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# taz.de -- Efta-Gericht spricht Island frei: Reykjaviks Sturheit zahlt sich aus
> Das Gericht der Europäischen Freihandelszone schützt Island vor einer
> Staatshaftung nach der Bankenpleite. Die Steuerzahler freut's, die Briten
> weniger.
Bild: 2010: Proteste gegen „Icesave“-Zahlungen in Reykjavik
STOCKHOLM taz | „Icesave“ wird für Island nun doch nicht zu „Iceslave“…
seiner Weigerung, britische und niederländische Anleger für ihre Guthaben
bei der pleitegegangen Icesave-Bank zu entschädigen, habe das Land nicht
gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstoßen, urteilte am Montag in
Luxemburg der Gerichtshof der Europäischen Freihandelszone Efta.
Der Grund: Es gebe keine Verpflichtung, die eine Haftung des Staates und
damit der Steuerzahler für den Fall eines unzureichenden nationalen Systems
der Einlagensicherung begründe. Das Urteil ist eine auch über den Fall
Island hinaus grundlegende Präzedenzentscheidung zur Geltung der
EU-Bankendirektive.
Im Oktober 2008 war Icesave, eine Tochter der isländischen Privatbank
Landsbanki, die vor allem in Großbritannien und den Niederlanden mit
rekordhohen Zinsen hunderttausende Sparer gelockt hatte, zusammengebrochen.
Für den Fall einer solchen Zahlungsunfähigkeit sollte laut Kontobedingungen
der isländische Bankengarantiefonds „Tryggingarsjósur“ maximal bis zu ein…
Betrag von umgerechnet rund 20.000 Euro pro Konto haften. Weil alle drei
isländischen Privatbanken aber gleichzeitig kippten, erwies sich dieser
Fonds als völlig unzureichend.
## 3,8 Milliarden Euro plus Zinsen
Um einen Run auf die Banken zu verhindern, sprangen die britische und
niederländische Regierung ein und ersetzten die Icesave-Einlagen ihrer
StaatsbürgerInnen aus eigener Kasse. Die Niederlande halfen mit maximal bis
zu 100.000 Euro pro Konto, Großbritannien sogar in unbegrenzter Höhe. Beide
Staaten forderten dann von Island den durch den jeweiligen
Landesgarantiefonds gesicherten Betrag zurück, insgesamt rund 3,8
Milliarden Euro zuzüglich Zinsen.
Eine Summe, die etwa dem halben jährlichen Bruttoinlandsprodukt Islands mit
seinen 330.000 EinwohnerInnen entsprochen hätte. Zwischen Reykjavik, London
und Den Haag wurden zwei Abkommen zur Regulierung dieser Schulden
geschlossen, aber nie umgesetzt: Die Mehrheit der Isländer stoppte eine
solche Vergesellschaftung privater Bankschulden nämlich per
Volksabstimmung.
Dagegen erhob die Efta Surveillance Authority (ESA) Ende 2011 Klage. Diese
wies der Efta-Gerichtshof nun zurück und entschied zugunsten Islands – das
Gericht ist zuständig für Streitigkeiten zwischen Ländern des Europäischen
Wirtschaftsraums EWR, zu dem neben allen EU-Staaten Island, Norwegen und
Liechtenstein gehören.
## Viele offene Fragen
Zwar habe sich das isländische Bankeinlagengarantiesystem als unzureichend
erwiesen, so dass die Forderungen nicht aller Anlager hätten ersetzt werden
können. Eine hilfsweise Staatshaftung begründe dies aufgrund des Fehlens
einer solchen ausdrücklichen Regelung in der EU-Bankendirektive aber nicht.
Diese Direktive fordere zwar ein solches System, lasse aber „größtenteils
unbeantwortet, wie zu verfahren sei, wenn das Einlagensicherungssystem
seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann“.
In der Konsequenz haben London und Den Haag deshalb keine Ansprüche gegen
Island - und müssen nun jedenfalls die Gelder abschreiben, die aus der
Icesave-Konkursmasse nicht gedeckt werden können. Sie erleiden darüber
hinaus einen schweren Prestigeverlust.
Mit Drohungen bis hin zu Handelssanktionen und einem Druck, der von
Reykjavik als erpresserisch kritisiert wurde, hatten sie und teilweise auch
die EU-Kommission Island zu „freiwilliger“ Zahlung veranlassen wollen. Man
verlangte Zinsen in Höhe von bis zu 13,3 Prozent auf die vermeintliche
Schuld und drohte, das Land werde bei einer Weigerung keine Kredite vom
Internationalen Währungsfonds mehr erhalten. London bemühte sogar seine
Antiterrorgesetzgebung gegen Island.
28 Jan 2013
## AUTOREN
Reinhard Wolff
Reinhard Wolff
## TAGS
Steuerzahler
Banken
Island
Island
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