# taz.de -- Kolumne Back on the Scene: Die spinnen, die Homosexualisten | |
> Propaganda für Homosexualismus ist in Russland jetzt strafbar. Und in | |
> Berlin werden Orgien gefeiert. Nts-nts-nts. Stampf-stampf-stampf. | |
Bild: Keine Orgien, aber Protest gegen absurde Gesetze: Regenbogenflagge in St.… | |
Aus russischer Sicht war mein Freitagabend homosexualistischen Umtrieben | |
gewidmet – ein neuer Ismus, den man sich wirklich für den aktiven | |
Wortschatz vormerken muss: Homosexualismus, die „Propaganda“ für einen | |
solchen ist in Russland jetzt strafbar. Hierzulande will man öffentliches | |
Reden über Homosexualität schon gar nicht mehr hören, und während in Polen | |
gerade die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom Parlament abgelehnt wurde, | |
lasse ich mich schon wieder scheiden. | |
In der Tat ging es bei mir am Freitagabend fast schon kriminell orthodox | |
zu. Nach einem Gin Tonic in einer Sichtbeton-LGBTI-Bar in Berlin-Kreuzberg | |
besuchte ich mit einem Freund eine Homosexuellen-Orgie, bei der man weite | |
Teile seiner Kleidung in Müllsäcke verpackt an der Garderobe abgibt und mit | |
Filzschreiber eine Konsumentennummer auf den rechten Oberarm geschrieben | |
bekommt. | |
Dort sprachen wir am Tresen, Wodka-Energy-Drinks zu uns nehmend und | |
halbnackt, ausschließlich über Unwesentliches. Allzu viel Zeit hatten wir | |
ja auch nicht, denn für die Orgie in einer Sonderabteilung des derzeitigen | |
Petersdoms der internationalen Jugendkultur waren maximal eineinhalb | |
Stunden eingeplant, weil man sonst bei der darauf folgenden | |
Elektro-Tanzveranstaltung für Homosexuelle stundenlang in einer | |
Warteschlange in der Kälte hätte stehen müssen. | |
## Informelles Zwangsouting | |
Nachdem wir die Orgie sozusagen en passant mitgenommen hatten – immer | |
wieder schön, wenn man plötzlich Bekannte, Kollegen und Personen des | |
öffentlichen Lebens in Camouflage-Unterhose antrifft, „Hey, hallo, du auch | |
hier. Orgie und so?“ – „Ja, wollte nur mal gucken“. Informelles | |
Zwangsouting kann auch ganz lustig sein – so zwischen rasselnden Slings und | |
stampfenden Beats. Aber richtig pervers ist hier nur das eine: Es gibt | |
tatsächlich einen Außenbereich, und das bei minus 5 Grad. Die spinnen doch | |
total, die Homosexualisten. | |
An der Garderobe merkt man dann erst mal, was man im Winter so alles auf | |
dem Leib mit sich herumschleppt. Mantel, Mütze, kiloweise Wolle, alles in | |
einer Tüte, die fast platzt vor Beschwernis. Natürlich sind wir dann bei | |
der Elektro-Tanzveranstaltung die Ersten, weil halb eins nun wirklich viel, | |
viel, viel zu früh ist. | |
Mein bester Freund weiß nun nicht, was er trinken soll. Er wohnt in | |
Berlin-Mitte und hat daher nicht nur eine Gluten-, sondern auch eine | |
Fructose-Intoleranz. Doch weil ich in Berlin-Neukölln wohne, habe ich die | |
rettende Idee: Sugar Free Fudschi, die Hipster-Variante des Neuköllner | |
Nationalgetränks Whiskey-Cola. Der Barkeeper bricht fast zusammen vor | |
Lachen. | |
## Man muss tanzen und abweisend gucken | |
Nach etwa einer Stunde kommen die Leute von der Orgie zur | |
Elektro-Tanzveranstaltung, angezogen und alle auf einmal. Nun muss man | |
tanzen, abweisend gucken und sich über Unwesentliches unterhalten. Alle | |
müssen mitmachen. | |
Chrchch. Gähn. Der Homosexualismus feiert fröhliche Urstände. Nts-nts-nts. | |
Stampf, stampf, stampf. | |
Das finden Sie jetzt alles langweilig? Total irrelevant und belanglos? | |
Papier- und Platzverschwendung? Da können Sie mal sehen, wie verschieden | |
die Uhren auf der Welt ticken. Wären wir jetzt in Russland, dann wären Sie | |
jetzt gerade Zeuge einer Straftat geworden. Schriftliche Propaganda für | |
Homosexualismus. Schlimm. | |
28 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Reichert | |
Martin Reichert | |
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