# taz.de -- Neues Album Scott Walker: Das wird böse enden | |
> Der kalifornische Sonderling Scott Walker veröffentlicht mit „Bish Bosch“ | |
> ein neues Album. Nach wie vor verwendet er Elemente des gregorianischen | |
> Gesangs. | |
Bild: Szene aus dem zehnminütigen Video der ersten Albumauskopplung „Epizoot… | |
Schieben wir es auf Pater Altham Dean. Der Geistliche nahm Scott Walker | |
unter seine Fittiche, als sich der kalifornische Popstar am 3. Dezember | |
1966 ins Kloster Quarr Abbey auf der Ilse of Wight begab. Aus freien | |
Stücken, wie Walker angibt. Religion sei nicht ausschlaggebendes Motiv | |
gewesen, sondern einzig und allein das Erlernen des gregorianischen | |
Gesangs, wie ihn der Pater lehrte. | |
Hinter den Klostermauern soll Walker wie besessen an seiner Atem- und | |
Phrasierungstechnik gearbeitet haben. Natürlich war Walker damals auch vor | |
seinem Image als Teenpopstar geflohen, der hysterisches Kreischen von Fans, | |
sogar tätliche Übergriffe auslöste, wo immer er in den sechziger Jahren in | |
Großbritannien aufgetreten war. | |
Von diesem Image befreite sich Scott Walker auf umständliche, künstlerisch | |
beeindruckende, aber kommerziell zerstörende Weise. Inzwischen lebt der | |
69-Jährige zurückgezogen in London und veröffentlicht ungefähr einmal im | |
Jahrzehnt Musik. Nach wie vor verwendet er Elemente des gregorianischen | |
Gesangs. | |
Walkers Baritonstimme vermag noch immer die Luft zu zerschneiden. „Shit | |
might pretzel Christ’s intestines“, presst sie gleich im Auftaktsong von | |
„Bish Bosch“ hervor, seinem neuen, mehr als einstündigen Opus, der aus neun | |
Songs besteht. Walkers Stimme thront über isolierter Percussion und | |
pompöser melodiöser Begleitung einer Band und eines Orchesters. | |
## Ästhetik und Grusel | |
Zusammengenommen ergibt sich aus Musik und Texten das Hörbild einer | |
Ästhetik des Schreckens. Scott-Walker-Alben sind vergleichbar mit | |
Stanley-Kubrick-Filmen, aufwendig produzierte Gesamtkunstwerke, deren | |
Grusel erst als Director’s Cut Sinn ergibt. Die Musik brodelt in einem | |
Kochtopf, aus dem Walkers nasale Stimme wie heißer Dampf entweicht. | |
Auf „Bish Bosch“ zaubert Scott Walker ein Bestiarium des Verfalls, | |
überzeichnet Exkremente und Eingeweide drastisch, einem Comic ähnlich. | |
Diktatoren spielen unrühmliche Rollen: In „The Day the Conductor died“ | |
lässt Walker Nicolae Ceausescu sagen „I enjoy being bound by obligations“. | |
Unorte scheinen einen besonderen Reiz auf Walker auszustrahlen. | |
Sterzing, bis in die achtziger Jahre ein Schlupfwinkel von Altnazis, | |
durchtrudelt das Song-Ich von „Corps de Blah“ wie Blut, das durch blaue | |
Adern fließt. „Ich bin Pessimist, ich glaube, es wird böse enden, deshalb | |
sind meine Songs tief drinnen spirituell.“ | |
17 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
## TAGS | |
Religion | |
Blues | |
Punk | |
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