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# taz.de -- Katharina Nocun: Strikt sachlich, jung und Oberpiratin
> Katharina Nocun ist Spitzenkandidatin der Piraten in Niedersachsen. Sie
> soll dem „Markenkern der Partei“ entsprechen.
Bild: Die große Homestory will sie nicht: Katharina Nocun.
HANNOVER taz | Im Prinzip bringt Katharina Nocun alles mit, was es braucht,
um neue Frontfrau der Piraten zu werden. Nocun, die bei der
niedersächsischen Landtagswahl am 20. Januar als Spitzenkandidatin der
Piraten auf Listenplatz zwei antritt, ist themenfest, wortgewandt,
Migrantin, gleichermaßen tele- wie fotogen.
Die 26-Jährige, so glauben viele Piraten in Niedersachsen, könnte der in
Umfragen bei vier Prozent liegenden Partei nicht nur in den Landtag in
Hannover verhelfen, sie könnte auch eine neue Marina Weisband werden. Der
Posten des weiblichen Aushängeschilds der Bundespartei ist frei, seit sich
die einstige Politische Geschäftsführerin der Piraten im Frühjahr
zurückzog.
Nocun allerdings sträubt sich. Sie ist ein strikt sachlicher Typ, die große
Selbstinszenierung ist ihr fremd. Ihr Gesicht auf Plakatwänden? „Auf gar
keinen Fall“, sagt sie. Dass Spiegel Online sie zu einer der zehn
wichtigsten StrippenzieherInnen der Piraten bundesweit gekürt hat, nimmt
sie eher verwundert zur Kenntnis. Privates, Bilder vom Verlobungsring oder
Kurzgeschichten wie einst Weisband, würde Nocun nie veröffentlichen.
In ihrem Blog schreibt sie stattdessen über die „schöne Scheinheiligkeit“
im Wahlkampf, die „Inszenierung und Personalisierung von Politik“. Jeder
müsse die Grenze zum Privaten für sich selbst ziehen, sagt sie. Sie wäge
ab, „was relevant ist, was mich politisch geprägt hat.“
## Keine Homestory, bitte
So versucht Nocun eine Gratwanderung. Auf den Bauernhof im Ort Dissen nahe
Osnabrück, wo sie mit ihrem Freund und dessen Eltern lebt, lädt sie die taz
ein, zeigt die Felder, den Stall mit den Angusrindern. Zum Gespräch geht es
dann aber in eine Pizzeria. Den Verdacht einer Homestory will sie nicht
aufkommen lassen.
Erst im März ist Nocun der Partei beigetreten. Da waren die Piraten
obenauf, gerade in die ersten Landesparlamente eingezogen, die
Umfrageergebnisse zweistellig. Mittlerweile sind sie abgestürzt, im Bund
wie in Niedersachsen. Hier legen sie sich vor allem selbst lahm: Allein für
die Kür ihrer LandtagskanidatInnen brauchten sie drei Anläufe.
Einzelne Mitglieder hatten die Listenaufstellungen wegen Verfahrensfehlern
immer wieder erfolgreich angefochten. In die Medien schafften sie es
vornehmlich mit Querelen wie diesen und fragwürdigen Forderungen einzelner
Piraten, etwa der nach Staffreiheit für das Leugnen des Holocausts.
## Rechtsextreme Tendenzen bei den Piraten? Absurd
Nocun hält sich aus derlei Streitereien weitgehend heraus. Debatten um
rechtsextreme Tendenzen bei den Piraten nennt sie „absurd“. Die Partei
setze sich „auf allen Ebenen für eine Willkommenskultur ein, sonst wäre ich
als Migrantin nie beigetreten“, sagt sie, die in Polen geboren wurde und
mit drei Jahren nach Deutschland kam. Wenn die Presse über fünf Anträge für
eine bessere Migrationspolitik nicht berichte, dafür aber über die eine
einschlägige Forderung, mache sie das „nur noch traurig“.
Während viele Neu-Piraten als potenzielle Karrieristen unter argwöhnischer
Beobachtung stehen, gelang Nocun binnen weniger Monate der Durchmarsch. Als
Spitzenkandidatin ist sie unangefochten. „Katta“, wie sie genannt wird,
„verkörpert den Markenkern der Partei“, heißt es aus dem Landesverband.
Bevor sie zu den Piraten kam, hat sie sich bei Initiativen wie dem
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung oder dem Verein FoeBuD engagiert, der
den Datenschutz-Negativpreis Big Brother Award vergibt. Sie hat Politik,
Philosophie und Wirtschaftsinformatik in Münster und Hamburg studiert,
Demos gegen die Vorratsdatenspeicherung oder Studiengebühren
mitorganisiert. Mittlerweile ist sie beim
Verbraucherzentralen-Bundesverband Referentin für Kundenrechte. Derzeit hat
sie Wahlkampfurlaub.
## Die Piraten als einzig mögliche Partei
Den Wechsel in die Parteipolitik beschreibt sie als logische Konsequenz
ihrer Erfahrungen: Bürgerrechtsorganisationen seien im politischen Prozess
„strukturell benachteiligt“, etwa wenn bei Gesetzesanhörungen vier
Bürgerrechtler 40 Lobbyisten gegenübersäßen. Die Piraten seien für sie die
einzig mögliche Partei gewesen, wegen der basisdemokratischen Strukturen
und weil „Bürgerrechte hier nicht nur Verhandlungsmasse sind“.
Das sei gerade in Niedersachsen wichtig, wo sich Innenminister Uwe
Schünemann (CDU) mit Drohneneinsätzen bei Demos oder der Facebook-Fahndung
seiner Polizei „vor allem durch Grundrechteabbau“ hervortue.
Entsprechend optimistisch gibt sich Nocun: Sechs Prozent nennt sie allen
Umfragen zum Trotz als Wahlziel – und bereitet sich schon mal auf die
Abgeordnetenarbeit vor.
Die Arbeit der Fraktionen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hat
sie sich vor Ort angeschaut, die Geschäftsordnung des
Niedersachsen-Landtags untersucht sie bereits auf Mängel hin. Das mache ihr
Spaß, sagt Nocun, „wobei meine Definition davon sehr weit ist, mir macht es
auch Spaß, Anträge, Stellungnahmen zu schreiben und Gesetzestexte zu
lesen.“
28 Dec 2012
## AUTOREN
Teresa Havlicek
## TAGS
Piraten
Niedersachsen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Piratenpartei
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