# taz.de -- Die „Sandy“-Nacht im US-TV: Zwischen den Spots stürmt es | |
> Die Nacht des Sturms verbachten viele vor dem Fernseher: Updates über | |
> Sandy, dazwischen Wahlwerbung für Romney und Obama. Oder andersrum? | |
Bild: Während Washington Fernsehn guckt, entwurzelt „Sandy“ einen Baum und… | |
WASHINGTON taz | Sandy ist durch. Wenn nicht die ganzen Warnungen gewesen | |
wären, die Schließung des öffentlichen Nahverkehrs und die Meldungen über | |
das überflutete Manhattan, das überspülte Ocean City, die Menschen, die von | |
umfallenden Bäumen erschlagen wurden, die vielen Stromausfälle anderswo – | |
wir hätten den spät am Abend zum Tropensturm heruntergestuften Hurrikan als | |
wirklich mieses Wetter wahrgenommen, hier in unserem kleinen Haus im | |
Nordosten Washingtons. Mehr nicht. | |
Die Morgendämmerung zeigt: Auf der Straße liegen ein paar abgefallene Äste, | |
es regnet immer noch, der Verkehr auf der nahen Florida Avenue kommt wieder | |
ins Rollen, wenn auch längst nicht so wie sonst an einem Dienstagmorgen. | |
In der Nacht haben wir ferngesehen, unsere Mitbewohnerin Jessica aus | |
Tennessee, die gerade ein Praktikum in Washington macht, sich eine | |
berufliche Zukunft im Bereich Familienplanung erhofft und deshalb für Mitt | |
Romney und seine Republikaner nichts übrig hat, telefoniert stündlich mit | |
ihren Eltern. Die leben in Maryland, nahe der Küste, aber auch bei ihnen | |
ist alles soweit in Ordnung. | |
Das Fernsehprogramm ist vom Sturm geprägt, in jeder Hinsicht: Je stärker | |
der Wind draußen wird - zwischen 20 und 22 Uhr sind hier die stärksten | |
Böen, desto schlechter wird das Bild. Wir haben kein Kabel, nur Antenne. | |
Aber das passt. Alle sind zuhause, auch in den Nachbarhäusern, alle sehen | |
fern, schauen ab und zu mal vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen und | |
zu gucken, wie sich der Sturm anfühlt. | |
Fernsehen – was soll man sonst machen. Reporter in Regenjacken in Maryland, | |
in Virginia, in New York halten die Mikrophone in den Wind. Das Bild vom | |
abgeknickten Kran auf dem Hochhaus in New York, immer wieder. | |
## Swing-State-Stimmung | |
Die Werbepausen sind häufig, und sie sind ausschließlich politisch. Nicht | |
für DC - die Hauptstadt wählt eh demokratisch, da gibt es keinen Wahlkampf. | |
Aber in den Nachbarstaaten Virginia und Maryland schon. Virginia ist ein | |
Swing State, und die Spots für Romney und Obama sind auf WählerInnen aus | |
Virginia gerichtet. | |
Das heißt, eigentlich sind es keine Spots für einen der Kandidaten, sondern | |
gegen den anderen. Romney, so erfährt man, lügt in seinen Spots, wenn er | |
sich als moderat in Abtreibungsfragen darstellt: Eine schnelle Abfolge | |
früherer Romney-Forderungen nach Aufhebung von Roe vs. Wade, dem bis | |
heutige gültigen Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes in Sachen | |
Abtreibung, und seine Forderung nach Abschaffung von Planned Parenthood, | |
dem bundesfinanzierten Familienplanungsprogramm, soll das unterstreichen. | |
„Egal, was die Romney-Spots dir einreden wollen – wir wissen, was er tun | |
wird", sagt eine Frauenstimme. „Ich bin Barack Obama, und ich unterschreibe | |
diese Nachricht.“ | |
Im republikanischen Spot erklären kleine und mittlere Unternehmer, warum | |
Obama schlecht für die Wirtschaft ist. Und so weiter. Spots für die | |
Question 7 in Maryland, ein Referendum über die Erteilung einer Lizenz für | |
ein neues Casino, dessen Steuereinnahmen in die Bildung gesteckt werden | |
sollen. Spots dagegen, die nachweisen wollen, dass nichts davon in die | |
Bildung fließen würde. Herrje. | |
Nur ein einziger Spot widmet sich der Question 6 - die Legalisierung der | |
Homoehe. Die war in Maryland bereits beschlossene Sache, doch Konservative | |
sammelten rasch genug Stimmen, um eine Referendum zu erzwingen. Ausgang | |
offen. Draußen nimmt der Wind zu. | |
Ist das jetzt Werbung zwischen Updates über den Sturm oder Sturmupdates | |
zwischen der Werbung? | |
## Alle Wahlkampfveranstaltungen abgesagt | |
In der Berichterstattung kommen weder Obama noch Romney vor. Obama hatte | |
sich am Nachmittag aus dem Weißen Haus gemeldet und von seiner | |
Telefonkonferenz mit Gouverneuren und Bürgermeistern aus dem mutmaßlich | |
betroffenen Regionen berichtet. Auf die Frage eines Reporters, ob er | |
glaube, dass Sandy den Wahlausgang beeinflussen werde, sagt er: „Die Wahl | |
wird nächste Woche von allein ihren Weg gehen. Jetzt ist unsere Priorität | |
Nr. 1 sicherzustellen, dass wir Leben retten, dass unsere Suchtrupps bereit | |
stehen, dass Menschen in Not Essen, Wasser und sichere Unterkünfte bekommen | |
und dass wir so schnell wie möglich reagieren, um die Wirtschaft wieder ins | |
Laufen zu bringen.“ | |
Das ist das letzte, was von ihm zu hören ist an diesem Abend. Die Auftritte | |
von Romney und seinem Vizekandidaten Paul Ryan in Ohio, sonst zumindest | |
eine Zusammenfassung in den Abendnachrichten, kommen nicht vor. | |
Beide Seiten haben für Dienstag alle Wahlkampfveranstaltungen der | |
Kandidaten abgesagt. Romney hat einen geplanten Auftritt umgewidmet zur | |
Nothilfesammlung, Obama bittet seine Sponsoren um Spenden - nicht für sich, | |
sondern für das Rote Kreuz. Aber natürlich läuft in den Wahlkampfzentralen | |
eine Woche vor der Wahl die hektische Tätigkeit auf Hochtouren. | |
Zwar bleibt der Präsident im Weißen Haus und gibt den Nothilfekoordinator, | |
doch seine Vize Joe Biden, First Lady Michelle Obama und Ex-Präsident Bill | |
Clinton sind im Land unterwegs und machen weiter Wahlkampf. Neue TV-Spots | |
werden produziert, Obama kauft Sendezeit auch in Pennsylvania, das er | |
eigentlich schon sicher glaubte. | |
## Verschiebung der Wahl? | |
Auch die Kommentatoren der großen Medien sitzen herum und suchen | |
Beschäftigung, und so kommen ein paar Themen auf: Die liberalen Medien | |
erinnern daran, dass Romney noch im Juni 2011 bei einer der ersten | |
Vorwahldebatten der Republikaner die über die FEMA organisierten | |
Katatrophenhilfe der Bundesregierung am besten ganz abschaffen und an die | |
Staaten „oder noch besser: an den Privatsektor“ delegieren wollte. | |
Davon will Romney heute natürlich nichts mehr wissen, und die Kommentatoren | |
heben hervor, wie gut es ist, dass die FEMA heute über genug Geld verfügt. | |
Die konservativen Medien fallen über jene Kommentatoren her, die vor | |
Eintreffen des Sturms schon über eine mögliche Verschiebung der Wahl | |
nachdenken, und auf [1][politico.com] kommen so ziemlich sämtliche | |
Gedankenspiele über mögliche Sandy-Auswirkungen auf die Wahl zu Wort, in | |
allen Varianten, für die Präsidentschaftswahl, für die Wahlbeteiligung, für | |
das Image der Kandidaten, für die Gouverneure. Allen könnte es nutzen oder | |
schaden, je nachdem. In der Washington Post fasst Kommentator Dana Milbank | |
zusammen: „Niemand hat irgendeine Ahnung.“ | |
30 Oct 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://politico.com/ | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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