| # taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Die heilige Alice und der Saruman | |
| > Eines Tages werden mich meine Enkel fragen, wie es denn früher so war, | |
| > als es noch Sexismus gab. Und wo ich beim #Aufschrei war. | |
| Bild: In 40 Jahren hoffentlich aussortiert: Barbie-Puppen. | |
| Schlechte Laune. Ich. Seit Wochen. Kein Bock auf ganze Sätze. Zu | |
| anstrengend. Ja, müde auch. Nein, keine Winterdepression, nicht diesen | |
| saisonalen Trendscheiß. Auch kein Burn-out. Burn-out ist Hipsterkacke. | |
| Sondern klassische, handgearbeitete, massive, schlechte Laune. Zeitloses | |
| Design. Nachhaltige Produktion. Und schlechtes Gewissen noch dazu. Es gäbe | |
| so viel zu tun gerade. Uff. | |
| In vierzig Jahren werden meine Enkel mich fragen, Oma, wo warst du, als der | |
| #Aufschrei war? Hast du nicht mitgeschrien? „Doch, doch“, werde ich | |
| seufzen. | |
| „Hab ich. Natürlich. Ja, ja. Eine Talksendung hat mich sogar eingeladen, um | |
| drüber zu reden, aber dann haben sie eine andere gekriegt, die wichtiger | |
| war, und mich wieder ausgeladen.“ Und dann nehme ich die Kinder bei der | |
| Hand und gehe mit ihnen zur Ablenkung ins Barbiemuseum. Sie glauben mir ja | |
| immer nicht, dass es so was mal gab, diese Barbies. | |
| Sie sind jetzt alt genug, denke ich, während ich ihnen für den Weg ein | |
| Softeis drucke. Sie können ruhig die Wahrheit erfahren, wie das früher war, | |
| mit dem Sexismus und dem Patriarchat. „Oma, erzähl vom Krieg!“, rufen sie | |
| immer. | |
| ## Die Alice mit dem fusseligen Mund | |
| Und Oma erzählt. Von der heiligen Alice und wie sie ihre letzten Jahre im | |
| Krankenhaus verbringen musste, weil sie sich den Hintern auf Günther Jauchs | |
| Sesseln wundgesessen hatte. Vom fusseligen Mund ganz zu schweigen. Günther | |
| Wer?, fragen die Enkel. Nicht so wichtig, sage ich. | |
| Und Oma erzählt weiter, von den Slutwalks und von „One Billion Rising“ und | |
| wie es damals noch Rape Culture gab und Victim Blaming, und die Kinder | |
| machen große Augen und schütteln ab und zu ungläubig die Köpfe. „Aber | |
| diesen Kachelmann gab es nicht in echt, oder?“, fragen sie. Nein, nein, | |
| sage ich. Dafür sind sie noch zu jung. Sie haben davon in Gruselgeschichten | |
| gehört, als sie bei ihren Offlinefreunden übernachtet haben. „Puh“, sagen | |
| sie. „Der ist einfach so was wie Darth Vader oder Saruman, oder?“ Ja, sage | |
| ich, so ähnlich. | |
| „Und Kristina Schröder“, fragen sie, „gab es die wirklich?“ „Klar“… | |
| ich, „die lebt sogar noch. Sie hat ein Haus in Bullerbü gekauft, als das | |
| mit der Politik nicht so lief. Da schreibt sie seit fast vierzig Jahren | |
| Kinderbücher. Leider waren die Bücher auch nicht erfolgreich, keiner wollte | |
| sie lesen. Die Hauptfigur, ein Mädchen, wollte immer nur putzen und Windeln | |
| wechseln.“ Die Kinder gucken skeptisch. | |
| „War das ein Kampf von Frauen gegen Männer?“, fragen sie. „Nein“, sage… | |
| „eher so ein Ding zwischen Arschlöchern und Nichtarschlöchern.“ | |
| Als wir am Barbiemuseum ankommen, hab ich gerade von Heidi Klum und den | |
| Topmodels erzählt. Die Kinder prusten und lachen. „Oma!“, rufen sie, „De… | |
| Geschichten sind die besten! Besser sogar als die von unseren sieben Opas.“ | |
| Während wir durchs Barbiemuseum laufen, halten sich die Kleinen an meinem | |
| Mantel fest. Manchmal verstecken sie sich hinter meinen Beinen und | |
| stottern: „Oma, das ist jetzt aber Fake, oder?“ Ich streiche ihnen über die | |
| Haare und sage, dass das jetzt vorbei ist. | |
| Hoffentlich sind sie meine Enkel und nicht meine Ur-Ur-Enkel. | |
| 6 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Margarete Stokowski | |
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