| # taz.de -- Deutsch-israelische Schulbuchkommission: Stereotype überwinden | |
| > Die deutsch-israelische Schulbuchkommission tagte erstmals in Berlin. | |
| > Gegenseitige Vorurteile sollen schon in der Schule überwunden werden. | |
| Bild: Stereotype überwinden. | |
| Der israelische Premierminister Ben Gurion soll als 70-Jähriger zu Nahum | |
| Goldmann gesagt haben, er glaube, dass er selbst in Israel begraben werde. | |
| Bei seinem Sohn aber sei er sich nicht sicher. Goldmann war entsetzt, | |
| schließlich habe Gott dem Volk Israel das Land gegeben. Ben Gurion aber | |
| fürchtete, die Araber würden Israel nicht akzeptieren: Weder sei dieser | |
| Gott ihrer, noch hätten sie etwas mit dem Holocaust zu tun. | |
| Mit dieser Anekdote begann der Historiker Dan Diner seinen Vortrag im | |
| Auswärtigen Amt in Berlin. Die erste Konferenz der deutsch-israelischen | |
| Schulbuchkommission tagte am Montag und am Dienstag unter dem Motto | |
| „Differenz übersetzen“ zu Verständigungsschwierigkeiten zwischen | |
| Deutschland und Israel. Schnell wurde klar: Auch innerhalb der Staaten ist | |
| es schwer, sich über Konzepte von Nation, Demokratie oder Rechtsstaat zu | |
| einigen. | |
| 2010 hatten die jeweiligen Regierungen die Kommission ins Leben gerufen, um | |
| Israel- und Deutschlandbilder in Lehrbüchern der Geschichte, Geografie und | |
| Sozialkunde unter die Lupe zu nehmen. Für die Wissenschaftler steht deren | |
| Einfluss außer Frage. „Stereotype Positionen haben weitreichende | |
| psychologische Folgen“, sagt Arie Kizel aus der israelischen Sektion der | |
| Schulbuchkommission. Nun stellte die Kommission einen Zwischenbericht vor. | |
| In 415 deutschen Schulbüchern kam Israel demnach fast ausschließlich im | |
| Kontext des Nahostkonflikts vor. | |
| ## Israel ohne Gewalt | |
| Die Geschichte Israels werde auf den israelisch-palästinensischen Konflikt | |
| heruntergebrochen. „Israel als pluralistische Demokratie, als | |
| Einwanderungsgesellschaft: Das alles fehlt“, urteilte Dirk Sadowski, Leiter | |
| der deutschen Sektion. Deutlich wird dies in der Ikonografie: Fast alle | |
| Bilder zeigen Gewalt. „David-gegen-Goliath-Narrativ“ nennt Sadowski die | |
| emotionalisierende antagonistische Darstellung von israelischem Militär und | |
| palästinensischen Steinewerfern. | |
| Einen wichtigen Stellenwert hat indes Deutschland in israelischen | |
| Lehrbüchern. Neben der Geschichte des Holocaust werde ein „neuer“ Staat | |
| gezeigt: eine pluralistische Demokratie. „Entgegen allen Erwartungen ist | |
| das Deutschlandbild in israelischen Schulbüchern sehr positiv“, so Kizel. | |
| Der Wissenschaftler betont, wie umkämpft Schulbücher in Israel sind – | |
| zionistische, postzionistische und antizionistische Positionen | |
| konkurrierten um die Inhalte. | |
| Beeindruckend waren Dan Diners Ausführungen. Er räumte ein, wie schwer es | |
| ihm gefallen sei, über die Legitimität Israels zu sprechen – eine Frage, | |
| die Israelis erschüttere und von außen gestellt werde. | |
| ## Mehr Kompromissfähigkeit | |
| Der Legitimitätsdiskurs in Israel basiert auf dem biblischen Motiv und dem | |
| Anspruch, der sich aus dem Holocaust ergibt. Der bleibe aber auf den Westen | |
| beschränkt und büße an Relevanz ein: „Der Sarkophag des Holocaust zeigt | |
| zunehmend Risse – unter Rückkehr der traditionellen Judenfeindschaft.“ Er | |
| gehe davon aus, dass der Nahostkonflikt deshalb so viel Aufmerksamkeit | |
| bekomme, weil Juden involviert seien. Die Zuhörer murrten. „Ich will damit | |
| sagen, dass die christlich-säkularisierte Welt Probleme mit Waffen | |
| tragenden Juden haben könnte“, legte Diner nach. | |
| Besonders wichtig war dem Historiker der innerisraelische Diskurs. Das | |
| Dilemma sind die unterschiedlichen Legitimitätshorizonte: ein Konflikt | |
| zwischen einer Bevölkerungsmehrheit, die über einen Staat verfügt, und | |
| einer arabischen Minderheit, die im Bewusstsein lebe, zur Mehrheit in der | |
| Region zu gehören. In einer globalisierten Welt wird die Synchronisation | |
| verschiedener Gedächtnisse zunehmend schwierig. | |
| Diner mahnte daher Kompromissfähigkeit an. „Die Wahrheit liegt nicht in der | |
| Mitte“, sagte er abschließend. „Wir tun jedoch gut daran, sie dort liegen | |
| zu lassen.“ Ein Vorsatz, der manchem Schulbuch auch guttäte. | |
| 5 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Sonja Vogel | |
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