Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Dänische TV-Serie: Macht heißt opfern
> Intrigen, verkaufte Ideale, Geschacher mit den Medien: Auf Arte startet
> nun die zweite Staffel der dänischen Politserie „Gefährliche
> Seilschaften“.
Bild: Gefährliche Macht: Journalistin Katrine Fønsmark hilft einer Kollegin
Das Streben nach Macht ist einer der erstaunlichsten Antriebe des Menschen.
Kein lebensnotwendiger. Aber einer, für den Politiker, die wir tagtäglich
durch die Nachrichten spazieren sehen, bereit sind, vieles zu opfern, was
ihnen am Herzen gelegen haben könnte: geliebte Menschen, Gesundheit,
politische Ideale.
Man stelle sich eine Frau vor. Eine Premierministerin. Alles erreicht: ein
politisches Amt, das sie so furchtbar anders gestalten wollte als andere
vor ihr. Eine fröhliche Familie mit einem Mann, der bereit ist, in seinem
Job zurückzustecken, um sie zu unterstützen. Es ist eine Frau mit starken
politischen Idealen und der Überzeugung, man könne auch als
Premierministerin noch mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Und dann kommt
die Realpolitik.
Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen) heißt diese Frau und ist die
Hauptfigur der dänischen Politserie „Borgen“ (auf Deutsch leider:
„Gefährliche Seilschaften“), deren zweite Staffel heute auf Arte anläuft.
Zehn Folgen hat es in der ersten Staffel gebraucht, um aus dieser
glücklichen, freundlichen Nyborg eine eiskalte Machtpolitikerin zu machen.
Eine einsame Frau, die alle, die ihr einst nahestanden, weggebissen hat,
von ihrem Mann verlassen. Und wofür? Um endlich all das politisch
umzusetzen, wovon sie immer geträumt hat? Von wegen: Folge für Folge opfert
sie einen politischen Grundsatz. Realpolitik eben. Muss weitergehen. Muss.
Wie ein Krebsgeschwür hat sich der Machterhaltungstrieb in ihr Leben
hineingefressen. Zehn Folgen. Das ist schneller, als US-Präsident Obama im
Amt ergraut ist.
## Im Zentrum der Macht
Wie ein finsteres Bergmassiv steht Nyborg am Ende der ersten Staffel in
ihrem Büro in Schloss Christiansborg (Spitzname „Borgen“), dem Zentrum der
politischen Macht in Dänemark. Erstarrt, erkaltet. Hat gerade, in einer
letzten Gefühlsaufwallung, mit einem wütenden Stoß ihren Schreibtisch
leergefegt. Was sie bloß so ruiniert hat, wie man sich das bei so vielen
Politikern fragt, das versucht „Gefährliche Seilschaften“ zu erklären.
Gelungen ist das ziemlich gut – zu Recht wird die Serie als europäische
Variante von „West Wing“ gefeiert, der Mutter aller Politserien aus den
USA. Und sie wird zu Recht auch in der ästhetischen und erzählerischen
Tradition der ebenfalls dänischen Krimiproduktion „The Killing“ gesehen,
dieser großartigen Reihe rund um die manische Kommissarin Lund.
Und obwohl die Transformation der Nyborg zur merkelesken Machtpolitikerin
eigentlich abgeschlossen schien, verliert die Serie auch in der zweiten
Staffel nicht ihren Reiz: bleibt klug, analytisch – auch wenn sie manchmal
in einen Erklär-Ton abgleitet, wenn sie EU-Politik und oder das Für und
Wider eines Truppenabzugs in Afghanistan darstellen muss.
## Investigativer Journalismus für die Politik
Und diesmal müssen vor allem die Menschen um Nyborg ihren Preis für die
Macht bezahlen: Ihr Parteifreund etwa, den ein Posten in der EU-Kommission
fast das Leben kostet. Oder ein Koalitionspartner, der nach seinem Rauswurf
vor dem Nichts steht, zu dem sein Privatleben inzwischen verkümmert ist.
Der erzählerische Charme von „Gefährliche Seilschaften“ liegt aber vor
allem darin, dass sie nicht nur in den Mauern von Christiansborg spielt,
sondern auch in den Redaktionsräumen der überehrgeizigen
Investigativjournalistin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen, siehe
Foto). Durch sie kann die Serie nicht nur Außenperspektiven auf die
politischen Grabenkämpfe einnehmen – sie erzählt auch, manchmal
holzschnittartig, die gegenseitige Beeinflussung von Medien und Politik.
Dass auch das Privatleben von Fønsmark totales Elend ist – kein Wunder.
Ebenso das ihrer Kollegen. Auch bei denen hat eben alles seinen Preis. Vor
allem die Nähe zur Macht.
„Gefährliche Seilschaften“, Arte, 20.15 Uhr
22 Nov 2012
## AUTOREN
Meike Laaff
Meike Laaff
## TAGS
TV-Serien
Dänemark
Arte
Serien-Guide
Serien
Film
Pathologie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schwedische Erfolgsserie „Solsidan“: Ein Bier in der Abendsonne
In der schwedischen Comedy-Serie „Solsidan“ speisen Biederleute unter
Designerleuchten. Zwölf Jahre nach Erscheinen stieß nun auch die ARD
darauf.
Regisseur über das Politmilieu als Sujet: „Schweiß, Blut, Kotze, Sperma“
Ein Gespräch mit dem französischen Filmemacher Pierre Schoeller über
US-amerikanische Polit-Action und nicht verteilten Reichtum.
Gerichtsmediziner-TV-Serien: „Wir sind Spielkinder“
TV-Serien wie „Body Farm“ und „CSI“ machen Forensiker zu Kriminalisten.…
realistisches Bild? Nö, sagt Mark Benecke – spannend ist sein Job aber
dennoch.
Neue US-Fernsehserien: Vergesst den „Tatort“!
Wenn in den USA in den letzten fünf Jahren etwas besser geworden ist, dann
sind es die TV-Serien. Welche neuen Perlen gibt es im Herbst?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.