# taz.de -- Tierversuche in Bremen: Affen leiden anders | |
> Seit Jahren liegt die Bremer Uni wegen ihrer Versuche mit Makaken-Affen | |
> im Streit mit dem Senat. Nun entschied ein Gericht: Die Experimente sind | |
> okay. | |
Bild: Darf weiter mit Affen experimentieren: Neurobiologe Andreas Kreiter. | |
BREMEN taz | Das Bremer Oberverwaltungsgericht hat am Dienstag in einem | |
jahrelangen Rechtsstreit entschieden: Die zuständige Gesundheitsbehörde | |
darf die Experimente des [1][Neurobiologen Andreas Kreiter] mit | |
Makaken-Affen nicht untersagen. Die Belastung der Tiere, so das Gericht, | |
sei eine „mäßige“, die Abwägung mit den Belangen des Tierschutzes müsse | |
daher eindeutig zu Gunsten der Wissenschaft ausfallen. Eine Revision vor | |
dem Bundesverwaltungsgericht ließen die Richter nicht zu. | |
Vor vier Jahren hatte die Gesundheitsbehörde erstmals die Verlängerung der | |
Genehmigung mit Hinweis auf den 2002 zum „Staatsziel“ erhobenen Tierschutz | |
versagt. Seitdem zieht die Universität gegen den Senat vor Gericht. | |
Seit 1997 geht der Streit um die Affen. Damals deckte die Bremer taz auf, | |
dass ein Makaken-Forscher an die Bremer Universität berufen werden sollte. | |
Die große Koalition von SPD und CDU befürwortete die Berufung und stattete | |
die Universität mit den erforderlichen Mitteln für ein Makaken-Labor aus. | |
Die SPD goss ihr schlechtes Gewissen in die Einschränkung, Tierversuche | |
müssten „perspektivisch reduziert“ werden. | |
Als Kreiter 2008, zehn Jahre nach Beginn der Experimente, eine Verlängerung | |
seiner Tierversuche bei der Bremer Gesundheitsbehörde beantragte, regierte | |
eine rot-grüne Koalition. Und die hatte sich darauf verständigt, dass die | |
Tierversuche beendet werden sollten. Es hatte umfangreiche Proteste der | |
Tierschützer und eine Petition gegeben. Die Bremische Bürgerschaft | |
beschloss schließlich einstimmig ein Ende der Experimente – also auch mit | |
den Stimmen der CDU. | |
Die Bremer Universität sieht darin einen Angriff auf die | |
Wissenschaftsfreiheit. Nach dem Tierschutzgesetz müssten Forscher ihre | |
Tierversuche wissenschaftlich begründen und eine ethische Abwägung | |
vortragen, damit müsse sich die Genehmigungsbehörde zufrieden geben. Die | |
Affen litten kaum unter den Experimenten, das ist die Überzeugung des | |
Biologen Kreiter, die ethische Abwägung also kurz. | |
## Vergleich zur „freien Wildbahn“ | |
Das sehen die Tierschützer anders: Eine Metallplatte zur Befestigung der | |
Elektroden wird den Tieren ins Gehirn implantiert, während der wochenlangen | |
Experimentier-Phasen wird ihre „Kooperation“ durch Wasser-Entzug erzwungen | |
– nur wenn sie im Experiment vor dem Bildschirm mitmachen und eine Taste | |
drücken, bekommen sie einige Tröpfchen. | |
Nun steht der Tierschutz seit dem Jahre 2002 als Staatsziel im Grundgesetz. | |
Vorher, so erklärte der Tierschutz-Anwalt Wolfgang Ewer, sei die | |
Wissenschaftsfreiheit unbegrenzt gewesen. Das sei, als ob ein | |
Chemieunternehmen die Genehmigung für eine Produktionsstätte ohne weitere | |
Prüfung verlangen könne, wenn es sein Verfahren „wissenschaftlich“ begrü… | |
und dazu erkläre, dass die Belastungen der Bevölkerung ethisch vertretbar | |
seien. | |
Das sei die Rechtslage für wissenschaftliche Experimente gewesen, erklärte | |
Ewer. Nun sei aber der Tierschutz ein Kontrollkriterium mit Verfassungsrang | |
geworden – und die Exekutive als demokratische Vertretung der Bevölkerung | |
müsse dieses Tierschutz-Interesse vertreten, also auch entscheiden dürfen, | |
was als „hohe“ und was als „geringfügige Belastung“ der Tiere zu gelten | |
habe. | |
3.000 Seiten umfassen die Akten, die dem Bremer Oberlandesgericht aus dem | |
jahrelangen Rechtsstreit vorlagen, mehrere Gutachten sind bestellt worden. | |
Aber die Gutachter teilen sich in zwei Lager: jene, die selbst im Bereich | |
der [2][Makakenforschung] arbeiten, und jene, die immer wieder für | |
Tierschützer die Gegenargumente wissenschaftlich aufbereiten. Entsprechend | |
unterschiedlich fällt auch die Bewertung der Ergebnisse von Kreiters mehr | |
als zehnjähriger Makakenforschung aus: „Exzellent“, sagen die einen, „da… | |
ist nichts Nennenswertes herausgekommen“, die anderen wie der Präsident des | |
[3][Deutschen Tierschutzbundes] Wolfgang Apel. | |
Wie Tiere unter solchen Bedingungen leiden, könne man nicht objektiv | |
messen, sagen die Tierschützer. Man könne jedoch bei Tieren, die dem | |
Menschen evolutionsgeschichtlich nahe stünden, Rückschlüsse ziehen aus der | |
Weise, wie Menschen leiden. Der Hinweis, dass Makaken auch in „freier | |
Wildbahn“ über längere Zeit an Wassermangel leiden, sei kein Argument, | |
sagen die Tierschützer: Wenn es in „freier Wildbahn“ normal sei, dass eine | |
Katze eine Maus totbeiße, sei dasselbe Verhalten von Menschen trotzdem ein | |
Verstoß gegen die Ethik des Tierschutzes. | |
11 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.brain.uni-bremen.de/research/forschung.htm | |
[2] http://www.drze.de/im-blickpunkt/tierversuche-in-der-forschung/module/nicht… | |
[3] http://www.tierschutzbund.de/5055.html | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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