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# taz.de -- Exhumierungen zur Wahrheitsfindung: Charakteristische Einschusslöc…
> Wer liegt da und warum? Diese Fragen haben im Laufe der Geschichte schon
> so manche vermeintlich letzte Ruhestätte in überraschende Bewegung
> gebracht.
Bild: Fast 38 Jahre nach seinem Tod wird das Grab von Salvador Allende wieder g…
WIESBADEN taz | Eigentlich sollte mit der Bestattung die Geschichte eines
Menschen zu ihrem Ende gekommen, sein Leichnam zur „letzten Ruhe“ gebettet
sein. Mit dieser Ruhe aber ist es selten so weit her, wie man meinen
möchte.
Im christlichen Mittelalter etwa war es nicht unüblich, besonders verhasste
Verstorbene posthum so fürchterlich zu verstümmeln, dass sie zum Jüngsten
Gericht keine Freude mehr an der Auferstehung haben würden. In der Moderne
dagegen will es die Nachwelt manchmal einfach nur genauer wissen. Wer ruht
denn da? Und warum ruht er da?
So wurde 2010 auf Wunsch der Familie und zwei Jahrzehnte nach seinem
gewaltsamen Tod Nicolae Ceausescu exhumiert, um anhand von Gewebeproben und
DNA-Tests die Identität der Leiche zu belegen. Das war eigentlich gar nicht
mehr nötig, nachdem bei der Öffnung des Sarges die berühmte Lammfellmütze
zum Vorschein kam, die der rumänische Diktator bei seiner Erschießung am
25. Dezember 1989 getragen hatte, und auch die Hose charakteristische
Einschusslöcher aufwies.
Bei der Exhumierung von Salvador Allende dagegen stand 2011 die Frage im
Mittelpunkt, ob sich der chilenische Präsident bei der Belagerung seines
Amtssitzes durch Truppen des putschenden Generals Augusto Pinochet im
September 1973 selbst ins Jenseits beförderte – oder ob er ermordet wurde.
Die Autopsie ergab, der Sozialist hatte sich selbst in den Kopf geschossen.
Ebenfalls 2011 ließ der venezolanische Staatspräsident Hector Chavez die
sterblichen Überreste des südamerikanischen Befreiungshelden Simon Bolivar
ausgraben, um am „ruhmvollen Skelett“ Indizien für seine private
Verschwörungstheorie zu finden, sein Idol sei 1830 keineswegs der
Tuberkulose, sondern einer Vergiftung erlegen und also ermordet worden.
## DNA-Abgleich mit der Schwester
Der Beweis konnte allerdings nicht geführt werden. Aber immerhin belegte
ein DNA-Abgleich mit ebenfalls exhumierten Überresten seiner Schwestern,
dass es sich bei dem Leichnam wirklich um Simon Bolivar handelte.
Nicht selten dient die Exhumierung der kulturellen Selbstvergewisserung. So
konnte erst 2006 bewiesen werden, dass die Überreste des Kolumbus in der
Kathedrale von Sevilla ruhen – und eben nicht in den konkurrierenden
Städten Valladolid, Havanna oder Santo Domingo.
In Italien sorgte der Paläopathologe Gino Fornaciari mit einer ganzen Reihe
von Autopsien für Furore. Er fand heraus, dass der heilige Antonius
zeitlebens viel gelaufen sein muss und Heinrich der VII. an Lepra litt.
Eine regelrechte Massenöffnung von 49 Särgen in der Gruft der Medici
förderte zutage, dass die Fürsten erblich bedingt schwer mit der Gicht zu
kämpfen hatten. Nur der allerletzte Gang fiel nicht mehr schwer.
## Von den Sowjets hingerichtet
Dass hinter Exhumierungen oft politische Erwägungen stehen, belegt auf
verstörende Weise der Fund von 4.421 Leichen in einem Wald bei dem damals
noch ostpolnischen Katyn. Nachdem die Wehrmacht bei ihrem Angriffskrieg
gegen die Sowjetunion auf das Massengrab gestoßen war, schlachtete Joseph
Goebbels den so grausamen wie willkommenen Fund nach allen Regeln der
Propaganda aus.
Es konnte nachgewiesen werden, dass es sich bei den Ermordeten um einen
Teil der 22.000 von den Sowjets hingerichteten polnischen Intellektuellen
handelte. Der Kreml behauptete lange, das Massaker sei ein Werk der Nazis
gewesen. Erst 1990 gestand er das Massaker offiziell ein.
Auch ohne forensische Untersuchungen wurde immer schon gern aus politischen
Gründen ausgebuddelt und umgebettet. So holten die Franzosen 1840 die
Überreste ihres 1821 auf St. Helena verstorbenen Kaisers Napoleon heim in
den Pariser Invalidendom.
Ebenfalls aus Staatsräson umgegruftet wurde 1991 Friedrich der Große, den
Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich aus der schwäbischen Ausweichkrypta
ins heimische Potsdam holte, wo der „Alte Fritz“ zur „letzten Ruhe“
gebettet wurde. Neben seinen geliebten Jagdhunden. Und zusammen mit der
alten deutschen Preußenverehrung.
27 Nov 2012
## AUTOREN
Arno Frank
Arno Frank
## TAGS
Exhumierung
Salvador Allende
Kolumbus
Russland
Mord
Arafat
Palästina
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