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# taz.de -- Stasi-Beauftragte für Sachsen-Anhalt: Seit zweieinhalb Jahren wird…
> Der Bundesbeauftragte Roland Jahn ist verärgert: Seit zweieinhalb Jahren
> ist die Stelle des Stasi-Beauftragten in Sachsen-Anhalt unbesetzt.
Bild: Ihre Benennung zur Stasibeauftragten wird nun angefochten: Birgit Neumann…
DRESDEN taz | Die zweieinhalbjährige Hängepartie um die Neubesetzung des
Stasi-Landesbeauftragten in Sachsen-Anhalt hat den Bundesbeauftragten
Roland Jahn auf den Plan gerufen. Es sei „ein schlechtes Signal für die
Opfer der DDR-Staatssicherheit“, dass man sich nicht einigen könne.
Nach dem Rücktritt von Gerhard Ruden, der selber über einen Kommilitonen
Berichte für den Geheimdienst geschrieben hatte, hatte der Landtag im Juli
dieses Jahres nach mehreren fehlgeschlagenen Besetzungsversuchen eigentlich
die Pastorin Birgit Naumann-Becker gewählt. In dieser Woche nahm aber das
Bundesverfassungsgericht eine Klage des Mitbewerbers Bodo Walther an. Sie
richtet sich gegen eine Bedingung im Landesgesetz, nach der
Stasi-Landesbeauftragter nur werden kann, wer am 9.November 1989 in der DDR
lebte.
Ist die Stelle des Stasi-Landesbeauftragten so wichtig, dass sie eine
höchstrichterliche Entscheidung lohnt – oder so unwichtig, dass sie ruhig
zweieinhalb Jahre bloß kommissarisch besetzt werden kann? Zunächst einmal
ist sie im Stasi-Unterlagengesetz vorgesehen, und die Länder haben
Ausführungsgesetze erlassen. „Ich schätze die Institution des
Landesbeauftragten sehr. Regionale Aufarbeitung ist nahe an den Menschen
dran“, erklärt der Bundesbeauftragte Roland Jahn.
Auch 22 Jahre nach dem Ende der DDR rüttelt niemand an der Institution an
sich, auch oder erst recht nicht die Linke. „Ich rate meiner Fraktion
dringend, den Stasi-Landesbeauftragten nicht in Frage zu stellen“, sagt
beispielsweise Eva von Angern, rechtspolitische Sprecherin der
Linksfraktion im Sachsen-Anhalter Landtag. Nicht nur aus taktischen Gründen
wegen der SED-Vergangenheit, betont sie, sondern aus fachlichen, wie
beispielsweise der psychosozialen Opferberatung.
## „Ein wenig Manager“
„Es ist noch nicht vorbei“, bestätigt Roland Jahn. Es gebe posttraumatische
Störungen sogar in der Kindergeneration der Opfer. Von einem
„Verbitterungssyndrom“ bei Unzufriedenen, deren Rehabilitierung praktisch
nicht gelang, spricht Sachsens Landesbeauftragter Lutz Rathenow.
Das verweist auf eine Verschiebung in der tatsächlichen Arbeit. Das
Türschild „Landesbeauftragter für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“ stimme eigentlich nicht mehr,
meinte schon der ehemalige sächsische Beauftragte Michael Beleites. In den
frühen neunziger Jahren ging es noch vorrangig um Informationen und
Gutachten für die Überprüfungen im Öffentlichen Dienst. Rund 1,7 Millionen
Personen betraf das.
In diesem Jahr sind gerade noch 301 Anfragen bei der Jahn-Behörde
eingegangen. Stattdessen sind Beratung, Bildung und Information in den
Vordergrund gerückt. Aufgaben, die sich teilweise mit den Landeszentralen
für Politische Bildung oder den Gedenkstätten überschneiden.
„Man ist ein wenig Manager zwischen völlig verschiedenen
Aufgabenbereichen“, fasst Lutz Rathenow seine eineinhalbjährigen
Erfahrungen in Sachsen zusammen. Für Roland Jahn sind die Information der
nachwachsenden Generation und Aufklärung über die DDR die wichtigsten
Aufgaben. Dafür sei Kooperation und Zusammenarbeit und nicht Konkurrenz
erforderlich.
## „Entwicklungshilfe“ für den Westen
Jahn deutet die Option einer Zusammenlegung der Landesbeauftragten mit den
Archiv-Außenstellen seiner Behörde an. Der Unterschied zwischen beiden sei
vom Bürger kaum noch nachzuvollziehen. Anfang des kommenden Jahres will er
mit den Landesbeauftragten auch über Strukturfragen beraten.
Vor allem aber drängt Roland Jahn darauf, auch in der Amtsbezeichnung die
Aufarbeitung der DDR nicht auf die Staatssicherheit zu beschränken. Ulrike
Poppe in Brandenburg beispielsweise nennt sich richtigerweise
„Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen
Diktatur“. Längst sind sich Historiker einig, dass die alleinige
Stasi-Fixierung eine Verkürzung darstellt. Viele Anfragen kämen auch aus
westdeutschen Bundesländern, berichtet Lutz Rathenow. Deshalb wären Partner
dort hilfreich, um nicht „Entwicklungshilfe“ für den Westen leisten zu
müssen.
Änderungen an den Landesbeauftragten-Gesetzen sind aber nicht geplant. Der
Bundesbeauftragte Roland Jahn hätte stattdessen lieber einige Ressourcen
mehr zur Verfügung. „In keinem Bundesland ist die Ausstattung der
Landesbeauftragten ihren Aufgaben angemessen“, klagt er.
16 Nov 2012
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Stasi-Unterlagen
Roland Jahn
Sachsen-Anhalt
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