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# taz.de -- Nach dem Zusammenbruch in Island: Der demokratische Weg als Rettung
> Im Herbst 2008 kollabierten die Banken in Island. Jetzt hat sich das Land
> wieder erholt. Die Krone ist stabil, das Wirtschaftswachstum von 3
> Prozent liegt über dem der Eurozone.
Bild: Premierministerin Sigurdardottir und Chinas Premier Wen Jiabao sprachen e…
STOCKHOLM taz | Island hat sich schneller vom Finanzcrash erholt, als
selbst Optimisten vorhergesagt hatten. So lag Islands Wirtschaftswachstum
2011 mit knapp 3 Prozent schon wieder deutlich über dem der Eurozone. Die
Krone hat sich stabilisiert, wenn auch mit einem Minus von 50 Prozent
gegenüber Euro und Dollar im Vergleich zur Zeit vor der Krise. Die
Inflation liegt unter 3, die Arbeitslosenrate bei 7 Prozent.
Exministerpräsident Geir Haarde führt das auf die Standhaftigkeit gegenüber
dem Druck der EU zurück. Brüssel hatte von Reykjavik verlangt, die Banken
zu retten, sodass ausländische Anleger – sprich: europäische Banken – ihr
Kapital nicht verlieren würden. Das habe man verweigert. „Als EU-Mitglied
wären wir zu einer teuren Rettungsaktion wie Irland gezwungen gewesen“,
sagte Haarde vergangene Woche in einem Interview.
Haarde berichtete erstmals Einzelheiten über die Forderungen der EU, die
von Island verlangt habe, für alle Schulden der pleitegegangenen privaten
Banken staatlich zu garantieren. EU-Kommissionspräsident José Manual
Barroso hätte ihn unter großen Druck gesetzt, „am Telefon hat er mir einen
offenbar vorbereiteten Text vorgelesen“. Die glasklare Botschaft:
Ausländisches Kapital, das in die isländischen Banken geflossen sei, müsse
auf jeden Fall über staatliche Garantien abgesichert werden.
Die Weigerung Islands dürfte neben der Standhaftigkeit, die Haarde nun für
sich beansprucht, wesentlich der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass man
kaum eine andere Wahl hatte. Islands Banken waren zwar „too big to fail“,
doch angesichts ihrer Schulden, die dem zehnfachen des
Bruttoinlandsprodukts entsprachen, für Reykjavik auch „too big to save“.
„Wir hätten das Land gar nicht genug verschulden können, um die Banken zu
retten, sagt der damalige Finanz- und jetzige links-grüne
Wirtschaftsminister Steingrímur J. Sigfñsson rückblickend.
## Der Zusammenbruch war bedacht
Deshalb habe man sie zusammenbrechen lassen, mit der Folge, dass
europäische Banken, die am isländischen Spekulationsrad mitgedreht hatten,
85 Prozent ihrer Forderungen abschreiben mussten. „Unser politisches
Prinzip“, so der Minister, „war, dass die Verluste der Privatwirtschaft
nicht sozialisiert werden sollten.“ Das, was an Island hängen blieb,
nämlich die Haftung für die Einlagen privater Sparer, dürfte das Land
sowieso noch für viele Jahre belasten und ist Gegenstand eines
Rechtsstreits, der zwischen Reykjavik und Brüssel schwelt.
Wenn Island sich nur deshalb der EU verweigern und sich so einigermaßen aus
dem Finanzstrudel retten konnte, weil es zwar zum EWR gehört, aber kein
EU-Mitglied ist und eine eigene Währung hat, sollte dies für Brüssel und
hochverschuldete Euroländer ein Grund zum Nachdenken sein, meint Islands
Staatspräsident Ragnar Grimsson. Wolle man ein Land aus einer schweren
Finanzkrise retten, dann gehe das nur über den demokratischen Weg: „Die
Lektion ist, dass man die Menschen fragen, das Gemeinschaftsgefühl und die
soziale Bande stärken muss – und nicht auf die Finanzmärkte starren darf.“
Grimsson hatte zweimal über Volksabstimmungen Gesetze gestoppt, die neben
den Schulden der privaten Icebank den Steuerzahlern auch noch horrende
Zinsen aufhalsen wollten.
1 May 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Steuerzahler
Island
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