| # taz.de -- Autobiografie von Neil Young: Koks und Kinder | |
| > Neil Young legt mit 67 Jahren seine Lebenserinnerungen vor. Interessant | |
| > daran ist, was an unangenehmen Erfahrungen ausgeblendet bleibt. | |
| Bild: Treu sorgender Vater, durchgeknallter Musiker: Neil Young ist ambivalent. | |
| Never trust a Hippie. Wer immer diese Maxime während der Punkära prägte, | |
| gewiss war Neil Young hierfür der Maßstab. Denn das Interessante an der | |
| Autobiografie des kanadischen Rockstars ist, was an unangenehmen | |
| Erfahrungen ausgeblendet bleibt. Youngs Bekanntschaft mit Charles Manson | |
| etwa, der 1969 mit einer Sekte kahlgeschorener Frauen und Männer die | |
| schwangere Schauspielerin Sharon Tate in Hollywood ermordete. | |
| Young verkehrte damals mit Manson, er schlug seiner Plattenfirma vor, | |
| dessen Songs zu veröffentlichen. Kein Wort darüber in „Ein Hippie-Traum“. | |
| Statt der Alpträume, der ins Wahnhafte umgeschlagenen Ideale von | |
| Flower-Power und Summer of Love, fokussiert Young lieber auf die | |
| Sonnenseiten seiner Karriere. Mehr als 30 zum Teil äußerst erfolgreiche | |
| Soloalben sowie Werke mit den Bands Buffalo Springfield, Crosby, Stills, | |
| Nash & Young und Crazy Horse sind auf seinem Konto verbucht. | |
| Von Schicksalsschlägen blieb auch Young nicht verschont. Zwei seiner Kinder | |
| kamen behindert zur Welt, Beziehungen zu Frauen gingen in die Brüche. | |
| Musikerfreunde und Weggefährten starben an Drogen- und Alkoholsucht. Youngs | |
| Verhältnis zu Suchtgiften bleibt ambivalent – auf seinem neuen Album | |
| „Psychedelic Pill“ glorifiziert er LSD. Auf den Seiten von „Ein | |
| Hippie-Traum“ behauptet er hingegen, keine Drogen mehr zu nehmen. | |
| Diese Ambivalenz zieht sich durch viele Lebenslagen. Der treu sorgende | |
| Vater: Youngs Versuch, das Leben der Kinder so sorglos wie möglich zu | |
| gestalten, beschreibt er angesichts des Gesundheitssystems in seiner | |
| Wahlheimat als Hindernisrennen. Der durchgeknallte Musiker: nächtelang | |
| koksend und hernach am Steuer seines Autos Polizisten bei | |
| Verkehrskontrollen verarschend. | |
| ## Unverbesserlicher Optimismus | |
| Und doch, Young, als kleiner Junge an Kinderlähmung erkrankt und mit 20 von | |
| epileptischen Anfällen geplagt, macht deutlich, wie sehr er am Leben hängt. | |
| Als Schutzschild vor dem Unglück, das ihm widerfuhr, trägt er | |
| unverbesserlichen Optimismus vor sich her. Young ist von einer „can | |
| do“-Weltsicht geprägt. Zusammen mit Ingenieuren entwickelt er seit Jahren | |
| ein Elektroauto, um damit Unabhängigkeit vom Öl zu demonstrieren und Liebe | |
| zur Natur. | |
| Am flüssigsten liest sich „Ein Hippie-Traum“ freilich, wenn Young die | |
| Routen eines Drifters beschreibt, der – wie ein Wiesel im Unterholz – | |
| rastlos unterwegs ist, um Songs aufzunehmen und neue Gegenden | |
| kennenzulernen. Obschon leidenschaftlicher Musiker, wirkt Neil Young nicht | |
| betriebsblind. Für die Welt des Films hat er genauso viel übrig wie für die | |
| Musik. | |
| Darüber hinaus schildert er die exzentrischen Seiten eines Rockerdaseins, | |
| das es heutzutage, von der Phase der Selbstfindung bis zur Altersweisheit, | |
| so nicht mehr gibt. Neil Young war und ist von Folkmusik geprägt, er suchte | |
| und fand sich im Blues, im Country und im Rock ’n’ Roll und durchwanderte | |
| ihre Reiche, um selbst eine Art akustischen Western zu erschaffen. | |
| ## Modelleisenbahn und Cranberry-Saft | |
| Das ist die angenehme Seite seines Schaffens. Die befremdliche zeigt einen | |
| 67-Jährigen, der seiner Modelleisenbahn-Leidenschaft wie ein Schuljunge | |
| frönt. Der den Genuss von Cranberry-Saft propagiert und Tausende Meilen | |
| zurücklegt, nur um Ersatzteile für seine Oldtimer-Autos zu beschaffen. | |
| Ins Deutsche übertragen wurde „Ein Hippie-Traum“ von drei Übersetzern. Man | |
| merkt ihrer nicht fehlerlosen Übersetzung stilistische Schwankungen an. | |
| ## "Ein Hippie-Traum". Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs u. a. KiWi | |
| Verlag, Köln 2012, 476 S., 22,99 Euro | |
| 23 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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