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# taz.de -- Überwachung von Ex-Häftlingen: Ein Gesetz muss her
> Aus der Sicherungsverwahrung entlassene Straftäter werden oft weiter
> überwacht. Doch das Verfassungsgericht warnt: ohne ein entsprechendes
> Gesetz sei das illegal.
Bild: Ein Polizeiauto steht bei dem klagenden Ex-Sicherungsverwahrten immer vor…
KARLSRUHE dpa | Das Bundesverfassungsgericht mahnt eine gesetzliche
Grundlage für die Dauerüberwachung ehemaliger Sicherungsverwahrter an.
Ansonsten nehme der Gesetzgeber in Kauf, dass solche Maßnahmen künftig für
rechtswidrig erklärt würden, warnt das Gericht in einer am Dienstag
veröffentlichten Entscheidung. Nur für eine Übergangszeit sei es in
Ordnung, wenn sich die Polizei auf allgemeine gesetzliche Regelungen
stütze. Außerdem müsse nach einiger Zeit neu begutachtet werden, ob von dem
Entlassenen noch eine Gefahr ausgehe (Az. 1 BvR 22/12).
Die Richter gaben der Beschwerde eines ehemaligen Sicherungsverwahrten aus
Freiburg (Baden-Württemberg) statt. Das Verwaltungsgericht muss nun erneut
über die Observation entscheiden.
2009 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
entschieden, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung
über die zuvor geltende Zehn-Jahres-Grenze hinaus gegen die
Menschenrechtskonvention verstößt. Daraufhin hatten die Gerichte die
Freilassung zahlreicher Gewalt- und Sexualverbrecher angeordnet, obwohl sie
weiterhin als gefährlich galten. Die Polizeibehörden reagierten darauf zum
Teil mit der Dauerbeobachtung.
Im konkreten Fall wird der wegen zwei Vergewaltigungen verurteilte Mann
seit seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im September 2010
ununterbrochen von der Polizei überwacht. Vor seinem Haus parkt ständig ein
Polizeifahrzeug mit drei Beamten. Zwei weitere Beamte halten sich in der
Küche seiner Unterkunft auf, wenn er in seinem Zimmer ist. Außerhalb seiner
Wohnung wird er ständig begleitet; wenn er Kontakt zu Frauen aufnimmt,
weisen die Polizisten sie auf den Grund der Observation hin.
## Polizisten auf Schritt und Tritt
Diese Maßnahmen stellten einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, so
die Verfassungsrichter. Dem Beschwerdeführer werde „durch die fast
lückenlose Präsenz der ihn außerhalb seines Zimmers bewachenden Polizisten
die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben zu
führen, weitgehend genommen“.
Die Richter äußern deutliche Zweifel, ob die allgemeinen Regeln des
Polizeigesetzes als Grundlage dafür auf Dauer ausreichen. Es handele sich
wohl um eine neue Form einer polizeilichen Maßnahme, die „aufgrund ihrer
weitreichenden Folgen möglicherweise einer ausdrücklichen, detaillierten
Ermächtigungsgrundlage bedarf“, so die Richter. Andernfalls riskiere der
Gesetzgeber, „dass solche Maßnahmen (...) auf Dauer als von der geltenden
Rechtslage nicht als gedeckt angesehen werden“.
Außerdem dürfe die Entscheidung über die Beobachtung nicht auf Dauer auf
ein psychiatrisches Gutachten gestützt werden, das vor der Entlassung
gefertigt wurde. „Der Gutachter konnte allenfalls vermuten, wie der
Beschwerdeführer sich nach Jahrzehnten der Haft und der
Sicherungsverwahrung in Freiheit verhalten würde“, erklärten die Richter.
„Etwaige neuere Entwicklungen in der Persönlichkeitsstruktur des
Beschwerdeführers“ müssten berücksichtigt werden.
4 Dec 2012
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