# taz.de -- Referendum in Irland: Chance für misshandelte Kinder | |
> Die Iren werden am Wochenende ihren Kindern mehr Rechte geben. Kritik | |
> wird laut, denn Kinderarmut wird kein Thema in dem Referndum sein. | |
Bild: Kinderarmut und die Verhältnisse in Jugendgefängnissen werden kein Them… | |
Am Samstag sollen die Iren per Referendum ihren Kindern mehr Rechte | |
zugestehen. „Diese Verfassungsänderung ist eine deutliche Anweisung des | |
Volkes an die Gesetzgeber, an die Richter und an die Gesellschaft, wie | |
Kinder behandelt werden sollen“, sagt die zuständige Staatssekretärin | |
Frances Fitzgerald. „Wir glauben, dass Kinder, soweit sie reif genug sind, | |
ihre Meinung in Fällen, die sie betreffen, vor Gericht vortragen dürfen.“ | |
Auch sollen „alle Kinder gleich behandelt“ werden, fügt sie hinzu. Bisher | |
können nur Kinder lediger Müttern adoptiert werden. Künftig sollen auch | |
verheiratete Paare ihre Kinder zur Adoption freigeben dürfen. Jerry | |
Buttimer, der Vorsitzende des Ausschusses, der den Referendumstext | |
erarbeitet hat, sagt: „Der Volksentscheid bietet die Gelegenheit, Kindern | |
eine zweite Chance auf ein Familienleben zu ermöglichen, wenn sie in Not | |
sind.“ | |
Immer noch würden in Irland Kinder regelmäßig von ihren Eltern oder | |
Sorgeberechtigten, die sich kümmern sollten, vergewaltigt, ausgehungert | |
oder gefoltert, sagt Fitzgerald. „Wir vergessen bisweilen, dass nicht alle | |
dieser Horrorgeschichten in der entfernten Vergangenheit liegen. | |
Sozialarbeiter sollen ermächtigt werden, in solchen Fällen einzugreifen.“ | |
Das können sie freilich jetzt schon, aber betroffene Kinder landeten dann | |
im Heim, wenn ihre Eltern verheiratet waren, und können nicht in eine | |
andere Familie. | |
## Referndum anfechtbar | |
An der Annahme der Verfassungsänderung besteht kein Zweifel, da sich alle | |
Parteien in Irland darin einig sind. Das höchste Gericht in Dublin | |
entschied zwar am Donnerstag, dass die 1,1 Millionen Euro teure | |
Regierungskampagne für ein Ja gesetzeswidig sei: Die Regierung müsse bei | |
einem Volksentscheid neutral über Pro und Kontra informieren. Damit wurde | |
das Referendum anfechtbar. | |
Vor allem katholische Organisationen wollen es auch anfechten. Dick Spicer, | |
Exvorsitzender der Humanist Association, sagt: „Wenn ein Staat auf | |
übertriebene Intervention setzt, hat das jedes Mal zur Katastrophe | |
geführt.“ Die Gegner sagen, die Verfassungsänderung solle beschlossen | |
werden, bevor im Dezember der neue Staatshaushalt vorgelegt wird – mit | |
weiteren drastischen Kürzungen, die vor allem Kinder treffen. | |
Nach amtlichen Angaben sind Familien mit Kindern von Irlands Sparpolitik | |
besonders betroffen. Ihr Einkommen ist in den vergangenen zwölf Monaten um | |
8,8 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum sank das Einkommen kinderloser | |
Paare nur um 2,1 Prozent. Mehr als 200.000 irische Kinder – über 20 Prozent | |
– leben in Armut. Jede Woche wandern 1.200 junge Leute aus. Daran wird das | |
Referendum nichts ändern. | |
Der Journalist John Waters, der jahrelang mit der Sängerin Sinéad O’Connor | |
um das Sorgerecht für das gemeinsame Kind gestritten hatte, moniert zudem, | |
dass die „Rechte für Kinder“ nun von staatlichen Institutionen wahrgenommen | |
werden sollen. Eine Erweiterung der Rechte gegenüber dem Staat sieht die | |
Änderung nicht vor. Das wäre bitter nötig: Der irische Staat sperrt | |
straffällige Jugendliche unter menschenunwürdigen Zuständen ins Gefängnis. | |
## Mehr Rechte für Kinder | |
Einem im Oktober veröffentlichten Untersuchungsbericht zufolge sitzen im | |
Jugendknast St. Patrick’s Institution 231 Gefangene zwischen 16 und 21 | |
Jahren ein. Im Jahr 2010 wurden 220 Gefangene gewaltsam in Isolationszellen | |
gesteckt, wobei 88 Fälle gar nicht aktenkundig sind. In manchen Fällen | |
wurden die Jugendliche gewaltsam entkleidet, oft schnitt man ihnen mit | |
Messern die Kleider vom Leib, wobei die Kinder verletzt wurden. | |
Manche Wärter provozierten die Gefangenen so lange, bis diese sich wehrten, | |
um sie dann mit Sonderstrafen zu belegen. Kurz bevor der Bericht herauskam, | |
wurde die Regierung vom UN-Menschenrechtsrat in Genf über die | |
Gefangenenbeschwerden befragt. Ein Regierungssprecher tat sie ab als | |
„abstruse Verrücktheiten von Kindern, denen man keine Beachtung schenken | |
sollte“. | |
10 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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