# taz.de -- Enquetekommission zu Lebensqualität: Kein Konsens über Wachstum | |
> Die Enquetekommission findet keine gemeinsame Antwort auf die Krise. Neue | |
> Wohlstandsindikatoren könnten künftig die Wachstumszahlen ergänzen. | |
Bild: Die Wirtschaft brummt. Nützt nichts, wenn Luft zum Atmen fehlt. | |
BERLIN taz | Um zu sehen, dass Wirtschaftswachstum allein kein geeigneter | |
Maßstab für die Lebensqualität ist, genügt derzeit ein Blick nach China: | |
Dort steigt das Bruttoinlandsprodukt seit Jahren kräftig – und der Smog ist | |
so stark, dass die Menschen in Peking kaum mehr vor die Tür gehen können, | |
ohne ihre Gesundheit zu gefährden. In Deutschland soll diese Erkenntnis nun | |
Konsequenzen haben: Das Bruttoinlandsprodukt, in dem das | |
Wirtschaftswachstum ausgedrückt wird, soll um weitere Faktoren ergänzt | |
werden, die etwa die soziale Entwicklung, Teilhabe oder den Zustand der | |
Umwelt abbilden. | |
Zumindest darüber sind sich die Mitglieder der Enquetekommission des | |
Bundestags zum Thema „Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität“ einig; das geht | |
aus den bisher vorliegenden Berichten hervor. Die Details sind dabei noch | |
offen. Im Gespräch sind zudem ein neues Sachverständigengremium, das die | |
Regierung als „Wohlstandsweise“ beraten könnte, und ein regelmäßiger | |
Regierungsbericht zur Entwicklung des Wohlstands. Entschieden wird über | |
solche Empfehlungen im Abschlussbericht, der im Mai vorgelegt werden soll. | |
Über das Wirtschaftswachstum als solches sind sich Regierung und Opposition | |
jedoch in weiten Teilen uneinig; das zeigte sich in der jüngsten Sitzung | |
des Gremiums am gestrigen Montag, in dem Abgeordnete und Wissenschaftler | |
gemeinsam über „Wege zu nachhaltigem Wirtschaften“ beraten sollen. Die | |
Projektgruppe, die den Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und | |
Gesellschaft analysieren sollte, konnte sich auf kein gemeinsames | |
Arbeitspapier einigen und brachte zwei Entwürfe ein; weder Regierungs- noch | |
Oppositionsfraktionen hatten zuvor eine Mehrheit bekommen – nicht alle der | |
von Union und FDP nominierten Wissenschaftler wollten den Entwurf | |
mittragen. | |
## "Wachstum ist nicht die Lösung" | |
Auch die Regierungsfraktionen räumen in ihrem Entwurf ein, dass | |
wirtschaftliches Wachstum als solches „kein Politikziel“ sei, sondern | |
lediglich ein Indikator. Weil er aber Maßstab „für ein breiter definiertes | |
Wohlstandsziel“ sei, lehnen Union und FDP eine Begrenzung oder gar den | |
Verzicht auf Wachstum entschieden ab. Dabei verweisen sie auf die | |
Notwendigkeit von Wachstum, um Staatsschulden zurückzuzahlen oder | |
Sozialleistungen auch bei veränderter Demografie bezahlen zu können. | |
SPD, Grüne und Linke gehen in ihrem Bericht hingegen von „niedrigen bis | |
stagnierenden Gesamtwachstumsraten“ aus. „Wachstum ist nicht die Lösung“, | |
sagte Ver.di-Ökonom Norbert Reuter, der große Teile des Oppositionsberichts | |
verfasst hat. Während die Koalition weiter nach höherem Wachstum strebe, | |
wolle die Opposition „Lösungen ohne Wachstum“ suchen. Um dennoch staatliche | |
Aufgaben finanzieren und den Wohlstand breiter Bevölkerungsteile erhöhen zu | |
können, setzen sie auf Umverteilung durch höhere Vermögensteuer und höhere | |
Einkommen. | |
Den Mangel an Einigkeit sieht SPD-Kommissionsmitglied Edelgard Bulmahn | |
nicht als Nachteil. „So besteht immerhin Transparenz über die verschiedenen | |
Einschätzungen“, sagte sie. | |
14 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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