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# taz.de -- Stadionbau in der Ukraine: Lemberger Leere
> 700 Millionen Euro hat die westukrainische Stadt für ein neues EM-Stadion
> und den Flughafen ausgegeben. Doch die Investitionen sind gefloppt.
Bild: Fußballfans? Fehlanzeige. Auch die Polizei ist auf der Suche.
LEMBERG taz | Wenn sich der Reisende durch den dichten Lemberger Verkehr
endlich durchgekämpft und nur noch die letzten paar hundert Meter auf der
Zielgerade bis zum Flughafen vor sich hat, kann er erleichtert aufatmen.
Nun kann nichts mehr schiefgehen: Staus gibt es auf diesem Teilstück nie,
weil hier so gut wie keine Autos fahren. Es gibt nicht so viele Gäste, die
von oder nach Lemberg fliegen. Ein halbes Jahr nach der Euro vermisst man
hier die Verkehrsmittel, für die der neue Terminal gebaut wurde: Flugzeuge.
Zum neuen Terminal biegt man nach links ab, da präsentiert sich der
langgezogene Bau in seiner ganzen gläsernen Pracht. Doch hinter den
Glastüren herrscht Leere. Von rund zwei Dutzend Schaltern sind gleichzeitig
maximal zwei offen. Alles geht ganz schnell.
Auch bei der Ankunft funktioniert alles reibungslos, am Schalter sitzen
manchmal kaum weniger Grenzer als angekommene Fluggäste, das Gepäck rollt
schon nach wenigen Minuten auf dem Laufband. Nur ein Gefühl kann der
Reisende nicht loswerden, das Gefühl der Leere.
## Touristen, Touristen
Das ist auch kein Wunder bei der Verkehrsdichte. Zwar besuchen jährlich
über eine Million Touristen Lemberg, die meisten freilich aus dem Inland.
Nur wenige kommen in die westukrainische Stadt auf dem Luftweg. Täglich
gibt es jeweils einen Flug nach München, nach Wien, nach Warschau und nach
Moskau.
Viermal die Woche kann man nach Timisoara in Rumänien fliegen, dreimal nach
Istanbul. Wizz Air ist der einzige Billigflieger, der Lemberg anfliegt. Er
hat drei Ziele im Angebot – Venedig, Mailand und Dortmund. Die einzige
Inlandsverbindung ist Kiew.
Der Flugplan wird noch mit einigen Städten in Polen und Italien sowie mit
einem Flug pro Woche nach Tel Aviv und nach Ägypten oder Dubai für
ukrainische Urlauber komplettiert. Alles in allem macht es im Durchschnitt
rund acht Flüge pro Tag. Der Spaß hat den Steuerzahler mehr als 400
Millionen Euro gekostet.
Wann der Reiseverkehr am Lemberger Flughafen intensiver wird, weiß keiner
so genau. Die Tschechen haben gerade ihre Flüge nach Prag für den Winter
eingestellt, die Billigflieger bekommen keinen Zugang zum monopolisierten
ukrainischen Markt. Die Ticketpreise sind überdurchschnittlich hoch.
Auch mit Informationen hapert es: Die Website des Flughafens läuft immer
noch im Testbetrieb mit mehreren nicht aktiven Angeboten wie
Parkplatzreservierung. Doch Parkplätze gibt es auch so genug – auch am
EM-Stadion im Süden der Stadt.
## Tagung der Zeugen Jehovas
Im Stadion finden ab und zu diverse Veranstaltungen statt – sei es die
Veteranen-WM im Gewichtheben, Kartrennen, Militärorchesterparaden,
Ärztekongresse, Automobilshows oder internationale Wirtschaftskonferenzen.
Sogar eine Tagung der Zeugen Jehovas und eine Hochzeit konnte die vor den
Toren der Stadt mitten in einer Brachlandschaft liegende Arena Lviv
beherbergen.
Das Einzige, was in dem über 300 Millionen Euro teuren Stadion nicht
stattfindet, ist Fußball. Gerade mal zwei Spiele wurden hier nach der EM
absolviert. Einmal hat sich die ukrainische Nationalelf vor dem
ausgebuchten Stadion in einem Freundschaftsspiel torlos von Tschechien
getrennt, das andere Mal hat hier der ukrainische Meister Schachtjor Donezk
den Aufsteiger Hoverla Uschhorod vor lediglich 5.000 Fans besiegt.
Der FC Karpaty aus Lemberg will seine Spiele der Premier League dagegen
weiterhin im eigenen Stadion bestreiten. Dieses liege in der Stadt, sei
viel besser erreichbar und bringe der Mannschaft mehr Glück. Das wird der
Verein, der nach der Hinrunde in der ukrainischen Meisterschaft
abstiegsgefährdet auf dem drittletzten Platz steht, auf jeden Fall
brauchen.
2 Jan 2013
## AUTOREN
Juri Durkot
## TAGS
Ukraine
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