# taz.de -- CCC-Kongress in Hamburg: Ethik zwischen Null und Eins | |
> Beim Kongress des Chaos Computer Clubs geht es nicht nur darum, welche | |
> Systeme sich wie hacken lassen, sondern auch darum, wann man es besser | |
> nicht tut. | |
Bild: Besucher mit Werkzeug beim CcC-Kongress. | |
HAMBURG taz | „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“ – das… | |
ein [1][Leitsatz der Hackerethik] des Chaos Computer Clubs. Schon seit der | |
Verein gegründet wurde, wissen die Mitglieder um die Macht der Computer und | |
Daten und wollten sie daher Menschen zur Verfügung stellen, statt sie von | |
Staat und Konzernen monopolisieren zu lassen. | |
Doch die einfachen Lehrsätze der Achtziger Jahre werden immer wieder aufs | |
Neue auf die Probe gestellt. So appellierte der bekannte Hacker [2][Jacob | |
Appelbaum in seiner Keynote] dafür, dass sich die Hacker nicht vom | |
Überwachungsstaat vereinnahmen lassen. Denn allzu oft stecken hinter | |
Sicherheitsfirmen Interessen der Staaten, Scheinfirmen der Geheimdienste | |
oder Dienstleister, die ihre Techniken auch in den Dienst von Diktatoren | |
stellen. Oder sie kopieren schlichtweg die Erkenntnisse von Hackern. „Wenn | |
ihr beim Überwachungsstaat mitarbeitet, helft ihr verdammt noch mal Kinder | |
zu töten“, sagt er im Hinblick auf den automatisierten Drohnenkrieg der USA | |
und die digitale Hochrüstung von Diktaturen. | |
Sollen die Hacker also brav ihre Hände in den Schoß legen und zusehen, wie | |
das Internet militarisiert wird? Nein, findet Appelbaum. Er plädiert dafür, | |
den Überwachungsstaaten etwas entgegenzusetzen wie zum Beispiel | |
Verschlüsselungstechnik, die Menschen vor den neugierigen Augen des Staates | |
schützt. Auch im Aufbau alternativer Infrastrukturen und offener Hardware | |
sieht er einen gesellschaftlichen Gegenentwurf, dem Hacker ihre Energie | |
widmen sollten. | |
## Druck erzeugt Gegendruck | |
Doch Hacker und andere Aktivisten haben in den letzten Jahren immer wieder | |
neue Methoden gefunden, sich im Kampf um die digitale Oberhoheit Gehör zu | |
verschaffen. Dazu gehören so genannte DDOS-Attacken, bei denen Server mit | |
Unmengen an Anfragen lahmgelegt werden. Gerade die Bewegung „Anonymous“ hat | |
mit immer neuen spektakulären Angriffen das Licht der Öffentlichkeit | |
gesucht. Doch dieser Widerstand hat Folgen: Mehrere Mitglieder von | |
Anonymous wurden verhaftet, mit neuen Gesetze sollen solche | |
„Hacktivismus“-Aktionen stärker verfolgt werden. | |
Sind DDOS-Attacken IT-Angriffe oder ziviler Ungehorsam? Sylvia Johnigk vom | |
Forum [3][InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche | |
Verantwortung] (FifF) sieht in ihnen einen der Wege, sich digital Gehör zu | |
verschaffen. Dass DDOS-Angriffe als Begründung für weitere staatliche | |
Einschränkungen herhalten sollen, ist ihrer Ansicht nach ein Unding. „Ich | |
finde es unverschämt, dass Leute, die zivilen Ungehorsam leisten, unter | |
diesem Begriff Cyberwar abgehandelt werden. Das hat mit Krieg nichts zu | |
tun.“, sagt Johnigk. Stattdessen müsste international ein digitales | |
Demonstrationsrecht geschaffen werden. | |
## DDOS als Zensur | |
Doch wann wird aus einer Demonstration die Unterdrückung anderer? „Eine | |
populäre Kritik an den DDOS-Attacken ist, dass sie eine Zensur darstellen“, | |
sagt Molly Sauter, die für das Center for Civic Media in den USA arbeitet. | |
Denn viele Daten-Aktivisten kämpfen dafür dass Daten fließen und eben nicht | |
für Blockaden. Ein erfolgreicher DDOS-Angriff besteht längst nicht mehr aus | |
dem Äquivalent einer Sitzblockade, bei denen Tausende einfach über ihren | |
Webbrowser eine Webseite so überlasten, dass sie schließlich nicht mehr | |
erreichbar ist. Vielmehr setzen sie auf Software, die gezielt | |
Schwachstellen in Servern ausnutzt, um einen möglichst großen Effekt zu | |
erzielen. Teilweise kommen auch kriminelle Botnetze zum Einsatz. | |
Trotzdem sieht Sauter in dem gemeinschaftlichen DDOS-Angriff immer noch | |
eine wertvolle digitale Protestform – allerdings nur, wenn er in eine ganze | |
Kampagne eingebunden ist. „Der Nutzer muss schließlich wissen, warum eine | |
Webseite nicht erreichbar ist“, sagt Sauter. Dies war zum Beispiel bei der | |
„virtuellen Sitzblockade“ [4][gegen die Lufthansa-Webseite] als Protest | |
gegen die Beteiligung der Fluglinie an Abschiebungen der Fall. Die Webseite | |
der Lufthansa wurde nicht völlig lahmgelegt – trotzdem war die öffentliche | |
Wirksamkeit enorm. | |
Doch ohne Abstimmung können diese Attacken auch gegenteilige Wirkung haben. | |
So hatte die digitale Bürgerrechtsbewegung in Polen bei den Protesten gegen | |
das internationale Abkommen ACTA schon wesentliche Unterstützung aus der | |
Politik erhalten, als Anonymous mit [5][Attacken gegen polnische Webseiten] | |
zusätzlich Druck machen wollte. Statt sich von Sachargumenten überzeugen zu | |
lassen, sahen sich die polnischen Offiziellen so dem Eindruck ausgesetzt, | |
dass sie dem Druck von digitalen Angriffe nachgeben würde. „Diese Angriffe | |
hatten also exakt den gegenteiligen Effekt“, sagt ein polnischer | |
Bürgerrechtsaktivist in Hamburg. ACTA wurde nicht wegen, sondern trotz der | |
DDOS-Attacken abgelehnt. | |
30 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ccc.de/hackerethics | |
[2] /CCC-Kongress-in-Hamburg/!108159/ | |
[3] http://www.fiff.de/ | |
[4] http://netzpolitik.org/2010/damals-ddos-als-aktionsform-fur-netzaktivisten/ | |
[5] /ACTA-Ratifizierung-ausgesetzt/!87010/ | |
## AUTOREN | |
Torsten Kleinz | |
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