# taz.de -- Alpine Ski-WM: Die Schmach von Schladming | |
> Fünf Wettbewerbe und erst eine mickrige Bronzemedaille: Österreichs | |
> Alpin-Armada versagt ausgerechnet bei der Heim-WM auf ganzer Linie. | |
Bild: Ja, wo fahren sie denn? Ösi-Skifan schaut bedröppelt. | |
Sie haben ja nicht mehr viel, die Österreicher. Galizien gehört heute Polen | |
und der Ukraine. Die Bukowina liegt in Rumänien. Der Adel wurde quasi | |
abgeschafft, weswegen ersatzweise jeder Depp mit „Herr Magister“ angeredet | |
wird. Auf dem Opernball laufen die Stars der Wiener Botox-Liga nur noch | |
Werbung für ihre Schönheitschirurgen. Touristen ersticken im Sisi-Kitsch | |
und an der [1][Dobosch-Torte]. | |
Das Schnitzel schmeckt nur noch nach nasser Socke, und fett macht der | |
panierte Fleischlappen auch. Der Fußball befindet sich auf dem Niveau eines | |
Entwicklungslandes, und im olympischen Medaillenspiegel kämpft das Land mit | |
Burkina Faso um Platz 80. Die politische Elite versinkt im | |
Korruptionssumpf. Am Wiener Naschmarkt naschen eigentlich nur noch die | |
Ratten mit Appetit. Die verhassten Piefkes überrennen das Land; die Uni | |
Wien gehört ihnen schon fast. Die berühmtesten Österreicher heißen Lugner | |
und Schwarzenegger. | |
Kurzum: Das Land steckt in einer schweren Krise. Doch es gibt ja noch die | |
austriakischen Skirennfahrer, die so schnell die eiskalt zubetonierten | |
Pisten owifoan. Auch wenn alles den Bach runtergeht in der rot-weiß-roten | |
Operettenrepublik, an den Skifahrern konnten sich die Linzer, | |
Mürzzuschlager und Braunauer noch immer berauschen. Die Pistenhaie | |
richteten regelmäßig ein gebeuteltes Völkchen auf. Sie gaben ihnen neues | |
Selbstbewusstsein, neuen Mut. Und die Kraft, durchzuhalten in einer Welt | |
der Demütigungen und des Verfalls. | |
## Der "Bulle von Öblarn" wird nur Vierter | |
Klammer, Sailer, Eberharter, Weirather, Trinkl, Moser-Pröll, Götschl, ja, | |
das waren noch Helden und Heldinnen. Aber heute kriegen sie nichts mehr hin | |
im Stangenwald. Dabei haben sie sich extra eine [2][Ski-Weltmeisterschaft] | |
für teures Geld ins eigene Alpenland geholt, um die anderen mal so richtig | |
an den Baum zu fahren. Und dann das: Nach fünf Wettbewerben hat Österreich | |
nur eine einzige mickrige Bronzemedaille gewonnen – in der völlig | |
unbedeutenden Super-Kombination; schon allein wegen dieses | |
aufschneiderischen Namens müsste dieser Wettbewerb verboten werden. | |
In Schladming sollte es Goldmedaillen regnen. Doch im Super-G der Frauen | |
siegte eine Slowenin, im Männer-Rennen ein US-Amerikaner. In der | |
Männer-Abfahrt, die am Samstag ein Norweger gewann, kam Klaus Kröll, der | |
„Bulle aus Öblarn“, nur auf Platz vier ein, was der Österreichische | |
Rundfunk (ORF) als „Höchststrafe“ empfand. Höchststrafe wofür eigentlich? | |
„Das ist extrem bitter, wir haben uns hier alle mehr verdient“, sagte der | |
Bulle, „mein Gefühl war furchtbar und dieser vierte Platz leider typisch | |
für uns.“ Krölls Teamkollege Reichelt war im Super-G unter der Woche auch | |
nur Vierter geworden. Das Fazit des ORF: „Ein Tag zum Vergessen für die | |
Österreicher.“ | |
## "Super Schnitten lassen bitten" | |
Wobei: Vergessen können die Ösis ja ziemlich gut. Das ist geschichtlich | |
bedingt und klappt natürlich auch bei Schnee und Minustemperaturen im | |
steiermärkischen Ennstal, wo die Skigaudi mittlerweile etwas getrübt ist. | |
Nicht nur, dass die einheimischen Skirennfahrer stumpfe Kanten, schlottrige | |
Knie und verwachste Latten haben, nein, jetzt musste auch noch der | |
Höhepunkt des Schladminger WM-Kulturprogramms wegen eines Shitstorms | |
abgesagt werden. Ein Partyveranstalter hatte frivole Motto-Abende geplant. | |
Doch aus „Zeig Zilli deinen Willi“, „Super Schnitten lassen bitten“ oder | |
[3][„Husch Wuschi mit der Uschi“] wurde leider nichts. | |
Am Sonntag nahmen die Österreicher einen neuen Anlauf, um aufs „Stockerl“ | |
zu stürmen. Angesetzt war der Abfahrtslauf der Frauen. In einschlägigen | |
Abfahrtsforen empfahl man den ÖSV-Starterinnen „mehr Coolness und | |
Arroganz“. Man glaubte auch zu wissen, woran es bislang haperte: „Wir haben | |
gute, aber keine weltmeisterlichen Läufer.“ Im Vorfeld der WM habe es | |
„großes Tamtam“ gegeben, „und jetzt ist nichts“. Ganz richtig: Am Sonn… | |
setzte sich das Ösi-Debakel, die Schmach von Schladming, fort. | |
Die erste ÖSV-Rennläuferin, Sfeffi Moser, stürzte. Andrea Fischbacher, | |
Regina Sterz und Anna Fenninger waren viel zu langsam. Elisabeth Görgl | |
kommentierte ihre Fahrt im Ziel mit einem zünftigem „Fuck“. Fischbacher | |
hatte als Achte und beste Österreicherin 1,23 Sekunden Rückstand auf | |
Überraschungssiegerin Marion Rolland aus Frankreich. Das ist so, als würde | |
die DFB-Elf in der WM-Quali an Kasachstan scheitern oder Neuseeland im | |
Rugby gegen Deutschland verlieren. Leiwand (deutsch: super) war gestern, | |
jetzt ist Leiden angesagt. | |
10 Feb 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Dobostorte | |
[2] http://www.schladming2013.at/en/home/ | |
[3] http://derstandard.at/1358305716520/Zeig-der-Zilli-deinen-Willi-Partynamen-… | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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