Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Aristoteles und Peer
> Steinbrück bleibt Steinbrück. Eine grundsätzliche Frage zum
> Bundestagswahlkampf 2013: Ist wirklich der Kandidat das Problem?
Bild: Wahlkampfführung der SPD 2013. Finde den Fehler
Kein Mensch muss Grauburgunder für fünf Euro oder gar darunter trinken.
Auch Peer Steinbrück („Eine Flasche Pinot Grigio, die nur fünf Euro kostet,
würde ich nicht kaufen“) nicht. Freiheit ist immer die Freiheit des
Anders-Trinkenden. Man kann auch fünf Euro für ein gutes Mohrenköpfle
ausgeben, kein Problem.
Möglicherweise ist eine solche Investition ja sogar mehr als Hedonismus,
nämlich ein gelebtes Bewusstsein für gutes Essen und Trinken – wobei das
„gut“ eine einigermaßen umweltbewusste Produktion und faire Löhne
beinhaltet. Dann wäre es vorbildlich für jeden Kanzlerkandidaten, nicht nur
den der SPD. Wenn etwas moralisch nicht akzeptabel sein sollte, dann wäre
das eine okay verdienende Kanzlerin, die im Supermarkt Schnäppchen auf
Kosten von miserabel bezahlten Arbeitskräften und der Umwelt abgreift.
Dass ein Kanzler im Vergleich zu wenig verdient, ist eine Ansicht, die man
teilen kann oder auch nicht. Sehr viel mehr hat Steinbrück in dieser Sache
nicht gesagt. Von Gehaltsforderungen war schon gar keine Rede. Und wenn man
ihm in Bochum 25.000 Euro für einen Vortrag gibt, obwohl Bochum kein Geld
hat, so sagt das mehr über Bochum als über Steinbrück.
Es gibt da aber ein anderes Problem. Peer Steinbrück ist
Bundestagsabgeordneter. Laut seiner Einschätzung arbeitet ein MdB fast
sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis dreizehn Stunden. Die
Frage ist also, wann Steinbrück seine vielen Vorträge gehalten hat, wenn er
auch noch geschlafen haben sollte. Entweder sein Vortragsgeschäft ging auf
Kosten seines Mandats.
## So oder so, zahlt der Bürger
Dann wäre es Betrug am Bürger. Oder die Vorträge sind Teil seiner Arbeit am
Bürger. Dann aber wäre es mit seinem Abgeordnetengehalt abgegolten und er
hätte kein Geld nehmen dürfen. Oder, drittens: Er hat seine Arbeitszeit als
Abgeordneter reduziert, weil er ja im Grunde ein Politrentner war, der nach
verlorener Wahl zum Auslaufen noch eine ruhige Hinterbankrunde drehte. Das
auf Kosten des Bürgers zu tun gilt seltsamerweise als normal.
Nicht jeder agiert so souverän wie der ehemalige Bundesaußenminister
Joschka Fischer. Der ging auch ins Vortragsgeschäft, gab aber dafür sein
Bundestagsmandat ein knappes Jahr nach Verlassen des Außenministeriums ab.
Beifall bekam er keinen. Steinbrück indes ging als Abgeordneter auf
Cash-Runde – und kam nun sogar von der Hinterbank zurück. Man hätte mit
guten Gründen zu ihm sagen können: Das geht nicht, Peer. Sagte die SPD aber
nicht.
Und nun? Man könnte als Öffentlichkeit auch sagen: Jetzt ist er nun mal
Kandidat, und nun halten wir es mit Aristoteles und befassen uns jenseits
von Charakterfragen mit der Erkundung von Politik, die tatsächlich auf
Handeln ausgerichtet ist.
Die zwei entscheidenden Fragen lauten: Ist der frühere
Mainstream-Deregulierer Steinbrück tatsächlich der entschlossene Reformer
des Finanzkapitalismus? Und was ist von dem bisherigen Braunkohlefreund zu
erwarten in Sachen nachhaltigeres Wachstum und carbonloser Gesellschaft?
Aber warum kompliziert, wenn man eine simple Charakterdebatte haben kann?
Und wer ist am meisten erschüttert? Die SPD. Wer hätte gedacht, dass
Steinbrück Steinbrück ist? Und nicht Willy Brandt? Das Problem ist nicht
Steinbrück. Die SPD hat nichts Besseres im Angebot. Und auch keine Bessere.
Das Problem der SPD ist die SPD.
4 Jan 2013
## AUTOREN
Peter Unfried
Peter Unfried
## TAGS
Wahlkampf
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
SPD
Peer Steinbrück
Öko
Energiewende
Kritik
Steinbrück
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Die eine Frage: Ein Verzicht-Öko für Leipzig
Warum sollte der Ostler einen grünen Postwachstums- Kandidaten als OB
wählen? Eine Frage an den Leipziger Grünen Felix Ekardt.
Kolumne Die eine Frage: Grüne ohne Umweltminister
Eine grundsätzliche Frage zur Bundestagswahl 2013: Warum interessiert eine
Ökopartei die Energiewende nicht?
Steinbrück gegen Regierungssitz Bonn: Ein B weniger im Briefkopf
Peer Steinbrück spricht sich gegen den doppelten Regierungssitz Berlin/Bonn
aus. Er erntet dafür Kritik und indirekte Zustimmung vom einem
SPD-Oberbürgermeister.
Steinbrück wollte Sparkassenchef werden: Kanzlerkandidat ohne Klein-Klein
Steinbrück wusste, was er sagte, als er das Gehalt der Kanzlerin mit dem
eines Sparkassendirektors verglich: Er selbst wollte 1998 Chef eines
Bankenverbands werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.