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# taz.de -- Alpinbusiness in Österreich: Das Wintermärchengeschäft
> Peter Schröcksnadel ist Boss des österreichischen Skiverbands. Den hat er
> zu einem rentablen Monopolunternehmen geformt.
Bild: Schröcksnadels Kundschaft: Ski-Fans in Schladming.
WIEN taz | Der Tiroler Peter Schröcksnadel ist der Heizer von Österreichs
wichtigster Identitätsmaschine, dem alpinen Skisport. Seit er 1990 die
Funktion des Präsidenten im kriselnden Skiverband [1][ÖSV] übernahm, hat er
dessen Budget von 2,7 Millionen Euro auf 42 Millionen gepusht. Keine andere
Nation gibt auch nur annähernd so viel Geld für den alpinen Skisport aus
wie Österreich. Die Ski-WM in Schladming (4.–17. 2.) kommt Österreichs
Wintermärchenmacher in mehrfacher Hinsicht gelegen: als Geschäft, als
Nachweis seiner Unersetzlichkeit und als Funktionstest seines Netzwerks.
Die EU akzeptierte im Vertrag von Lissabon Sport als grenzüberschreitende
Tätigkeit und anerkannte seine Eigenheiten. Das im globalen Sport-Business
übliche und hiermit von der EU abgesegnete Monopolsystem – ein Verband pro
Nation pro Sportart – ist Schröcksnadel, 71, wie auf den Leib geschrieben.
Der Unternehmer begann in den 1960ern mit der Herstellung von
Panoramatafeln, Pistenmarkierungstafeln und Pistenleitsystemen.
Mittlerweile vertreibt er seine Produkte bis nach Japan und Nordamerika. Er
hält Beteiligungen an mehreren Skiliften in Österreich. Schröcksnadels
[2][Feratel Media Technologies] entwickelt touristische
Marketinginstrumente und wickelt Presse-Akkreditierungen bei
österreichischen Weltcuprennen ab.
Schröcksnadels Selbstverständnis illustrieren die Dopingskandale des ÖSV.
Bei den Winterspielen 2002 in Salt Lake City wurden im Mistkübel des
ÖSV-Quartiers gebrauchte Blutbeutel gefunden, wie sie Sportler für
Eigenblutinfusionen benützen. In Turin 2006 durchsuchten Carabinieri
Quartiere von ÖSV-Langläufern und Biathleten und beschlagnahmten
Gerätschaften, die nach dem IOC-Anti-Doping-Code verboten sind. Jeder
andere Funktionär wäre angesichts des von ihm geleiteten Saustalls
zurückgetreten.
## Filz von Sportverbänden
Doch Schröcksnadel sieht sich als Staatsanwalt, Zeuge und Richter in einer
Person. Der ÖSV setzte einen internen Untersuchungsausschuss ein und
behauptete, mit dem Ausschluss einiger Sportler alles geklärt zu haben.
Seine Unangreifbarkeit ergibt sich auch aus seinem politischen Netzwerk. Es
sorgt im österreichischen Filz von Sportverbänden und politischen Parteien
für den verlässlichen Fluss von Fördergeldern. Exbundeskanzler Wolfgang
Schüssel von der bürgerlichen Volkspartei ÖVP, dessen Amtszeit (2000–2007)
von Korruptionsvorwürfen gegen einige der damaligen Minister in Misskredit
geriet, soll Schröcksnadel einen Ministerposten angeboten haben, doch der
Tiroler lehnte ab.
Schüssel ist Polit-Pensionist, Schröcksnadels bürgerliche Seilschaft hält
eisern. Der Landeshauptmannstellvertreter des Bundeslandes Steiermark,
Hermann Schützenhöfer (ÖVP), erwies sich in der Vorbereitung der Ski-WM als
treuer Partner. Die Steiermark fährt seit Jahren einen rigiden Sparkurs.
Doch für die Ski-WM legte die Steiermark mehr als 141 Millionen Euro aus.
Das dürfte freilich nur eine vorläufige Zahl sein. Über die endgültige Höhe
der Subventionen verweigert Schützenhöfer die Auskunft.
Die dritte Säule von Schröcksnadels Macht sind kooperierende Medien. Mit
der auflagenstärksten Zeitung, der krawallpatriotischen Kronen Zeitung, ist
der ÖSV vertraglich verbunden. Außerdem kaufte der Staatssender ORF den von
Schröcksnadel aufgebauten Wetter-Panorama-Sender TW 1. Natürlich ist der
[3][//:ORF] der Sender der ÖSV-Wahl bei Ski-Events. Der Internationale
Skiverband FIS (WM-Zuschuss für den ÖSV: 35 Millionen Euro) und dessen
Präsidenten Gianfranco Kaspar springen nicht immer nach Schröcksnadels
Rhythmus.
Also gründete der ÖSV 2009 mit der Schweiz, Frankreich und Italien den
Europäischen Skiverband. Um dessen sportlich wertlose Veranstaltungen in
Österreich bekannt zu machen, lud der ÖSV Journalisten ein: Nimm Einladung
und Streicheleinheiten, gib Meldung. Die eingebetteten Journalisten
rapportieren brav. In den 90ern wurde jedes österreichische Weltcup-Rennen
von einer eigenen Agentur vermarktet.
Schröcksnadel setzte durch, dass nur der ÖSV dazu berechtigt sei, Werbung
und Sponsoring für „seine“ Weltcup-Rennen zu verkaufen. Heute ist der
Verein ÖSV eine Konzernmutter für Gesellschaften, die alle Dienstleistungen
von der Vermarktung bis zur Organisation von Events anbieten. Die Ski-WM
wird von der ÖSV-Tochter [4][//:Austria Ski WM und Großveranstaltungs GmbH]
organisiert. Geschäftsführer: Schröcksnadel und ÖSV-Generalsekretär Klaus
Leistner.
Wenn Austro-Stars wie Marcel Hirscher oder Anna Fenninger erwartungsgemäß
bei der WM Medaillen gewinnen, raschelt es in der ÖSV-Kassa. Von der
Organisation bis zum Controlling macht Schröcksnadel alles selber. Getreu
dem neoliberalen Motto des Spitzensport-Business: Nur ja keine
(staatlichen) Eingriffe in die unternehmerische Tätigkeit. Nur öffentliche
Subventionen lässt er sich gefallen.
8 Feb 2013
## LINKS
[1] http://www.oesv.at/news/index.php
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## AUTOREN
Johann Skocek
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