# taz.de -- Kriminalität in Mexiko: Bürgerwehr sagt Mafia den Kampf an | |
> Mehrere Hundert Ordnungshüter wollen im Bundesstaat Guerrero die | |
> Bevölkerung vor Entführungen, Überfällen und Morden schützen. | |
> Menschenrechtler sind skeptisch. | |
Bild: Auf dem Posten: Ein Mitglied der neuen Bürgerwehr in Gruz Grande in der … | |
BERLIN taz | Sie hatten genug davon, dem Terror der Mafia schutzlos | |
ausgeliefert zu sein. Seit vier Wochen haben im südmexikanischen | |
Bundesstaat Guerrero Hunderte von Männern eine bewaffnete Bürgerwehr auf | |
die Beine gestellt, um die Bevölkerung vor Entführungen, Überfällen und | |
Morden zu schützen. Die Maskierten richten Kontrollpunkte ein, | |
patrouillieren auf den Straßen und nehmen Verdächtige fest. 54 Menschen | |
haben die selbsternannten Ordnungshüter bereits verhaftet, am vergangenen | |
Donnerstag begannen sie sogar einen öffentlichen Prozess gegen die | |
mutmaßlichen Kriminellen. | |
Die stark indigen geprägten Regionen Costa Chica und La Montaña, in denen | |
die Union der Völker und Organisationen von Guerrero (UPOEG) nun das | |
öffentliche Leben kontrolliert, zählen zu den ärmsten des ohnehin ärmsten | |
Bundesstaates Mexikos. Seit Langem dominiert hier die Mafia, die | |
Bevölkerung ist dem Treiben der Kartelle schutzlos ausgeliefert, Polizisten | |
arbeiten meist eng mit den Kriminellen zusammen. | |
Deshalb hatte sich bereits vor 17 Jahren eine autonome Gemeindepolizei | |
(Crac) gegründet, die in über 70 Dörfern nach indigenen Regeln ihren Dienst | |
versieht und staatliche Sicherheitskräfte nicht respektiert. Auch einige | |
Aktivisten aus der jetzt entstandenen Bürgerwehr stammen aus der Crac. Die | |
aber steht dem Auftreten der Milizen kritisch gegenüber. | |
Alles hatte am 5. Januar begonnen. Nachdem der Bürgermeister des Dorfes | |
Rancho Nuevo entführt worden war, bauten 400 Bewohner auf mehreren Straßen | |
Barrikaden. Mit Macheten und Gewehren konnten sie den Politiker befreien | |
und die Kriminellen vertreiben. Seither halten die Milizen Kontrollpunkte | |
um einige Städte und Gemeinden aufrecht, nehmen Verdächtige fest und | |
stellten sich zunächst auch gegen die staatlichen Sicherheitskräfte. | |
Mindestens 800 Männer haben sich der UPOEG inzwischen angeschlossen. | |
## Gouverneur redet mit Vertretern der Milizen | |
„Sie haben hier alle Unterstützung“, meint Bauernführer Rosas. In kürzes… | |
Zeit habe die Bürgerwehr mehr erreicht als die Operation „Sicheres | |
Guerrero“. Die im Rahmen dieses staatlichen Programms eingesetzten Beamten | |
hätten nie jemanden festgenommen. | |
Zu den Ergebnissen der bewaffneten Mobilmachung der UPOEG zählen nicht nur | |
jene 54 Verdächtigen, die vor einem „volkseigenen“ Gericht stehen. Ein | |
Taxifahrer wurde erschossen, nachdem er sich geweigert hatte, den | |
UPOEG-Milizen seine Papiere zu zeigen. Dennoch zeigte sich selbst der | |
Gouverneur des Bundesstaates, Àngel Aguirre Rivero, gesprächsbereit und | |
traf sich mit Vertretern der Milizen. | |
Die Selbstverteidigungsmaßnahmen „werfen ein Licht auf die | |
Hoffnungslosigkeit der Bürger angesichts der organisierten Kriminalität und | |
des Fehlens einer Antwort der Behörden“, erklärte er. Mittlerweile hat der | |
Politiker sogar Vereinbarungen mit den Bewaffneten getroffen und will sie | |
unterstützen. Auch Armee und Polizei sollen wieder in der Region | |
patrouillieren. | |
Nicht zuletzt deshalb stehen Menschenrechtsverteidiger und die Crac der | |
Bürgerwehr skeptisch gegenüber. Durch den jahrelangen Einsatz der | |
Gemeindepolizei habe sich das für viele Angriffe auf die Bevölkerung | |
verantwortliche Militär zurückgezogen, erklärt Vidulfo Rosales Sierra vom | |
örtlichen Menschenrechtszentrum Tlachinollan. Nun befürchtet er eine | |
massive Rückkehr der Soldaten in die Dörfer. Damit werde der Weg für neue | |
Menschenrechtsverletzungen frei gemacht. | |
5 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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