# taz.de -- Frauenmorde in Italien: Mit dem Segen der Kirche | |
> Ein italienischer Priester rechtfertigt die häufigen Feminizide. Frauen | |
> seien selbst schuld, weil sie Männer provozierten und sich schlampig | |
> verhielten. | |
Bild: Ob solche Schuhe schon zu provozierend sind? | |
ROM taz | Am Weihnachtstag wurde Olga Ricchio, 51 Jahre alt, im ligurischen | |
Lerici von ihrem Mann erschossen. Von einem Mann, der den Entschluss seiner | |
Frau, sich von ihm zu trennen, mit Mord beantwortete. Es war das vorerst | |
letzte Delikt in einer Kette von Bluttaten – von „Feminiziden“, wie es in | |
Italien mittlerweile heißt –, die mit weit über 100 Opfern pro Jahr zur | |
traurigen Routine geworden sind. | |
Zu einer Routine, auf die ein katholischer Priester aus dem ebenfalls in | |
Ligurien gelegenen Nest Bordighera pünktlich zu Weihnachten mit einer | |
zynischen Erklärung reagierte. Einen langen Brief hängte Don Piero Corsi | |
ans Schwarze Brett vor der barocken Kirche. Der Titel: „Die Frauen und der | |
Feminizid. Sie sollten gesunde Selbstkritik üben. Wie oft provozieren sie?“ | |
Simpel ist die Argumentation: „Wie oft sehen wir Mädchen und Frauen auf der | |
Straße, die provozierende und knapp geschnittene Kleidung tragen? Wie viele | |
Seitensprünge erfolgen auf der Arbeit, im Fitness-Center oder im Kino? Sie | |
könnten darauf verzichten. Sie provozieren die niedrigsten Instinkte. Dann | |
kommt es zur Gewalt oder zum sexuellen Missbrauch.“ | |
Überhaupt sind Frauen vor allem Schlampen. „Sie verfallen der Arroganz und | |
glauben, sich selbst zu genügen, und damit steigern sie die Spannungen. | |
Kinder, die sich selbst überlassen werden, schmutzige Wohnungen, auf dem | |
Esstisch nur Fastfood-Gerichte, die Kleider dreckig. Wenn eine Familie dann | |
scheitert und es zum Verbrechen kommt, liegt die Verantwortung oft auf | |
beiden Seiten.“ | |
Die Frauen von Bordighera reagierten umgehend. Sie organisierten einen | |
Boykott der Weihnachtsmesse und riefen für Freitag zu einem Sit-in gegen | |
den Hetzpriester auf. Sein Pamphlet musste er noch Weihnachten auf Weisung | |
des örtlichen Bischofs abnehmen, einsichtig ist Don Corsi nicht. Einen | |
Radiojournalisten beschimpfte er als „Schwuchtel“, einer Journalistin | |
wünschte er, „dass Sie Opfer eines Unfalls werden“. | |
Klare Worte für den Fanatiker fand Gabriella Carnieri Moscatelli, Chef von | |
Telefono Rosa, einem Notruf für misshandelte Frauen: „Was der Priester da | |
macht, ist offene Aufstachelung zur Gewalt gegenüber Frauen und liefert | |
eine unglaubliche Rechtfertigung für kriminelle Taten“. | |
Wegen des Sturms der Entrüstung erklärte Corsi inzwischen, dass er deswegen | |
nun eine „Auszeit“ außerhalb seiner Pfarrgemeinde nehmen wolle. | |
27 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
Michael Braun | |
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