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# taz.de -- Anti-Nazi-Kundgebung: Rechts freie Meinungsäußerung
> Die NPD agitiert in Neukölln gegen den Bau einer Unterkunft für
> Asylbewerber – die Polizei passt auf, dass sie dabei nicht zu sehr
> gestört wird.
Bild: Die Femen-Frauen werden von der Polizei entfernt.
Die Polizisten packen die halbnackten Frauen und schleppen sie gewaltsam
zum Dienstwagen. Die Nazis stehen sicher hinter der Absperrung und
applaudieren den Beamten. Einer der NPD-Leute ruft hinterher: „Genau,
bringt mal schön diese Revolutionsfotzen weg.“ Mit „Revolutionsfotzen“
meint er die fünf Aktivistinnen von Femen, auf deren nackten Brüsten Sätze
wie „Kein Asyl für Nazis“ prangen.
Die Femen-Frauen und Hunderte weiterer Menschen sind am Samstag zum
Gemeinschaftshaus Gropiusstadt in Neukölln gekommen, um gegen die NPD zu
protestieren. Bündnis Neukölln, Antifa, der Flüchtlingsrat, die Linke, Pro
Asyl, die Jusos Berlin, der Evangelische Kirchenkreis Neukölln – um nur
einige zu nennen – sind dabei. Sie alle wollen verhindern, dass die NPD
ungestört gegen das Asylrecht hetzen kann. Die Neonazis machen mit ihrer
Veranstaltung gegen den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Rudow
mobil.
Auf der von grauen Plattenbauten umschlossenen Lipschitzallee ergibt sich
folgendes Bild: 20 große Einsatzwagen der Polizei, überall Beamte, die die
Protestierenden hinter eine Absperrung pferchen, damit die etwa 60 Nazis
ungestört den Weg ins Gemeinschaftshaus Gropiusstadt finden. Keine Glatzen,
keine Bomberjacken, keine eindeutigen Symbole. Stattdessen prollige
Schlägertypen in Basecaps und Turnschuhen, mit Sternchentattoos statt
Adlern und Hakenkreuzen. Der Rest der NPD-Sympathisanten sind an diesem Tag
unauffällige alte Leute.
Das Bezirksamt Neukölln hat der NPD den Raum im Gemeinschaftshaus
zugewiesen – unter der Bedingung, dass sie eine offene Veranstaltung macht.
Das heißt, die NPD muss jeden hereinlassen, der an der Veranstaltung
teilnehmen will. Trotz Polizeiabsperrung und Einschüchterungsversuchen
durch die Nazis: Eine Gruppe von rund 40 Nazigegnern nimmt dieses Recht
wahr und bahnt sich den Weg in den Versammlungssaal. Dort herrscht
explosive Stimmung.
Der Saal hat die Größe einer Schulaula. Im Zentrum steht das Rednerpult mit
NPD-Logo, rechts die Nazis, links die Gegendemonstranten. Draußen im Gang
stehen etwa 50 Polizisten in Kampfmontur. Erster Redner ist Ronny Zasowk,
stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Brandenburg. Als er behauptet,
dass die Asylrate um 40 Prozent gestiegen sei, wird Zasowk heftig
ausgebuht. Das ist den Nazis dann doch zu viel der Diskussionskultur.
Schläger schwärmen aus, es kommt zu Handgreiflichkeiten, Tumult. Doch die
Polizei bleibt, wo sie ist.
Es folgen ein paar Minuten Unterbrechung, Zasowk und der stellvertretende
NPD-Bundesvorsitzende Udo Pastörs haben eine Unterredung mit der Polizei.
Pastörs droht mit einer Feststellungsklage der NPD, sollte die Polizei die
Veranstaltung nicht genügend unterstützen. Daraufhin läuft der
Einsatzleiter zu den Bürgern auf der linken Seite und erklärt: „Wenn Sie so
weitermachen, müssen wir zur Verhinderung einer Straftat gegen Sie
vorgehen.“
Dann geht Zasowk grinsend wieder ans Mikro: „Wir haben hier heute
Hausrecht. Wir diktieren hier die Bedingungen.“ Die bestehen ab diesem
Zeitpunkt darin, dass jeder, der einen Zwischenruf wagt, sofort von zwei,
drei Nazischränken umringt wird. „Was machst du, wenn du mal Asyl
brauchst?“ ruft eine junge Frau. Dafür wird sie von einem Nazi umgeschubst.
Wieder bricht Chaos aus. Ein Polizist sagt zu einem NPD-Mann: „Den Linken
muss doch klar sein, dass so eine Reaktion kommt, wenn die herkommen und
Sachen reinrufen. Ich spring da jetzt nicht rein.“
Dann kommt Udo Pastörs ans Rednerpult. Der rechte Teil des Raums
überschlägt sich vor Applaus. Den anderen Teil, der gepfiffen hat,
beschimpft Pastörs als „ideologieverblendete Asyllobby“. Dann doziert er
über die Würde des deutschen Volks. Die Nazigegner verlassen geschlossen
den Saal. „Warum geht ihr denn jetzt?“, fragt ein Polizist im Gang. „Wir
haben keine Wahl“, antwortet ein sichtlich erschöpfter älterer Mann. „Die
Veranstaltung lässt sich nicht mehr aufhalten. Wozu also diesen Dünnschiss
anhören? Außerdem ist es sicherer, jetzt als Gruppe zu gehen. Die Polizei
schützt uns nachher bestimmt nicht.“
17 Feb 2013
## AUTOREN
Dmitrij Kapitelman
## TAGS
Femen
Femen
Schwerpunkt Neonazis
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