# taz.de -- Mordermittlungen im Fall Arafat: Der seltsame Tod des Jassir Arafat | |
> Das Grab von Yassir Arafat wird geöffnet, die Autopsie beginnt. Wurde der | |
> Palästinenserchef vergiftet? Medien spekulieren über mögliche Täter. | |
Bild: Wurde Yassir Arafat vergiftet? Eine Autopsie soll jetzt Licht ins Dunkel … | |
Seit gut zwei Wochen sind palästinensische Arbeiter damit beschäftigt, die | |
meterdicke Betonschicht abzutragen, die den toten Körper des legendären | |
PLO-Chefs Jassir Arafat bedeckt. „Es ist eine schmerzliche Notwendigkeit“, | |
kommentierte Tawfiq Tirawi, der die Untersuchungen im palästinensischen | |
Ramallah leitet. | |
Auf der Mukataa, dem Sitz des Palästinenserpräsidenten in Ramallah, ließen | |
Arafats frühere Weggenossen ihm ein eher nüchternes Mausoleum aus massiven | |
Steinplatten errichten. Das Gelände ist dieser Tage weit abgesperrt. Blaue | |
Plastikplanen versperren die Sicht auf das Grab. | |
Pathologen aus Frankreich, der Schweiz und Russland sollen Aufschluss | |
darüber geben, ob Jassir Arafat ermordet wurde. Heute wird das Grab des | |
Palästinenserführers, der vor genau acht Jahren in einem Pariser | |
Krankenhaus verstarb, geöffnet werden, um dem Leichnam Gewebeproben zu | |
entnehmen. Auf Bitte seiner Witwe Suha Arafat hat die französische Polizei | |
im Sommer eine Morduntersuchung eingeleitet. Zuvor fanden Schweizer | |
Experten an Arafats Wäsche und Zahnbürste Überreste des radioaktiven Giftes | |
Polonium-210. | |
Tirawi sorgte dafür, dass auch russische Experten herangezogen wurden. | |
Offenbar schenkt die Autonomiebehörde den von Suha Arafat beauftragten | |
Franzosen und Schweizern nur bedingt Vertrauen. Das Verhältnis zwischen | |
Arafats Witwe und den Palästinensern galt schon zu Lebzeiten ihres Mannes | |
als miserabel. | |
## „Was hat Arafat umgebracht“ | |
Mutter und Tochter Arafat lebten auf Kosten der PLO in einem französischen | |
Luxushotel, während der Palästinenserpräsident in der Mukataa verharrte. | |
Zuletzt, wenige Tage vor dem Tod des Palästinenserführers, nannte Frau | |
Arafat eine Delegation hoher palästinensischer Politiker, „eine Bande, die | |
nach Paris kommen will, um Arafats Erbe zu erschleichen“. | |
Ausgelöst wurden die späten Untersuchungen von eine Fernsehteam der | |
arabischen Station al-Dschasira. „Was hat Arafat umgebracht“, so lautete | |
der Titel der im Sommer ausgestrahlten Dokumentation. Forscher des Institut | |
de radiophysique an der Universität Lausanne fanden demnach an Arafats | |
Zahnbürste, seiner Unterwäsche und dem Krankenhauskäppi eine vergleichbar | |
so hohe Poloniummenge, wie sie 2006 den russischen Regimekritiker Alexander | |
Litwinenko ums Leben brachte. | |
In Israel hielt sich über Jahre das Gerücht, Arafat sei an Aids gestorben. | |
Sollten die Experten übereinstimmend zum Ergebnis kommen, dass sein Tod | |
kein natürlicher war, dann richtet sich die Finger zuallererst auf die | |
Besatzer. „Ich bin davon überzeugt, dass Israel hinter seinem Tod steht“, | |
sagt Aschraf al-Adschrami von der Tageszeitung Al Ayyam. | |
Es wäre nicht das erste Mal, dass Israel einen Feind zu vergiften versucht. | |
Im September 1997 entkam Chaled Meschal, heute Politbürochef der Hamas, | |
einem Mordanschlag in der jordanischen Hauptstadt. Agenten des Mossad waren | |
dabei erwischt worden, als sie ihm ein tödliches Gift ins Ohr spritzten. | |
## Das Schweigen der Ärzte | |
Gegen ein israelisches Zutun spricht die Tatsache, dass der damalige | |
Regierungschef Ariel Scharon seinen Erzfeind schon vorher kaltgestellt | |
hatte. Seit September 2002 saß Arafat von der Welt abgeschnitten in der | |
Mukataa fest. „Zu diesem Zeitpunkt hatten wird nicht den geringsten Grund | |
mehr dazu, ihm etwas anzutun“, meinte Dov Weisglas, Scharons früherer | |
Bürochef. Israel habe „tausende Gelegenheiten“ gehabt, Arafat zu | |
exekutieren. „Wir hatten mit der Sache nichts zu tun.“ | |
Der Reporter von al-Dschasira scheint sich selbst nicht so sicher zu sein, | |
ob die Täter, sollte es Mord gewesen sein, tatsächlich in Israel zu suchen | |
sind. Viel zu spät sei Arafat erst gut zwei Wochen nach seiner Erkrankung | |
in ein westliches Krankenhaus gebracht worden. Was den Reporter aber vor | |
allem stutzen ließ, ist das hartnäckige Schweigen der arabischen Ärzte, die | |
Arafat untersuchten, bevor er nach Paris verlegt wurde. | |
## Nicht Medizin, sondern Politik | |
„Das ist keine medizinische Frage, sondern eine politische“, zitierte | |
al-Dschasira Arafats Leibarzt Dr. Omar Dakka, der zunächst nur eine Grippe | |
diagnostiziert hatte. Dakka verweigere „auf sehr unfreundliche Weise“ heute | |
jede Aussage zum Thema, so der Vorwurf. | |
Im Westjordanland hält sich der Verdacht gegen den ein oder anderen Kopf | |
innerhalb der palästinensischen Führung, dem bisweilen schwer leidlichen | |
Chef auf seinem Weg ins Paradies unter die Arme gegriffen zu haben. | |
Fatah-Generalsekretär Faruk Kaddoumi beschuldigte offen | |
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, er habe Hand in Hand mit dem | |
zionistischen Feind den Tod seines Vorgängers herbeigeführt. | |
Das Grab des legendären PLO-Chefs soll noch heute mit allen militärischen | |
Ehren wieder verschlossen werden. Mit Ergebnissen der Untersuchungen wird | |
erst in Monaten gerechnet. | |
27 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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