# taz.de -- Abschluss der Klimakonferenz: Katastrophe knapp verhindert | |
> Minimalkompromiss: Mit einem Tag Verspätung findet die Klimakonferenz | |
> kurz vor dem Kollaps einen Abschluss. Die Verhandlungen werden | |
> entrümpelt, die Probleme vertagt. | |
Bild: Mit den Ergebnissen der Klimakonferenz nicht zufrieden: Juegnd in Doha. | |
DOHA taz | Vor zwei Jahren Bolivien, letztes Jahr Indien, diesmal Russland: | |
Wer bei der Klimakonferenz nach nächtelangen Verhandlungen den Prozess | |
immer noch blockieren will, der kommt inzwischen manchmal unter die Räder. | |
18 Stunden und 47 Minuten nach dem offiziellen Ende der | |
18.UN-Klimakonferenz in Doha knallte der Vorsitzende Abdullah bin Hamad | |
al-Attiyah im vollbesetzten Sitzungssaal des Kongresszentrums von Doha den | |
Hammer auf das Podium und verkündete: „Keine Gegenstimmen, das Paket ist so | |
beschlossen!“ | |
Im aufbrausenden Applaus der übernächtigten Delegierten meldete sich da | |
allerdings der russische Verhandlungsführer Oleg Shamanov zu Wort: „Ich | |
kann mir nicht vorstellen, dass Sie mich nicht gehört haben, Herr | |
Vorsitzender“, beschwerte er sich. „Ich habe laut genug mein Namensschild | |
auf den Tisch gestellt. Es gibt noch kein echtes Abkommen. Wir sind sehr | |
enttäuscht.“ Al-Attiyah, Vizepremier in Katar, brummte da nur noch: „Mein | |
russischer Freund, ich habe Ihre Bemerkung gehört und nehme sie zu | |
Protokoll.“ | |
In der Vollversammlung der Klimakonferenz, wo sonst der Zwang zu | |
Einstimmigkeit herrscht, wurde Russlands Ablehnung einfach übergangen. | |
Immerhin hatte die Delegation aus Moskau stundenlang die Konferenz | |
blockiert und war in langen Gesprächen von der Präsidentschaft bearbeitet | |
worden. Selbst hochrangige Verhandler gestanden hinterher, sie hätten sich | |
am Samstag Nachmittag ein Scheitern der Konferenz durchaus vorstellen | |
können. „Mit Leuten aus dem Westlern muss man tanzen, mit Leuten aus dem | |
Osten boxen“, hatte es bei al-Attiyahs Beratern bei den Verhandlungen | |
geheißen. Er hielt sich daran. | |
## Grund zur Klage | |
Dabei hatten die Russen tatsächlich Grund zur Klage. Denn das Paket, das | |
die Konferenz verabschiedete, nimmt dem Land das Recht, seine „heiße Luft“ | |
in naher Zukunft zu Geld zu machen. Russland wollte ebenso wie die Ukraine | |
und Weißrussland dafür belohnt werden, dass sie unter dem Kioto-Protokoll | |
mehr Verschmutzungszertifikate angehäuft haben als sie brauchten. Doch weil | |
sie nicht mehr beim Kioto-Protokoll mitmachen, verfallen auch die | |
Zertifikate. So sicherten die EU und ihre wenigen verbliebenen Partner die | |
„ökologische Integrität“ des Klimaschutz-Abkommens wenigstens ein bissche… | |
Das vollmundig „Doha Climate Gateway“ getaufte Paket besteht vor allem | |
darin, den Prozess der Klimaverhandlungen zu entrümpeln: Statt der bisher | |
drei parallelen Verhandlungspfade wird es nach Doha nur noch einen geben: | |
Die „Durban Plattform“, die vor einem Jahr beschlossen wurde und bis 2015 | |
zu einem umfassenden globalen Klimavertrag führen soll, der bis 2020 in | |
Kraft treten soll. | |
In Doha wurde für das Kioto-Protokoll eine zweite Verpflichtungsperiode bis | |
2020 beschlossen und der so genannte „LCA-Track“ geschlossen, auf dem seit | |
dem Ausstieg der USA aus dem Kioto-Protokoll parallel mit den Amerikanern | |
verhandelt worden war. Übrig bleiben jetzt nur noch Gespräche, bei denen | |
alle Länder an einem Tisch sitzen. Anders als im Kioto-Protokoll und dem | |
„LCA-Track“ akzeptieren alle Länder im Grundsatz, dass nicht nur die | |
Industriestaaten, sondern auch Schwellenländer wie China, Indien oder | |
Südafrika sich irgendwann zu Emissionsreduzierungen verpflichten müssen. | |
## Minimalziel erreicht | |
Die Europäer haben damit ihr Minimalziel erreicht. „Wir sind über die | |
Brücke zu einem neuen Regime im Klimaschutz gegangen“, sagte | |
EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. Alle hätten Kompromisse machen müssen | |
und es habe einen „reichen Austausch der Ideen gegeben“. Darunter fielen | |
auch die langen Gespräche mit Polen, die sich ähnlich wie Russland wegen | |
ihrer überschüssigen Zertifikate lange und hartnäckig gegen einen | |
Kompromiss gesträubt hatten. | |
Schließlich stimmten sie nach heftigen EU-internen Debatten einer Regelung | |
zu, die es Polen erlaubt, seine „heiße Luft“ in die Zukunft zu retten. | |
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) spürte „Solidarität und neue | |
Zuversicht“ unter den Kioto-Staaten. Er lobte die Verhandlungsführung der | |
Kataris, die zwischenzeitlich von vielen Seiten als zu nachgiebig | |
kritisiert worden war, und nannte die Konferenz ein „gutes Signal für den | |
Klimaschutz.“ | |
Das muss man in den verabschiedeten Texten allerdings sehr genau suchen. | |
Denn trotz aller Proteste von Umweltgruppen und trotz Altmaiers | |
Versprechen, für 30 Prozent „bis zum Schluss zu kämpfen“, blieben die | |
EU-Staaten bei ihrem mageren Versprechen, bis 2020 ihre Emissionen um 20 | |
Prozent zu reduzieren. Allerdings soll es 2014 eine Überprüfung geben, wie | |
nah die Industriestaaten beim Klimaschutz ihrem Ziel von mindestens 25 | |
Prozent weniger Emissionen bis 2020 gekommen sind. | |
## Sieben Milliarden statt 60 Milliarden | |
Statt der 60 Milliarden Dollar an Finanzhilfen, die die Entwicklungsländer | |
für die nächsten drei Jahre gefordert hatten, legten vor allem die Europäer | |
nur etwa sieben Milliarden für die nächsten ein bis zwei Jahre auf den | |
Tisch, vieles davon umgewidmete Entwicklungshilfe. Die USA hatten sich | |
wegen ihrer Haushaltsprobleme geweigert, irgendeine feste Zahl zu nennen, | |
aber versichert, sie würden weiter Hilfe leisten. | |
Weiterhin fehlt ein Plan, wie die Hilfsgelder von derzeit etwa 10 | |
Milliarden Dollar im Jahr auf die versprochenen 100 Milliarden in 2020 | |
anwachsen sollen. Die Entwicklungsländer hatten auch gefordert, die „heiße | |
Luft“ gänzlich bis 2020 zu streichen, jetzt wird sie in der EU vollständig | |
übernommen, darf allerdings nicht für den Emissionshandel eingesetzt | |
werden. Dafür wurde einer Forderung der Entwicklungsländer nachgegeben, | |
dass sich die UN in einem eigenen Arbeitsprogramm um den Schadensersatz für | |
Verluste durch den Klimawandel kümmern soll. | |
Vor und während der Konferenz hatten das UN-Umweltprogramm, die Weltbank | |
und Forschungsinstitute immer wieder gewarnt, dass die Welt bei jetzigen | |
Emissionen bis 2100 nicht auf einen Klimawandel von zwei, sondern von drei | |
bis fünf Grad zusteuert. „Zusammen müssen wir die Geschwindigkeit erhöhen, | |
die Welt braucht das jetzt mehr als zuvor“, sagte Klimakommissarin | |
Hedegaard in der Vollversammlung. Der Delegierte des Inselstaats Nauru | |
sagte es so: „Für euch geht es darum, wie gemütlich ihr lebt. Für uns, ob | |
wir leben.“ | |
9 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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