleider noch vorhandene Siegel böten
eine Sicherheit, sagt auch Manfred Santen, bei Greenpeace zuständig für
Chemikalien.
Die Unternehmen wollen nun nachlegen. Der kalifornische Hersteller
Patagonia teilt mit, er arbeite daran, perfluorierte Chemikalien aus seinen
Produkten zu verbannen, ab Frühjahr 2013 würden neu entwickelte Produkte
kein PFOA mehr enthalten.
Auch der Mittelständler Vaude aus dem oberschwäbischen Tettnang arbeitet an
Alternativen, um seine Kleidung wasserfest zu machen. Allerdings sei die
Erwartungshaltung der Kunden an die Funktionalität der Produkte in diesem
Aspekt besonders hoch. Prinzipiell, so die Hersteller unisono, sei es kaum
möglich, die erwünschten Eigenschaften ohne die Substanzen zu erreichen.
## Ehrgeiziges Ziel
Stimmt nicht, sagt Greenpeace. Einige Hersteller setzten schon Alternativen
aus Polyester oder Polyurethan ein. Umweltfreundlicher sind etwa auch
gewachste Jacken. „Die Verbraucher müssen sich überlegen, ob sie eine Jacke
für eine Arktisexpedition brauchen oder für einen Herbstspaziergang“, sagt
Santen.
Jack Wolfskin hat sich unterdessen mit an den runden Tisch gesetzt, an dem
neun namhafte Unternehmen über eine sauberere Produktion beraten. Bis 2020
wollen sie alle gefährlichen Chemikalien aus ihren Produkten und Fabriken
tilgen. „Wenn sie das erreichen wollen, müssen sie jetzt anfangen, konkrete
Schritte zu unternehmen“, sagt Santen, „bislang sind die Ergebnisse der
Beratungen noch zu unkonkret.“
29 Oct 2012
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Outdoor
Chemikalien
Verbraucherschutz
Chemikalien
Chemie
Outdoor
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