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# taz.de -- Protest im Hambacher Forst: Jagd durchs Tunnellabyrinth
> Schon seit Dienstag harrt ein Umweltaktivist in einem Erdbunker aus. Er
> protestiert gegen die Braunkohleförderung im Hambacher Forst.
Bild: Die Polizei, dein Räumer und Retter: Hier beim Einsatz am Dienstag im Ha…
KÖLN taz | Pfiffiger als die Polizei erlaubt: Im Hambacher Forst trotzt ein
Umweltaktivist immer noch seiner „Befreiung“. Seit Dienstag befindet sich
der junge Mann in einem metertiefen Erdbunker - und narrt die
Einsatzkräfte. Am Freitagmittag glaubten sie schon, kurz vor seiner Bergung
zu stehen. Doch sie irrten. Der Waldschützer entkam. Das
Katz-und-Maus-Spiel geht weiter.
Seit nunmehr vier Tagen harrt der renitente Kohlegegner in seiner rund
sechs Meter tiefen Höhle aus. Jonas Zimmermann ist der letzte Verbliebene
aus einem Protestcamp gegen die Abholzung des Waldes an der
Tagebauabbruchkante bei Kerpen-Buir. Tag und Nacht hatten die Einsatzkräfte
an einem Schacht gearbeitet, um den Mittzwanzigjährigen aus seinem selbst
gewählten Erdgefängnis herauszuholen. Am Freitagmittag schienen ihre
Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sein. Nach einem leichten Erdrutsch bekam
das Räumungsteam Sichtkontakt zu ihm. Der Zugriff schien nahe zu sein.
Aber anders als gedacht, war Zimmermann nicht an einem Betonblock gefesselt
– und verschwand unerwartet in seinem selbst angelegten Tunnellabyrinth.
„Er hat sich in einen Gang zurückgezogen, der nicht gesichert ist“, sagte
Polizeisprecher Anton Hamacher. „Er möchte offenbar nicht von uns gerettet
werden.“ Um seinen VerfolgerInnen zu entkommen, soll er auch Stützen
weggetreten haben, mit denen der Tunnel gesichert war. „Wir haben keinen
unmittelbaren Zugriff auf ihn“, so Hamacher frustriert.
## Akribisch vorbereitet
Als „praktizierten Klimaschutz von unten“ bezeichnet Zimmermann selbst
seine Aktion. „Hier unten ist es riskant und ungemütlich“, ließ der
gelernte Tischler über seine UnterstützerInnen ausrichten. „Wenn nicht
endlich mehr Menschen selber handeln, um den Braunkohleabbau zu stoppen,
macht RWE die Erde nicht nur ungemütlich, sondern unbewohnbar.“
Er habe sich akribisch vorbereitet und wisse genau, was er tue, beteuern
seine UnterstützerInnen. Seine Kondition sei gut, auch nach vier Tagen sei
Zimmermann noch „bei voller Kraft“. Er soll mit Proviant für mehrere Wochen
ausgestattet sein. Durch Schläuche wird er mit Sauerstoff versorgt.
Der Hambacher Forst war ursprünglich 5.500 Hektar groß. Doch viel steht von
dem einst riesigen Wald inzwischen nicht mehr. Wie auch etliche Häuser und
Dörfer wurde er in den vergangenen Jahrzehnten verschlungen vom
unersättlichen Braunkohletagebau. Verwüstet wurden ganze Landstriche.
## 450 Meter tiefe Mondlandschaft
Zwischen Aachen, Köln und Mönchengladbach entstand eine bis zu 450 Meter
tiefe Mondlandschaft, die nach den Plänen des Essener Energiekonzerns RWE
bis 2045 eine Fläche von insgesamt 85 Quadratkilometer umfassen soll. Das
rheinische Braunkohlerevier mit seinen Braunkohle-Tagebauen und
Kraftwerken, in denen der Energieträger verstromt wird, gilt als die
klimaschädlichste Region Europas.
Von dem jahrhundertealten Hambacher Forst ist hingegen nur noch ein
schmaler Streifen entlang der Autobahn 4 übrig geblieben. Zu seiner Rettung
hielten seit Mitte April mehrere Dutzend UmweltaktivistInnen das Waldstück
„besetzt“. Sie lebten in Zelten, errichteten mehrere Baumhäuser und ein
keltisches Rundhaus aus Lehm. Eine Warmwasser-Solardusche und eine
mehrgeschossige Komposttoilette gehörte zu ihrem Camp ebenso wie ein
„Umsonstladen“. Und sie untertunnelten das Gelände, um es der Polizei bei
einer Räumung nicht allzu leicht zu machen. Offenkundig in der Hoffnung,
dass die BesetzerInnen irgendwann von selbst die Lust verlieren, tolerierte
RWE Power monatelang ihr Treiben. Schließlich jedoch erwirkte das
RWE-Tochterunternehmen beim Landgericht Köln eine Räumungsverfügung.
Am Dienstagmorgen begannen mehrere Hundertschaften der Polizei das
Protestcamp zu räumen, um das Gelände danach zur Rodung an RWE Power zu
übergeben. Die Räumung sei „bis auf den passiven Widerstand der
Waldbesetzer friedlich“ verlaufen, erklärte die Polizei.
Zwar wurde ein Beamter während der Bergungsmaßnahmen verletzt, allerdings
„ohne Fremdverschulden“, wie die Polizeipressestelle des Rhein-Erft-Kreises
betonte. Mehr als 20 WaldbesetzerInnen wurden in Gewahrsam genommen. Nur
einen haben sie immer noch nicht. Aufgeben will Jonas Zimmermann nicht so
schnell, versichern seine UnterstützerInnen. Der Nervenkrieg geht weiter.
16 Nov 2012
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Braunkohle
Schwerpunkt Hambacher Forst
Umweltschutz
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Braunkohle
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