# taz.de -- Grüne streiten über Schwarz-Grün: Özdemir pfeift Landeschef zur… | |
> Aufruhr bei den Grünen über Dieter Janeceks Thesen zu Bündnissen mit der | |
> CDU. Der Bundesvorsitzende spricht in Richtung Bayern ein Machtwort. | |
Bild: Schwarz an Cem Özdemir sind nur die Augenbrauen | |
BERLIN taz | Cem Özdemir ist ein Mann mit sehr guten Manieren, und | |
normalerweise pflegt der Bundesvorsitzende der Grünen einen höflichen | |
Umgang mit Parteifreunden. Doch manchmal verliert auch Özdemir die Geduld. | |
„Unserem bayerischen Landesvorsitzenden empfehle ich, sich um die | |
anstehende Landtagswahl in Bayern zu kümmern“, kommentierte er am Dienstag | |
gereizt einen Vorstoß aus Bayern. „Da gibt es wahrlich noch genug zu tun, | |
womit er ausgelastet sein sollte.“ | |
Ein Machtwort vom Chef, erboste Reaktionen auf Twitter, heftige Gegenreden | |
aus der Partei: Über mangelnde Aufmerksamkeit konnte sich Dieter Janecek am | |
Dienstag nun wirklich nicht beklagen. Das am Morgen veröffentlichte | |
Thesenpapier, das der 36-jährige Realo zusammen mit dem Politikberater | |
Nikolaus Huss geschrieben hatte, sorgte für Aufruhr in der Partei. | |
Beide plädierten darin gegen gestriges Lagerdenken und für eine Offenheit | |
zur CDU und anderen Parteien, falls es nach der Bundestagswahl nicht für | |
Rot-Grün reicht. Diese Analyse, kurz nach dem Zitter-Sieg für Rot-Grün in | |
Niedersachsen, stieß in der Bundesspitze auf blankes Unverständnis. Jetzt | |
kommt der Wahlkampf in Schwung, der Sieg ist zusammen mit der SPD auch im | |
Bund machbar, lautete die Erzählung seit dem Wahlabend. | |
## „Überflüssig wie ein ...“ | |
Özdemir erinnerte prompt an die Siegesserie in den Ländern, schließlich | |
schickten SPD und Grüne Schwarz-Gelb auch in Nordrhein-Westfalen, | |
Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg auf die Oppositionsbank. „Genau | |
das wollen wir bei der Bundestagswahl im Herbst mit der SPD wiederholen“, | |
sagte Özdemir der taz. “Das ist einfache politische Vernunft und auch das, | |
was unsere Wählerinnen und Wähler wollen.“ | |
Daran änderten auch „irgendwelche Thesenpapiere von so genannten Strategen | |
nichts, die zudem nur vom Wesentlichen ablenken: dass wir uns mit dem | |
politischen Gegner befassen“, wetterte Özdemir. Einen Seitenhieb kann man | |
solche Anspielungen schon nicht mehr nennen. Das Papier machte schnell die | |
Runde, auf Twitter hagelte es erboste Reaktionen. | |
//twitter.com/es_be_er/status/293706087205576704/photo/1:„OMG (Oh mein | |
Gott, d.R.), was soll das denn?“, twitterte etwa Fraktionsgeschäftsführer | |
Volker Beck. Und kommentierte weiter: „Überflüssig wie ein ...“ | |
Wüsste man nicht, dass die Grünen nun wirklich überhaupt nichts mit den | |
Piraten zu tun haben, könnte man sagen: Janecek traf der Shitstorm. Dieter | |
Janecek führt Bayerns Grüne seit 2008, er strebt in diesem Jahr ein | |
Bundestagsmandat an. Aus seinen Überzeugungen hat er schon vor der Wahl | |
kein Geheimnis gemacht, bereits vor gut einer Woche plädierte er in der taz | |
für Offenheit. | |
Mit dieser Verve konterkariert er eine Analyse, die sich in der | |
Parteiführung durchgesetzt hat: Jedes Antippen von Schwarz-Grün vergrault | |
Wähler. Auf seiner letzten Klausurtagung hatte der Bundesvorstand eine | |
interne Wählerbefragung des Instituts TNS Infratest auf dem Tisch. Demnach | |
geben 72 Prozent der Grünen-Anhänger an, sich eine Koalition mit der SPD zu | |
wünschen. Schwarz-Grün landet mit sehr großem Abstand auf dem zweiten | |
Platz. Nur 10 Prozent der Befragten bevorzugen dieses Bündnis. Gerade mal 2 | |
Prozent der Grünen-Wähler wollen Rot-Rot-Grün. | |
## Beschluss auf Bundesparteitag gefordert | |
Vor allem aber drohen 55 Prozent der Grünen-Anhänger damit, die Partei | |
nicht mehr zu wählen, wenn sie sich für Schwarz-Grün ausspräche. Die | |
Einsicht, dass Überlegungen, wie Janecek sie anstellt, abschreckend wirken, | |
hat sich deshalb auch bei Realos durchgesetzt, die das heimlich so ähnlich | |
sehen wie er. Entsprechend wütend fielen die Reaktionen in der Partei aus. | |
„Das ist eine Gespensterdebatte“, sagte Daniel Köbler, Fraktionschef in | |
Rheinland-Pfalz. „Würden wir Janeceks Weg folgen, verkämen die Grünen zur | |
reinen Funktionspartei, also zur zweiten FDP.“ Parteiratsmitglied Rasmus | |
Andresen sagte: „Es gibt keinerlei Fakten, die Janeceks Thesen stützen | |
würden.“ Und Nordrhein-Westfalens Landeschef Sven Lehmann kritisierte: „Das | |
fällt in die Kategorie: Thesenpapiere, die die Welt nicht braucht.“ | |
Natürlich würden die Grünen im Fall des Falles auch mit anderen Parteien | |
reden als mit der SPD, sagte Lehmann. Aber die Wähler könnten sich darauf | |
verlassen, dass Grüne ihre Inhalte nicht verraten würden. „Genau das | |
müssten wir in einer Koalition mit der Union aber tun.“ In der Partei griff | |
die Furcht vor einer Dauerdebatte über Machtoptionen um sich. | |
Und es wurden Forderungen laut, Schwarz-Grün per Parteibeschluss | |
auszuschließen. „Wir müssen die Schwarz-Grün-Debatte offen führen. Und sie | |
dann konsequent beenden“, sagte der Chef des Berliner Landesverbands Daniel | |
Wesener. „Das geht zum Beispiel mit einem Beschluss auf einem | |
Bundesparteitag oder auf einem Länderrat.“ Sonst, argumentierte Wesener | |
weiter, würden „Irrealos wie Janecek“ den Streit immer neu entfachen. | |
22 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Ulrich Schulte | |
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