# taz.de -- Parlamentswahlen in der Ukraine: Klitschkos Partei im Parlament | |
> Präsident Janukowitsch gewinnt die Wahlen. Die Partei des Boxers Vitali | |
> Klitschko schafft den Sprung ins Parlament. Auch die Nationalisten | |
> überwinden die Fünfprozenthürde. | |
Bild: Vitali Klitschko: Einzug ins Parlament geschafft und dennoch vom Wahlerge… | |
LEMBERG taz | Hätte ein unvorbereiteter Beobachter die Internetseite der | |
Zentralen Wahlkommission in Kiew in der Nacht nach der Parlamentswahl | |
aufgemacht, hätte er etwas Merkwürdiges festgestellt. Dort stand, dass die | |
regierende Partei der Regionen mit rund 50 Prozent der Stimmen weit vorne | |
liegt. Und das, obwohl alle Exit-Polls nach der Schließung der Wahllokale | |
etwa 30 Prozent anzeigten. | |
Am Montagmorgen hatte sich das Bild etwas geändert - nur noch 40 Prozent | |
der Wähler sollten sich für die Regierungspartei entschieden haben, am | |
frühen Nachmittag waren es bereits 34 Prozent. Die Opposition verbesserte | |
sich, die Wählerliebe zu den Kommunisten, dem Koalitionspartner in einer | |
seltsamen Allianz mit dem Großkapital, ging auf 15 Prozent etwas nach | |
unten. | |
Der Grund für die ukrainischen Zahlenspiele ist die Art der Auszählung. Man | |
fängt mit Haftanstalten und Krankenhäusern an, wo der administrative Druck | |
seine volle Wirkung entfalten kann. Danach werden wie zufällig zunächst ein | |
paar Wahlkreise ausgezählt, wo die regierende Partei besonders gut | |
abschneidet. Mit der Zeit nähert sich das Resultat dem tatsächlichen | |
Ergebnis an, wobei die Regierungspartei die Angaben der Exit-Polls in der | |
Regel leicht übertrifft. | |
Fünf Parteien werden ins Parlament einziehen, dabei hätte die Opposition | |
laut Exit-Polls auf den ersten Blick sogar leichte Vorteile gehabt. Zwar | |
gewinnt die Partei der Regionen die Wahl deutlich vor der Partei | |
„Batkiwschtschyna“ der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko | |
(22 Prozent). Doch zusammen mit der Partei UDAR des Boxprofis Vitali | |
Klitschko, die 13 Prozent erreichte, und der nationalistischen Partei | |
„Swoboda“ – sie übersprang mit 8 Prozent unerwartet klar die | |
Fünfprozenthürde – hätte die Opposition sogar die knappe Mehrheit. | |
## Sitzverteilung noch unklar | |
Doch das ist nur die Hälfte der Rechnung. Denn nur 225 der 450 Mandate | |
werden über Parteilisten verteilt, die anderen 225 Sitze gehen an | |
Direktkandidaten. Da das ukrainische Wahlsystem keine Überhangmandate | |
kennt, kann dies das Ergebnis komplett auf den Kopf stellen. | |
Nach derzeitigem Stand hat die Partei der Regionen etwa die Hälfte der | |
Direktmandate gewonnen, zusammen mit „Unabhängigen“ und Satelliten sogar | |
noch mehr, so dass ihr eine komfortable Mehrheit im Parlament sicher ist. | |
Für Wahlkreise, wo sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit leichten Vorteilen für | |
Kandidaten der Opposition abzeichnet, kann eine bewährte Taktik angewendet | |
werden. Hier werden die Stimmen besonders langsam ausgezählt, was möglichen | |
Manipulationen Tür und Tor öffnet. | |
Dabei war diese Wahl – nicht anders als jede andere Wahl in der Ukraine in | |
den vergangenen zehn Jahren auch - ein Lagerwahlkampf. Die Partei der | |
Regionen und die Kommunisten behielten in den Industriegebieten des | |
russischsprachigen Ostens und im Süden des Landes erwartungsgemäß die | |
Oberhand. Die Opposition gewann in den überwiegend ukrainischsprachigen | |
Gebieten im Westen sowie in der Zentralukraine. Auch die Hauptstadt Kiew | |
bleibt erstmals in Händen der Opposition. | |
Allerdings sorgen die frustrierten Wähler für deutliche Stimmengewinne bei | |
den Kommunisten und der nationalistischen „Swoboda“. Witali Klitschko mit | |
seiner Partei UDAR muss dagegen erst noch beweisen, dass er für die harten | |
Kämpfe ohne Regeln in der ukrainischen Politik reif ist und seine bunte | |
Mannschaft fest im Griff hat. Sonst kann er schnell vom größten | |
Hoffnungsträger zur größten Enttäuschung dieser Wahl werden. | |
29 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Juri Durkot | |
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