| # taz.de -- Kolumne Back on the scene: Jede Bratwurst eine Oblate | |
| > Das ökologische Gleichgewicht der Menschen muss gehalten werden, findet | |
| > der Papst. Was tun? Schwule und Lesben in die Biotonne, Deckel zu – und | |
| > Ruhe ist. | |
| Bild: Heilige Bratwurst! | |
| Mann kann als Homosexueller vieles falsch machen. Geht man zum Beispiel auf | |
| einen schwulen Weihnachtsmarkt, um dort mit Gleichgesinnten Glühwein zu | |
| trinken und herumzualbern, stört man die ansonsten auf Weihnachtsmärkten | |
| übliche christliche Andacht. Jede Bratwurst eine Oblate, jeder gehäkelte | |
| Eierwärmer aus dem Erzgebirge eine Reliquie der Heiligen. Und die bunten | |
| Karussells, nichts weiter als ein Maschine gewordenes Mantra, ein | |
| elektrisch betriebenes Amen. | |
| „Was soll mein sechsjähriger Sohn denken, wenn er plötzlich einen | |
| Weihnachtsmann mit Waschbrettbauch und Stringtanga sieht?! Er weiß doch | |
| dann gar nicht mehr, wo er dran ist!“ Diese Frage stellte mir neulich | |
| ernsthaft und wahrhaftig eine katholisch gesonnene besorgte Mutter. Ich | |
| weiß es auch nicht genau, vermute aber, das ein Sechsjähriger nichts damit | |
| anfangen könnte, wenn man ihm erklärte, das der Weihnachtsmann in dieser | |
| Form eine Erfindung von Coca-Cola ist und das Ganze womöglich ein | |
| Agitprop-Gesamtkunstwerk, das darauf hinweisen möchte, das der Kapitalismus | |
| nackt ist. | |
| Ist man als Homosexueller, einfach, wer man ist, und verhält sich still und | |
| friedlich – ganz ohne auf dem Weihnachtsmarkt herumzugrölen –, dann ist es | |
| auch wieder nicht richtig. So verkündete der Papst anlässlich des Festes | |
| der Liebe, dass die Menschheit gefälligst auf „die Stimme der Schöpfung“ | |
| hören solle, um die vorgegebenen Rollen von Mann und Frau zu verstehen. | |
| Alles andere käme „einer Selbstzerstörung des Menschen und der Zerstörung | |
| von Gottes Werk selbst“ gleich. | |
| Als Homo ist man nach dieser Lesart eine Art humanoides Treibhausgas, das | |
| der Menschheit die Lampe ausknipst. Eine „Ökologie für den Menschen“ sei | |
| gefragt, so hatte es der Papst vor der versammelten Kurie verkündet. | |
| Schwule und Lesben in die Biotonne, Deckel zu – und Ruhe ist. | |
| Weihnachten haben wir trotzdem gefeiert, zu zwölft. Mit halb schwuler, halb | |
| heterosexueller Besetzung, damit das ökologische Gleichgewicht nicht | |
| umkippt. Der Weihnachtsbaum war allerdings, zugegeben, aus Plastik und | |
| aufblasbar. | |
| Die schönste Anekdote an diesem Abend stammte von einem ehemaligen Schüler | |
| des berühmt-berüchtigten Klosters Ettal, der sich nachts mit seinem | |
| Jugendschwarm in der Wäschekammer traf und tagsüber stets auf der Hut vor | |
| den Nachstellungen seiner priesterlichen Lehrer sein musste. Gefirmt wurde | |
| er, der damals noch sehr religiös war und davon träumte, Priester zu | |
| werden, von Joseph Kardinal Ratzinger persönlich. Der Kardinal strich jedem | |
| Schüler einzeln über den Kopf und sparte nicht mit Aufmunterungen und Lob – | |
| nur bei unserem Weihnachtsgast hielt er kurz inne und schaute ihm tief in | |
| die Augen: „Das wird nichts, das wird nichts“, sagte er. | |
| Haben wir gelacht an diesem Abend. An Weihnachten will man lieber nicht | |
| daran denken, wie mörderisch dieser Hass sein kann, der von den meisten | |
| Weltreligionen gegen Schwule und Lesben gepredigt wird. Da ist es besser, | |
| man feiert einfach den Red Nose Day und lässt dabei die Fenster | |
| geschlossen. | |
| 30 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Reichert | |
| Martin Reichert | |
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