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# taz.de -- Sängerin Armatrading über Motivation: „Religionsstreit ist Zeit…
> Die britische Singer-Songwriterin Joan Armatrading über Blues, J. S.
> Bachs freien Kompositionsgeist und Konzerte in Israel.
Bild: Joan Armatrading, die britische Freudebotschafterin des Blues.
taz: Joan Armatrading, einige Journalisten nennen Sie Joan „Armourplating“
– die Gepanzerte.
Joan Armatrading: Armourplated – die Gepanzerte. Ja. Ganz am Anfang meiner
Karriere habe ich den Fehler gemacht, einem Journalisten von meinem
Spitznamen aus Schulzeiten zu erzählen. Kinder spielen mit Namen – ich
heiße Armatrading und es wurde halt Armourplated daraus. Das habe ich
jemand erzählt, und der hat so getan, als hätte er dieses Wortspiel selbst
erfunden. Na ja.
Ihr Privatleben verteidigen Sie jedenfalls seit 40 Jahren sehr eisern.
Aber nur, weil ich wirklich so bin – ich lebe sehr zurückgezogen und das
gefällt mir. Ich bin kein Partymensch, trinke nicht und rauche nicht.
Man sagt, der Blues hat zwei Kinder: Rock and Jazz. Wollten Sie mit ihrer
Albumtrilogie die Geschichte der Popmusik auf Armatrading-Art erzählen?
Der Blues ist die Mutter der Musik. Aber mich interessiert jede Art von
Musik. Ich bin eine eklektische Komponistin. Ich verwende Blues, Jazz, Pop,
Soul, Country, Reggae mag ich auch. Früher habe ich alle Genres gemischt
und auf ein Album gepackt. Ich wollte mich disziplinieren, wollte
ausprobieren, strikt in einem Genre zu bleiben. Die drei Großen im Ring
sind nun mal Blues, Rock und Jazz, die eben miteinander verheiratet sind.
Sie sprechen oft von der Freude im Blues. Freude? Ursprünglich kommt der
Blues ja aus der Diaspora in Westafrika.
Die Sklaven haben ihn mitgebracht, so wird’s jedenfalls erzählt.
Ging es Ihnen um diese Geschichte, als Sie „Into the Blues“ geschrieben
haben?
Nein, überhaupt nicht. Geschichtsstunden zu geben, interessiert mich nicht.
Ich möchte Songs schreiben, die Leute zum Lachen, zum Weinen oder zum
Tanzen bringen. Das will ich, mehr nicht.
Einige Musiker sagen, der Blues sei die einzige wirklich universelle Musik.
Wenn ich in Japan singe, dann verstehen viele nicht unbedingt meine Texte,
aber sie singen die Worte mit, sie antworten auf das Gefühl in den Songs,
berühren sich, nehmen sich in den Arm und sagen: Oh, jetzt singt sie dieses
Lied! „Willow“. Mein Kind heißt so – wegen dieser Musik. Es stimmt, die
Leute lieben den Blues. Aber eigentlich reden wir über das, was Musik
einfach kann, jede Musik: das Herz erreichen, Gefühle ans Licht bringen.
Wenn die Musik dich zum Weinen bringen soll, dann wirst du weinen. Ganz
einfach.
Sie mögen auch Beethoven, Purcell, Mahler …
Und Bach!
Bach berührt Menschen seit Jahrhunderten. Gleichzeitig sind seine
Kompositionen sehr komplizierte, mathematisch durchdachte Gebilde.
Für mich ist Bach – ein freier Geist. Ich sehe ihn nicht als Mathematiker,
sondern als jemanden, der an seinem Instrument sitzt und denkt: Ich will
etwas in Gang setzen mit meiner Musik. Ich sehe Bach, wie er die Augen fast
schließt und denkt: Ich werde jetzt meine Hand auf diese Töne legen und mal
sehen, was passiert. Seine Musik ist unglaublich bewegend! Ich glaube, er
hat seine Musik aus seinen Instinkten heraus entwickelt – und dann haben
die Leute gedacht: Oh, das ist ja fantastisch! Wie er die Struktur der
Musik verändert! Diese Struktur konnte entstehen, weil sein Geist so frei
war. Ich sage das, weil ich weiß, wie es ist, zu komponieren. Die Schönheit
liegt darin, sich führen zu lassen, zu neuen Melodien, neuen Rhythmen.
Manchmal landet man auf ganz anderen Tasten als man wollte.
Bach war ein sehr spiritueller Mensch. Glauben Sie, dass nicht nur einzelne
Töne, dass die ganze Musik eigentlich schon da draußen ist – und nur auf
Komponisten wartet, die sie endlich aufschreiben?
Absolut. Ich denke immer: Ich bin geboren, um zu komponieren, zu schreiben.
Ich habe nie gedacht: Oh, ich möchte irgendwann mal schreiben. Eines
Morgens bin ich wach geworden und habe komponiert. Deshalb bin ich auf der
Welt. Der Song selbst sagt mir, wo er hin will. The song is king. Man muss
nur zuhören können …
Der Song „Oya“ von Ihrem Album „This charming Life“ behandelt die Gött…
der Veränderung. In der Religion der Yoruba ist „Oya“ der Name der Göttin
der Transformation. Haben Sie daran gedacht, als Sie das Lied geschrieben
haben?
Nein. Das habe ich nachgeschlagen. Es musste ja eine Göttin der Veränderung
geben. Auf der Welt gibt’s für alles eine Göttin …
Sind Sie ein spiritueller Mensch, sind Sie religiös?
Ja. In meinem Song „Mama and Papa“ singe ich von meinen Eltern, und meine
Mutter war unglaublich religiös. Das hat sich auf mich übertragen.
Christlich religiös?
Ja. Ich glaube, dass es etwas gibt, das auf mich aufpasst. Das ist
eigentlich ein schöner Gedanke!
Wenn man sich die Welt so ansieht, könnte man denken, die Götter müssen
verrückt sein. Die Grundfrage ist, ob es etwas gibt, das größer ist als wir
Menschen, egal, wie wir das nun nennen.
Jeder Mensch hat eine andere Haltung zur Religion. Wir haben aber auch alle
ein Bedürfnis nach etwas, das uns aufrechterhält. Auch Atheisten haben
etwas, auf das sie sich stützen – und wenn’s die Menschen sind … Oder
irgendwas anderes an das sie glauben.
Warum wächst in allen monotheistischen Religionen wieder die Bereitschaft,
den Glauben anderer Menschen gewalttätig anzugreifen?
Das werde ich nicht kommentieren. Ich werde niemandem sagen, wie sie ihr
religiöses Leben führen sollen. Das entscheidet jeder für sich selbst. Über
Religion zu reden, über Religion zu streiten, ist komplette
Zeitverschwendung. Es ist sinnlos, weil hier niemand etwas beweisen kann.
Das ist einfach unmöglich. Und deshalb halte ich mich da raus.
Sie haben schon mehrmals Konzerte in Israel gegeben, dafür wurden Sie
heftig kritisiert.
Ich bin seit Anbeginn meiner Karriere in Israel aufgetreten, seit den
Siebzigern. Und wenn man mich nach Palästina einladen würde, würde ich auch
dort spielen.
Sie würden also auftreten, wenn eine Einladung käme?
Selbstverständlich!
Wie stehen Sie der Idee eines Friedenskonzerts gegenüber?
Alle Konzerte, die ich gespielt habe, waren Joan-Armatrading-Konzerte,
keine Friedenskonzerte. Das ist das Schöne daran, wenn man Künstlerin ist.
Was ich mache als Künstlerin sollte nicht politisiert werden. Es geht nicht
um Politik, es geht darum, künstlerisch zu arbeiten – für die Menschen, die
meine Musik hören wollen. Egal, wo sie leben.
Glauben Sie, dass man ein Friedenskonzert auch instrumentalisieren kann, so
wie Musikfans, Künstler, vielleicht sogar die Musik an sich?
Es gibt Zeiten, in denen Friedenskonzerte nötig sind, und es gibt Zeiten,
an denen ich ganz normale Konzerte spiele. Ich verdamme weder die eine,
noch unterstütze ich die andere Seite. Ich bin Künstlerin und ich spiele
meine Musik für alle, die sie hören wollen. Nicht mehr und nicht weniger.
2 Dec 2012
## AUTOREN
Gaby Sohl
## TAGS
Blues
Israel
Feminismus
Mainstream
Religion
Autobiografie
Folk
Pop
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