# taz.de -- Kolumne Blicke: Ihr Kinderlein, kommet | |
> Eine besinnliche Geschichte zum Fest. Oder warum sich Kinder doch lohnen. | |
Bild: Seltsam, hier wird die Geschichte anders erzählt: Krippe in Gotha. | |
Für das Ehepaar M. und J. war Kinderkriegen nie die Priorität Nummer eins | |
gewesen. Als junge, ineinander und ihr Vorankommen verliebte Selbständige | |
widmeten sie sich lieber dem Gedeihen ihres Designmöbelbetriebs – und wenn | |
ihnen die Arbeit doch mal freie Zeit ließ, gingen sie auf Fernreisen. Nie | |
pauschal, sondern ziemlich verrücktes Zeug, mit einem Esel durch die Wüste, | |
solche Sachen. | |
Für J. war es dann auch ein ziemlicher Schock gewesen, als M. ihm unterm | |
nächtlichen Sternenzelt eine Affäre mit dem Präsidenten der | |
Landeshandswerkskammer gestand, nichts Ernstes, ein schneller Fick halt bei | |
einer wilden Party nach einer Preisverleihung – und mit reichlich Alkohol | |
natürlich. | |
Sie erinnere sich gar nicht genau, sagte M., sie wolle aber ehrlich sein, | |
sie schäme sich nicht, sie wolle J. auch auf gar keinen Fall verlieren, | |
aber nun sei sie nun mal schwanger. Und zwar schon ganz schön nah an der | |
Niederkunft, also, äh, das Kind konnte praktisch jeden Moment kommen. | |
J. war ein sehniger und pragmatischer Typ. So ein Kind kostete eine Menge | |
Geld, es musste essen und studieren und betreut werden. Erst kürzlich hatte | |
er in einer Studie gelesen, dass Kinder immer stärker von Armut betroffen | |
seien. Den wohlhabenden und einflussreichen Präsidenten der | |
Landeshandwerkskammer praktisch ewig an sich zu binden, konnte auch so | |
manchen Vorteil haben. | |
Andererseits, da hatte es noch diese andere Studie gegeben: Das Land, in | |
dem sie lebten, war fürs Kinderkriegen immer noch extrem unattraktiv. Und | |
auch er selbst zählte sich zu der Mehrheit der in der Studie Befragten | |
zwischen 18 und 45, die nicht daran glaubten, dass sie ein Kind glücklicher | |
machen würde. In Deutschland liebten die Leute ihren Hund oder ihr Auto | |
oder ihr Niedrigenergiehaus. | |
## Alles wurde gut! | |
M. unterbrach seine stille Grübelei. „Ich glaube, ich bekomme Wehen oder | |
wie das heißt.“ Glücklicherweise waren die beiden nicht weit von einem | |
Wüsten-Resort entfernt, das mit der Rückkehr zum einfachen Leben warb. J. | |
packte M. auf den Esel, schnell hatten sie in einem alten Stall, der sehr | |
geschmackvoll zum Appartement ungebaut war, eingecheckt. | |
Auf dem Gelände des Resorts konnten sie den Esel laufen lassen, er fand | |
schnell Freunde und so kam es , dass, gerade als der Sohn des Präsidenten | |
der Landeshandwerkskammer mit einer Sturzgeburt das fein gedimmte Licht des | |
Raums erblickte, der Esel und ein Ochse zum offenen Fenster hereinschauten. | |
Und siehe: Alles wurde gut! J. und M. blieben ein Paar, der Präsident | |
überwies pünktlich den Unterhalt und tat dem Business der nun mit ihm | |
befreundeten Eltern jeden nur möglichen Gefallen. | |
Sein Sohn erwies sich als begabtes Kerlchen, mit Beginn der Pubertät | |
entwickelte er einen für diese Lebensphase nicht untypischen Größenwahn – | |
aber das würde sich schon legen. Dem war nicht ganz so, aber als er mit | |
Mitte dreißig und unverheiratet bei einem Arbeitsunfall starb, konnten die | |
Eltern immerhin noch die Lebensversicherung kassieren und auf Weltreise | |
gehen: „Kinder“, sagte J. lächelnd zu M. unter tropischen Palmen, „lohnen | |
sich eben doch!“ | |
20 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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