| # taz.de -- Wucherparagraph gegen Mietsteigerungen: Vom Versuch, die Vermieter … | |
| > Wenn Berlin eine Wohnungsnot amtlich anerkennt, können Neuvermietungen | |
| > preislich begrenzt werden. Aktivisten verweisen auf ein Gutachten im | |
| > Auftrag des Senats. | |
| Bild: Bis 2002 wurde auch in Berlin der "Wucherparagraph" angewendet. | |
| Und wieder widmet sich eine Statistik der Berliner Mietpreisspirale. Am | |
| Montag legte das Amt für Statistik Berlin Brandenburg die neuen Zahlen aus | |
| dem Mikrozensus für die Wohnungssituation 2010 vor. Das Ergebnis ist nicht | |
| überraschend: Die Durchschnittsmiete stieg von 6,35 Euro pro Quadratmeter | |
| Netto kalt 2006 auf 6,74 Euro. Die teuersten Mieten liegen demnach in | |
| Charlottenburg-Wilmersdorf mit 7,21 Euro. Aber auch in Marzahn-Hellersdorf, | |
| wo der Wohnungsmarkt angeblich noch entspannt sein soll, zahlen die | |
| Mieterinnen und Mieter im Schnitt 6,20 Euro plus Heizkosten und Warmwasser. | |
| Ein Bündnis mit dem Namen „Berlinappell“ fordert vom Senat deshalb eine | |
| härtere Gangart gegen die Preisexplosion. | |
| „Der Senat muss endlich die Wohnungsnot amtlich anerkennen“, fordert | |
| Carsten Joost, der einst das Bündnis „Mediaspree versenken“ gründete. „… | |
| endlich können die Wohnungsämter gegen die teuren Neuvermietungsmieten | |
| vorgehen.“ Vorbild für Joost und sein Bündnis ist Frankfurt am Main. Dort, | |
| so der Aktivist, habe die Stadt bereits 300 Verfahren nach dem Paragraf 5 | |
| des Wirtschaftsstrafgesetzes, besser bekannt als Wucherparagraf, | |
| angestrengt. | |
| Auch in Berlin kam dieser Paragraf bis 2002 zur Anwendung. Er besagt, dass | |
| bei Neuvermietungen die Miete nicht mehr als 20 Prozent über dem Mittelwert | |
| des Mietspiegels liegen darf. Voraussetzung ist aber eine sogenannte | |
| angespannte Wohnungslage. Weil die aufgrund des hohen Leerstands von damals | |
| mehr als 100.000 Wohnungen nicht mehr gegeben war, kassierte der | |
| Bundesgerichtshof die Anwendung in Berlin. Seitdem dürfen die Vermieter bei | |
| Neuvermietungen verlangen, was der Markt hergibt. | |
| Anlass für den „Berlinappell“, nun aktiv zu werden, ist ein Gutachten des | |
| Instituts Gewos, das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag | |
| gegeben hat. Darin kommt das Institut zum Ergebnis, dass der Leerstand in | |
| Berlin nur noch 2,21 Prozent des Wohnungsbestandes beträgt. Sinkt der | |
| Leerstand unter 3 Prozent, so gilt der Wohnungsmarkt als angespannt. Auch | |
| der Mieterverein und die Grünen fordern deshalb von | |
| Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), die Wohnungsnot | |
| anzuerkennen. „Herr Müller muss endlich liefern“, betont Andreas Otto, | |
| baupolitischer Sprecher der Grünen. | |
| Ganz so einfach ist das mit dem Wucherparagrafen aber nicht, selbst wenn | |
| der Senat „liefert“. „Damit sich ein Mieter wehren kann, muss nicht nur e… | |
| angespannter Wohnungsmarkt vorherrschen“, sagt Mietervereinschef Reiner | |
| Wild. „Es muss auch nachgewiesen werden, dass sich der Vermieter an der Not | |
| bereichert.“ Derzeit sucht der Mieterverein einen entsprechenden Fall, um | |
| mit einer Musterklage gegen zu hohe Mieten vorgehen zu können. | |
| Für Carsten Joost ist das aber nur eine Möglichkeit. „Die andere besteht | |
| darin, dass die Bezirke mit Hinweis auf das Wirtschaftsstrafgesetz hohe | |
| Neuvermietungsmieten verbieten.“ Immerhin jeder zehnte Fall in Frankfurt | |
| habe zum Erfolg geführt. | |
| Stadtentwicklungssenator Michael Müller weist indes darauf hin, dass das | |
| Gutachten von Gewos, das seit April vorliegt, in seiner Verwaltung derzeit | |
| ausgewertet werde. „Es gibt in manchen Bezirken und Quartieren tatsächlich | |
| einen angespannten Wohnungsmarkt“, sagt seine Sprecherin Daniela | |
| Augenstein. „Deshalb wollen wir hier auch die Zweckentfremdung verbieten | |
| und Milieuschutzsatzungen prüfen.“ Allerdings gebe es auf Gesamtberliner | |
| Ebene noch keinen angespannten Wohnungsmarkt. „Da ist der Leerstand nur ein | |
| Indikator“, so Augenstein. Außerdem sei es kaum möglich, die Zahl der leer | |
| stehenden Wohnungen tatsächlich zu bestimmen. | |
| Das betont auch Daniel Hofmann, Berliner Büroleiter der Gewos. „Wir haben | |
| auf Grundlage der verfügbaren Daten eine Schätzung über die Zahl der | |
| Wohnungen und die Zahl der Haushalte vorgenommen.“ Außerdem habe die Gewos | |
| in ihrem Gutachten geschätzt, wie viele der leer stehenden Wohnungen gar | |
| nicht dem Markt zur Verfügung stehen – etwa weil sie sanierungsbedürftig | |
| sind oder weil sie als Spekulationsobjekte leer stehen. Zählte man diese | |
| Wohnungen dazu, wäre der Leerstand höher. „Die Studie ist nicht geeignet, | |
| um festzustellen, ob das Wirtschaftsstrafgesetzbuch in Berlin zieht“, so | |
| Hofmann. | |
| 21 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
| ## TAGS | |
| Studenten | |
| Protest | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Runder Tisch zu Wohnungsnot: Warme Wohnung statt warmer Worte | |
| Es mangelt an Unterkünften für Studenten. Bei einem Treffen von Politikern | |
| und Betroffenen wurde viel geredet, einiges geplant – aber nichts | |
| beschlossen. | |
| Mieten in Berlin: Jetzt wird es richtig teuer | |
| Eine neue Studie belegt wieder mal: Vermieter schlagen richtig zu. Ändern | |
| könne sich das nur durch den Bau von mindestens 150.000 Wohnungen bis 2030. | |
| Proteste gegen hohe Wohnkosten: Aus der Mietwohnung auf die Straße | |
| Am Samstag demonstrieren Aktivisten bundesweit gegen zu wenig Wohnraum und | |
| für Mietobergrenzen. Auch SPD, Grüne und Linke wollen Mietsteigerungen | |
| begrenzen. | |
| Mieten: Eigentümer angeschmiert | |
| Am Neuköllner Weichselplatz haben Gentrifizierungsgegner einen Fahrstuhl | |
| demoliert. Die meisten MieterInnen sind von der Aktion nicht angetan. | |
| Mietenbündnis: "Eine unzumutbare Belastung" | |
| Die neue soziale Ausrichtung der landeseigenen Wohnungsgesellschaften ist | |
| für den Mieterverein teilweise eine Farce. Auch die Opposition übt Kritik. |