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# taz.de -- Hollande in ehemaliger Kolonie Algerien: Entschuldigen ist nicht dr…
> François Hollande nennt die französische Kolonie in Algerien „ungerecht
> und brutal“. Die geforderte Entschuldigung vermeidet er aber.
Bild: Freundlicher Empfang für François Hollande in Algerien
MADRID taz | Es war kein leichter Moment, den sich Frankreichs Präsident
François Hollande für seinen Besuch in Algerien ausgesucht hatte. In diesem
Jahr feierten die Algerier 50 Jahre Unabhängigkeit von Frankreich. Die
Erwartungen an den Staatsgast waren entsprechend groß.
Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika verlangte im Vorfeld des
36-stündigen Staatsbesuchs „eine offizielle Entschuldigung“ für die harte
Repression und das Leiden, das der acht Jahre andauernde Befreiungskrieg
(1954 bis 1962) über das Land gebracht hatte. Hollande blieb diese
schuldig.
Er sei nicht gekommen, „um Bedauern oder Entschuldigungen“ vorzubringen,
sondern „um die Wahrheit zu sagen über die Vergangenheit (…) aber mit dem
Willen, dass die Vergangenheit uns nicht daran hindert, für die Zukunft zu
arbeiten“, erklärte Hollande gegenüber der Presse am Mittwoch.
Dass es dennoch kein Besuch wie jeder andere war, zeigte die Delegation.
Noch nie in seiner Amtszeit ist Hollande mit so vielen Begleitern gereist.
Neun Minister und über 200 Vertreter von Politik, Wirtschaft und Kultur
folgten ihm nach Algier, wo er von jubelnden Menschen auf der Strecke vom
Flughafen in die Innenstadt empfangen wurde. In einer Umfrage sprachen sich
57 Prozent der Algerier für eine „Normalisierung“ und „beispielhafte
Beziehung“ zu Frankreich aus.
Jenseits des Mittelmeeres sehen nur 35 Prozent den Zeitpunkt für eine
Entschuldigung gekommen. 16 Prozent glauben gar, dass die Algerier bei den
ehemaligen Kolonialisten um Verzeihung bitten müssten.
## Schwieriger Balanceakt
Hollande wusste um die Schwierigkeit seines Balanceaktes, als er am
Donnerstag vor beide Kammern des algerischen Parlaments trat. Hier wurde er
deutlicher. Doch die Worte „Verzeihung“ oder „Entschuldigung“ fielen wi…
nicht. Hollande bezeichnete „das System, dem Algerien 132 Jahre lang
unterworfen war“, als „zutiefst ungerecht, brutal und zerstörerisch“.
„Die Aggressionen gegen die Bevölkerung, die Verneinung ihrer Identität und
ihrer Hoffnungen, frei zu leben“, seien durch nichts zu entschuldigen. „Ich
erkenne hier die Leiden an, die die Kolonialisierung dem algerischen Volk
zugefügt hat“, bekräftigte der französische Staatschef. Es sind die
deutlichsten Worte, die ein Präsident der ehemaligen Kolonialmacht je
gefunden hat.
Hollande hatte bereits im Oktober der Opfer der blutigen Repression gegen
eine Demonstration für die Unabhängigkeit Algeriens in Paris gedacht.
Damals, am 17. Oktober 1961, gingen dort Zehntausende von algerischen
Einwanderern friedlich in Solidarität mit der Bewegung in ihrer Heimat auf
die Straße und bekamen es, wie ihre Landsleute zu Hause auch, mit den
Waffen der französischen „Sicherheitskräfte“ zu tun. Zwischen 50 und 200
Demonstranten – die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt – kamen dabei
ums Leben.
Vor den beiden algerischen Kammern streckte Hollande den Algeriern die Hand
zu „einem Freundschaftsabkommen“ entgegen. Er versprach
Visa-Erleichterungen für algerische Studenten, regte ein Austauschprogramm
an und brachte Wirtschaftsabkommen, wie die Errichtung einer Renault-Fabrik
in Oran, unter Dach und Fach. Außerdem wurde eine engere Zusammenarbeit
gegen die klandestine Migration nach Europa und bei der Bekämpfung der
Islamisten in Algeriens Nachbarland Mali vereinbart.
Während die französische Rechte den Auftritt Hollandes in Algier
verurteilte, zeigte sich der algerische Außenminister, Mourad Medelci,
zufrieden: „Die Botschaft an die algerische Nation ist wichtig, weil es ihm
um den Kern der Vergangenheit und um die Zukunft geht.“ Doch auch in
Algerien wurde Kritik laut. Zwölf kleinere Parteien, darunter vier
islamistische, beklagten die „ablehnende Haltung der französischen
Autoritäten, die Verbrechen des kolonialen Frankreichs in Algerien
anzuerkennen, um Entschuldigung zu bitten und eine moralische oder
materielle Entschädigung anzubieten“.
20 Dec 2012
## AUTOREN
Reiner Wandler
Reiner Wandler
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Algerien
Francois Hollande
Kolonialismus
Schwerpunkt Frankreich
Hollande
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