# taz.de -- Alles neu in Niedersachsen: Verlierer verweigern Fairness | |
> Schon an Tag drei nach der Niedersachsen-Wahl droht Rot-Grün Ärger: | |
> Freiwilligen Stimmverzicht will die schwarz-gelbe Opposition nicht, | |
> sollte ein Abgeordneter der Ein-Stimmen-Mehrheits-Regierung fehlen. | |
Bild: Werden ihren Abgeordneten wohl das Schwänzen verbieten: Anja Piel (Grün… | |
HANNOVER taz | Rot-Grün bereitet in Niedersachsen noch die | |
Koalitionsverhandlungen vor, da machen CDU und FDP als neue Opposition | |
schon die erste Kampfansage: Ein so genanntes Pairing-Abkommen komme nicht | |
in Frage, wie sie am Mittwoch erklärten. Im neuen Landtag wollen SPD und | |
Grüne mit nur einer Stimme Mehrheit regieren. Fehlt bei Abstimmungen ein | |
Abgeordneter von Rot-Grün, wird Schwarz-Gelb nicht freiwillig auf eine | |
Stimme verzichten. Das ist beim Pairing aus Fairnessgründen üblich, um das | |
Kräfteverhältnis zu wahren. | |
Er sei „gespannt“, ob SPD und Grüne ihre entscheidende eine Stimme künftig | |
„immer an Bord haben werden“, kündigt der CDU-Fraktionschef Björn Thümler | |
bereits an. „Im Landtag gelten die normalen demokratischen Mehrheiten“, | |
erklärt FDP-Parlamentsgeschäftsführer Christian Grascha. Er sei sich | |
sicher, dass Rot-Grün sich bei umgekehrtem Wahlausgang ebenfalls nicht auf | |
ein Pairing eingelassen hätte. | |
„Stillos“ nennt Grünen-Vize-Fraktionschef Christian Meyer die Ankündigung. | |
Schwarz-Gelb präsentiere sich als schlechter Verlierer. „Das ist weder | |
souverän noch wird es Erfolg haben.“ Johanne Moder, die neue | |
SPD-Fraktionschefin, gibt sich gelassen: Die Ansage setze in erster Linie | |
die Abgeordneten von Schwarz-Gelb „massiv unter Druck“ – schließlich | |
müssten auch die ohne Pairing stets an Sitzungen teilnehmen. Es werde sich | |
zeigen, „wie nachhaltig das unter dem Eindruck der Sitzungsroutine ist“. | |
Zu welch hohem Druck die strikte Anwesenheitspflicht führen kann, hat sich | |
in Hannover schon 1986 gezeigt: Da verweigerte der damalige | |
SPD-Oppositionsführer Gerhard Schröder das Pairing konsequent – mit dem | |
Hubschrauber wurde ein kranker CDU-Abgeordneter eingeflogen, um an der | |
richtigen Stelle die Hand zu heben. | |
Auch inhaltlich steht Rot-Grün schon an Tag drei nach der Wahl unter Druck: | |
In Hannover forderte Greenpeace mit einer Demonstration, dass SPD und Grüne | |
ihre Wahlversprechen einhalten – und Gorleben im Koalitionsvertrag als | |
Atommüllendlager ausschließen. Die neue Opposition meldete sich mit | |
Warnungen, Niedersachsen könnte aus dem Gigaliner-Feldversuch aussteigen. | |
Vor der Wahl hatten SPD und Grüne gefordert, dass sich Niedersachsen aus | |
den Tests mit mit Riesen-LKWs auf Autobahnen zurückzieht. | |
Der künftige SPD-Ministerpräsident Stephan Weil dagegen habe noch vor | |
Monaten erklärt, er sehe in den Tests auch eine Chance, das | |
Transportaufkommen der Zukunft zu bewältigen, mahnt jetzt Niedersachsens | |
Verkehrsgewerbeverband an. Wie man nun als Regierung dazu steht, wird | |
auszuhandeln sein: Noch diese Woche beginnen SPD und Grüne die | |
Sondierungsgespräche auf Fachebene. Die erste offizielle Koalitionsrunde | |
ist für den 1. Februar angesetzt. | |
Konfliktpotenzial birgt dabei auch die Verkehrspolitik: Die SPD ist offen | |
für Autobahn-Neubauten und hat sich für umstrittene Projekte wie die A 39 | |
zwischen Wolfsburg und Lüneburg sowie die Küstenautobahn A 20 | |
ausgesprochen. Die Grünen lehnen beide Projekte seit jeher ab. Auch bei der | |
Aufteilung der Ministerien braucht es Verhandlungsgeschick: Drei Ressorts | |
dürften den Grünen zustehen, die bei der Wahl fast 14 Prozent der Stimmen | |
eingefahren haben. Dass sie das Umweltministerium bekommen, gilt als | |
ausgemacht. Daneben sind Kultus und Soziales im Gespräch – doch auch am | |
Agrarressort haben Grüne Interesse. Das aber will Weil zu einem Ministerium | |
für Europa, regionale Entwicklung und Landwirtschaft umbauen. | |
Zugleich betonen beide Parteien, erst über Inhalte, dann die Ressorts und | |
zuletzt konkrete Personalien verhandeln zu wollen. Bis zum Ende der | |
Verhandlungen wollen die Grünen auch in ihrer Landtagsfraktion keine | |
Personalien festlegen: Erst dann wird ein neuer Vorstand gewählt. Die neue | |
SPD-Fraktion dagegen hat das bereits in ihrer ersten Sitzung am Dienstag | |
gemacht. | |
23 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
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